KNV ist pleite! Was nun?
Die KNV-Gruppe hat am 14. Februar beim Amtsgericht Stuttgart Insolvenz beantragt. Danach ging ein Beben durch die Branche. Wie geht es weiter? Welche Kettenreaktionen sind zu befürchten? Gibt es einen Notfallplan? Umfragen, Interviews, Analysen - lesen Sie alles zur KNV-Insolvenz in unserem Dossier!
@Ralf Keulen: Ich bin von meinen eigenen Erfahrungen ausgegangen. Und da war zu Zeiten, in denen ich noch selbst Rechnungen schrieb (und nicht die Verlagsauslieferung), die Anlieferung portofrei und die Rückgabe vor Ablauf einer mehrwöchigen Valutafrist ohne Abzug möglich.
Die Buchhandlungen hatten also schlimmstenfalls das Rückporto zu tragen.
Offenbar wird das vom Handel heute überwiegend anders gehandhabt, in dem Fall haben Sie natürlich recht, und der Buchhandel hat bei Rückgaben einige Kosten. Da ich nie direkt mit KNV gearbeitet habe (ich habe nur mit Libri und Umbreit Verträge), kenne ich die aktuellen Konditionen von KNV nicht. Allerdings dürfen Sie trotzdem nicht verkaufte Bücher zurückgeben - und die liefert der Buchgroßhandel erst mit einiger Verspätung seinerseits an die Verlage zurück. Und ich wiederum kriege für die Rücknahme keine Bearbeitungsgebühr vergütet.
ich kann gut verstehen, wenn Ihre Nerven blank liegen, doch sprach Frau Erpenbeck wohl doch von den Sachgebiets-Abonnement, die KNV anbietet und die z.B. auch wir nutzen; hier ist eine Remission (abgesehen von den Versandkosten, die wir meist auch bei Verlagsremissionen übernehmen müssen) ohne Abzug einer Bearbeitungsgebühr möglich. Insofern sollten wir vielleicht alle dem Rat des Kollegen Heinrich folgen, Ruhe bewahren und von persönlichen Angriffen absehen. Wir sind doch EINE Branche, die in so einer wirklich kritischen Situation zusammenstehen sollte !
Ich persönlich würde mich auch über Anfragen bzw. Angebote von Verlagen freuen, die auch abseits des Barsortiments mit uns arbeiten möchten - vielleicht bietet auch auf Verlagsseite die aktuelle Situation die Möglichkeit, offener auf kleinere KollegInnen im Buchhandel zuzugehen und gemeinsam die Marktchancen auszuloten. Außer dem rührigen Herrn Gloßmann, der seine Verlage wirklich aktiv vertritt und den VertreterInnen, die wir selbst kontaktiert haben, hat sich in den vier Jahren nach unserer Gründung da nur wenig getan... Einer der Gründe, warum wir viel beim Barsortiment bezogen haben. Aber auch für die jetztige Situation mit KNV liegt: "Jedem Ende liegt ein neuer Anfang inne".
Jetzt krähen alle im Namen der „kleinen und unabhängigen“ aber blasen und Horn der allergrößten. Mein Vertrieb ist klein und unabhängig. Von KNV wurden wir als kleiner Zulieferer von einem paar Dutzend internationaler Verlage aus dem Kunstbuchbereich so herablassend und schlecht behandelt, dass wir voriges Jahr den Vertrag kündigten. Wenn wir unseren Verlagen Geld schulden oder gar - wie in dem Fall KNV verbrennen - gibt es keine Solidaritätsappelle von Buchhändlern, Staatssekretäre und Branchenfunktionäre. Eine Branche, die sich aus behäbiger Zentralisierung und dem Muff der Bonner Republik speist, hat es nicht anders verdient, wenn der große Wal und damit alle sorgsam umhegten Pfründe sterben. Wieviele Buchhandlungen haben es gewagt, sich unabhängige Software ins Haus zu holen, die auch andere als nur den einen ewigen Lieferanten zulässt? Modernisierung sieht anders aus. Moderne Marktdynamiken sehen anders aus (nicht gleichbedeutend mit gut). Und „too big to fail“ war schon immer eins, nämlich in allererster Linie ein faules Argument.
ich glaube nicht, dass eine zentrale Infrastruktur für die Warenlogistik und zentrale Infrastrukturen für den Datenaustausch ein Relikt der Vergangenheit sind. Die Buchbranche hat seit 200 Jahren ein modernes System und hat dieses kontinuierlich weiter modernisiert. Und die Hauptverantwortung dafür haben immer die Barsortimente und danach die Auslieferungen getragen. Die Strukturen wurden durch das Oligopol und die Aktivitäten der MVB immer in einer gewissen Redunandanz gehalten, die in meinen Augen ein guter Kompromiss zwischen Effizienz und Absicherung war.
Die Digitalisierung hat zweifellos das Spiel insgesamt verändert. Beim Barsortiment hat die Struktur der Kunden (Amazon, Zentrallager der Ketten und auf der anderen Seite immer kleinere Einzelkunden) bei den effizienten Kunden für enormen Konditionendruck, bei den kleinen, "Ineffizienten" zu Kostenproblemen geführt. Das hat die Rentabilität der Barsortimente vermindert, die gleichzeitig auch noch wegen Amazon die Titelbreite (noch mehr Ineffizienz) ausgeweitet haben.
Bei den Verlagsauslieferungen war der Wettbewerb noch immer groß genug, so dass man als Verlag bei jedem Auslieferungswechsel bessere Konditionen bekam. Was aber ebenfalls die Rentabilität der Auslieferungen vermindert hat.
Wir haben alle durch hartes Verhandeln der Produktionskosten (Druck, Repro, Bindung) und der Honorare sowie der Logistik-Konditionen die kontinuierlich steigenden Personalkosten (insbesondere Sozialversicherungen und Betriebsrenten) und die kontinuierlich steigenden Konditionenforderungen der Ketten und Amazons ertragen können und gleichzeitig noch die eigenen Investitionen in die Digitalisierung hinbekommen. Aber das System war eben zunehmend auf Kante genäht.
Wenn dann die Urheberrechtsreformen zu Ungunsten der Verlage, die VG Wort Thematik, die Bilmog und Basel 2 Thematik, die Finanzkrise mit den Folgen für die Bankenpolitik, die DSGV-Problematik gleichzeitig mit dem Leserrückgang durch das geänderte Medienverhalten und die Innenstadtproblematik und der Amazon-Reklamations-Wahnsinn zusammen kommen, dann fangen eben die Nähte zu Reißen an.
Die einzige Sache, die ich der Geschäftsführung von KNV vorwerfen könnte (wenn überhaupt) ist, dass man bei der Investition in den neuen Standort die Risiken der gesamten Branchensituation nicht richtig eingeschätzt hat.
Es war schon seit Jahren klar, dass in der Branche (mit wenigen Ausnahmen) niemand mehr angemessen verdient, außer dem Leser, der noch immer eine sensationelle Produktpalette mit einer tollen Distributution und Beratung zu absoluten Spottpreisen bekommt. Ich hatte angeregt, dass man über die Frage, wie eine rentable Struktur der Branche überhaupt aussehen kann und welche Leistungen wir überhaupt realistisch anbieten können einmal spartenübergreifend diskutiert. Solche Gespräche verbietet aber schon im Ansatz das Kartellamt. Bei diesem Verbot hat man dann den Faden zur Lösung des Gesamtproblems in der Hand, wenn man es überhaupt lösen will: Kooperation statt Wettbewerb, Konzeption der gesellschaftlich erwünschten Branchenleistung und Ermittlung der dafür notwendigen Strukturen. Und danach die Frage, was kann davon im Wettbewerb, was kann kooperativ und was muss notfalls als öffentliche Leistung angeboten werden.
Die Alternative ist (so fürchte ich) was Sie beschreiben: der Zusammenbruch der übergeordneten Strukturen und neues Leben aus Ruinen. In dieser Situation würde sich freier Raum für die Entfaltung der neueren dynamischen Geschäftsmodelle bieten, von Selfpublishing über Lesegruppen, Streamingmodellen mit Flatrates, Guerillabuchhandel und Stadteilbuchhandel etc. Das hat auch seinen Reiz. Aber ich meine, in einem solchen Nach-Katastrophenszenario haben wir eine sehr viel kleinere Branche, sehr viel weniger Bücher, viel weniger Autoren und viel weniger Leser, sehr viel weniger Arbeitsplätze und sehr viel weniger Steueraufkommen. Auch wenn das heißt: ein Leben ohne Barsortiment ist möglich! So heißt es auch: aber es ist schlechter.
Aber auch Daumen hoch für Mister Al-Hasani - keep upright!
Wo bleibt die konzertierte Aktion, die Meister Horn vorschlug?
Manche Dinge können einfach nicht wahr sein.
Da kommt ein mittelständisches Buchhandelsunternehmen
in die Schlagzeilen, weil ein Insolvenzantrag gestellt wurde.
KNV- ein Büchergigant, immer präsent, immer
aktiv und auch gegenüber dem Sortiment hilfsbereit und oft verständnisvoll, wenn es mal „klemmte“!
Diese gute kaufmännische Art müssen wir jetzt auch beweisen, denn fällt KNV, dann fällt noch viel mehr….
Was können wir tun ? Es sind die kleinen Gesten, z.B. viele Bestellungen über KNV realisieren, keine
Rücklieferungen zur Zeit losschicken, auf die eventuellen Jahresboni verzichten (geht das ?).
Was war eigentlich los?
Da wird tatsächlich mitten im Weihnachtsgeschäft 2014 der Standort Erfurt eröffnet
und es klappt nicht…., viele Buchhändler springen ab und suchen ihr Glück bei anderen Barsortimenten.
Wir hielten durch und trafen auf zumeist verständnisvolle Kunden. Klar, wenn was nicht klappt, müssen wir
den Kopf hinhalten, wenn der Server abstürzt, die Ware fehlgeleitet wird oder anderes Missgeschick unser
Barsortiment trifft. Wir sind dann alle im Dienst der Öffentlichkeitsarbeit von KNV und versuchen unseren
Kunden die Gründe zu erklären.
Auch heute tun wir das und wir hoffen, mit Erfolg.
Was muß noch geschehen? Natürlich muss sich die Politik einschalten, denn ein großes Stück Kultur ist in Gefahr. Eine lohnende oder besser verdienstvolle Aufgabe für Frau Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Lösungswege wären ein längerfristiger Kredit, eine Bürgschaft, Hilfe bei der Investorensuche
und natürlich eine Fehleranalyse für die Ursachen dieser Krise. Denn der Zusammenbruch
von KNV wäre ein gewaltiger Einschnitt in die Buchlandschaft unseres Landes und der Verlust tausender Arbeitsplätze
im Sortimentsbuchhandel und anderswo.
Das muss verhindert werden !
Sollte man als Verlag dann noch an knv liefern, wenn man keine garantierte Begkeichung der Rechnungen erwarten kann? Vorkasse sollte die Bedingung sein.
Wird der Börsenverein hier tätig werden um die Interessen der Verlage zu vertreten?