Warum werden die Gelder über den Verband verteilt?
Der Börsenverein ist die einzige spartenübergreifende Institution der Buchbranche. Er verfügt als solche über die kommunikativen Möglichkeiten und Kanäle, die Förderprogramme bei den potenziellen Zuwendungsempfängern bekannt zu machen und sie diesbezüglich umfassend zu beraten. Da lag es nahe, die gesamte Abwicklung der Förderprogramme vom Börsenverein wahrnehmen zu lassen.
Im Übrigen werden viele der unlängst aufgelegten Konjunkturprogramme von den jeweiligen Fach- und Wirtschaftsverbänden abgewickelt. Das ist ein übliches Vorgehen.
Wie wird diese Aufgabe organisatorisch gestemmt?
Fördergelder von diesem Volumen verteilen sich nicht so nebenbei, weswegen wir die Abwicklung niemals aus Bordmitteln bestreiten können. Ein fünfköpfiges Team, bestehend aus einem Projektmanager und vier Antragsprüfer*innen wird gerade etabliert. In dieser Woche konnten wir als Projektmanager bereits Stefan Salamonsberger an Bord holen, bislang Buchwissenschaftler an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Diese Personalkosten wie auch alle anfallenden Sach- und Verwaltungskosten, etwa für IT-Programme etc., werden aus den Fördermitteln bestritten und nicht etwa aus Mitgliedsbeiträgen des Börsenvereins.
Wer gefördert werden will, muss einen Eigenanteil leisten – Buchhandlungen 20 Prozent, Verlage 30 Prozent. Warum?
Das hat einerseits EU-beihilferechtliche Gründe, andererseits ist es gleichzeitig eine Anforderung des Bundeshaushaltsrechts an die sparsame und wirtschaftliche Verwendung von Bundesmitteln. Man darf nicht vergessen, dass wir hier Steuergelder verwenden.
Warum werden die Anträge nach dem »Windhundprinzip« bewilligt, also nach zeitlicher Reihenfolge der eingehenden Anträge – und nicht nach Qualität des Förderprojekts?
Es handelt sich bei »Neustart Kultur« ja um ein Konjunkturförderprogramm, das heißt, möglichst vielen Unternehmen soll die Investition in neue Produkte beziehungsweise neue Vertriebswege ermöglicht werden, damit sich – nach Beendigung der Programme – in summa kulturwirtschaftliche Hebeeffekte feststellen lassen: also etwa die Realisierung einer signifikanten Anzahl neuer Buchtitel, die Sichtbarmachung von Nachwuchsautor*innen, der Mehrverkauf von Büchern über digitale Vertriebswege von Buchhandlungen etc. Wäre zudem eine inhaltliche Prüfung Bestandteil der Antragsprüfung, beispielsweise der geplanten Buchtitel, hätte der Börsenverein diese nicht durchführen können und wollen.
Wie ist die erste Resonanz aus der Branche?
Sehr positiv. Unsere Telefone stehen nicht mehr still. Natürlich gibt es auch enttäuschte Rückmeldungen von denjenigen, die nach der Lektüre der Modalitäten feststellen, dass sie nicht zum Kreis der Antragsberechtigten gehören. Das ist ebenso verständlich wie unausweichlich bei derlei staatlichen Förderprogrammen, die eine lange Reihe von rechtlichen Voraussetzungen berücksichtigen müssen.
Haben auch Unternehmen zeitlich noch eine Chance, die noch kein Projekt vor Augen haben und erst jetzt, ermutigt durch die Fördergelder, mit der Planung beginnen?
Ja, natürlich. Wenn sie beherzt planen, haben es diese Unternehmen in gewisser Weise sogar einfacher, denn die geplante Maßnahme ist nur dann förderfähig, wenn sie noch nicht begonnen wurde. Das ist eine mitunter nicht ganz leicht verständliche und nachweisbare Vorschrift.
Gibt es Leuchtturmprojekte, von denen sich der Buchhandel inspirieren lassen könnte?
Es gab in den vergangenen Monaten infolge des Lockdowns Rückmeldungen, die genau zum Förderprogramm passen: In vielen Buchhandlungen hat die Zugriffsrate auf die Website so erfreulich zugenommen, dass sie dringend in einen Neuauftritt mit durchweg responsivem Design oder in eine Individualisierung der Seite investieren wollen. Andere Buchhandlungen, die dazu übergegangen sind, Buchvorstellungen als Podcast zu produzieren oder ins Netz zu stellen, wollen sich neue IT hierfür anschaffen etc. Der Möglichkeiten gibt es viele, und ich ermuntere alle antragsberechtigten Buchhandlungen, von dieser einmaligen Fördermöglichkeit regen Gebrauch zu machen.