Als Nelly Kostadinova nach der politischen Wende im Osten 1989 ihre Heimat Bulgarien verließ und zum ersten Mal westdeutschen Boden betrat, schwor sie sich, hier ihren Weg zu machen. Außer ihrer Entschlossenheit und einem 50-Mark-Schein hatte sie nichts aufzubieten. Doch das hat gereicht. Heute führt Kostadinova die Übersetzungsfirma Lingua-World mit 19 Standorten auf zwei Kontinenten – Europa und Afrika – und mehr als 50 Mitarbeitern. Wie es dazu kam, beschreibt die Wahl-Kölnerin in ihrem gerade erschienenen Buch "Ein Koffer voller Wollen" (Springer, 208 S., 24,99 Euro).
Bevor Nelly Kostadinova nach Deutschland kam, war sie in Bulgarien eine erfolgreiche Journalistin (in den Maßstäben, die Erfolg im Ostblock Ende der 80er Jahre eben definierten). Entsprechend handelt ihr Buch auch "vom Mut, früh Risiken einzugehen, weil das größte Risiko darin besteht, kein Risiko einzugehen", wie ihr der "Handelsblatt"-Korrespondent für Kapstadt ins Vorwort schreibt (in Kapstadt hat Lingua-World seine jüngste Filiale eröffnet).
Neben dem Mut zum Risiko und der Bereitschaft, anderen Menschen "frühzeitig Vertrauen zu schenken und Verantwortung zu delegieren, um sich nicht ständig im Kleinen zu verzetteln", ist es vor allem Kostadinovas Anpassungsfähigkeit, die ihren Erfolg begründet. Wie ein roter Faden ziehen sich interkulturelle Drahtseilakte durch ihr Berufsleben. Sehr gründlich studiert sie die Eigenheiten jedes Landes, in dem sie sich engagiert – ob damals als Bulgarin in Deutschland oder heute als Europäerin in Afrika, eine Weltregion, die "nach ganz anderen Regeln tickt", wie sie berichtet. Das fängt bei Verträgen an und hört beim Dresscode noch lange nicht auf. "In fremden Kulturen wie Afrika arbeite ich grundsätzlich mit den Stärken meiner neuen Mitarbeiter, statt permanent über die Unzulänglichkeiten der Bewohner zu nörgeln", beschreibt sie ihr strategisches Vorgehen.
Auf die Rolle von Kleidung und anderen Äußerlichkeiten verwendet sie ein ganzes Kapitel ihres Buchs, denn entgegen weit verbreiteter Meinungen zählt in geschäftlichen Dingen nicht allein der Inhalt, sondern in einem erheblichen Maße auch die Verpackung. Besonders Frauen hätten es im Business-Kontext nicht immer leicht, angemessen gekleidet zu sein und gleichzeitig einen eigenen Geschmack widerzuspiegeln.
Nelly Kostadinova hat gelernt, dass man mit einem Outfit bei einer Geschäftsanbahnung "emotionale Brücken" bauen kann – oder umgekehrt alles kaputtmachen kann, es sei denn, man hat die Gunst der Stunde auf seiner Seite: Als sie bei einem Empfang auf einem holländischen Schloss nicht damit gerechnet hatte, einen Hut tragen zu müssen, war das fehlende Accessoire der perfekte Einstieg in Small Talk und neue Kooperationen.
Aus Momenten des Scheiterns und der Niederlagen schöpft Nelly Kostadinova besondere Kraft. Und so ist es nur logisch, dass sie ihnen im Buch viel Platz einräumt. Sie plädiert dafür, Niederlagen nicht nur zu akzeptieren, sondern zu "zelebrieren", weil aus ihnen stets etwas Neues erwachse. "Allein durch die Bereitschaft, Verantwortung für das eigene Schicksal zu übernehmen", schreibt sie, "legt man den Grundstein für ein selbstbestimmtes, sinnerfülltes Leben".
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