Interview mit Hartmut Falter und Michael Busch

"Ich bin schon seit mehr als 20 Jahren an der Mayerschen interessiert"

11. Januar 2019
Redaktion Börsenblatt
Man kennt sich lange, man ist sich sympathisch, man teilt gemeinsame Werte, man möchte zusammen weiter wachsen: Im ersten gemeinsamen Interview mit boersenblatt.net sprechen Hartmut Falter und Michael Busch über ihre Pläne und darüber, was als nächstes ansteht. 

Nehmen Sie uns mal bitte mit hinter die Kulissen Ihrer Fusion. Wie kam es zu dem Deal?
Hartmut Falter:
Ich bin seit 26 Jahren im Geschäft – und Michael Busch ist fast genauso lange dabei. Wir hatten immer wieder miteinander zu tun und über einen so langen Zeitraum hinweg lernt man sich zu lesen und einzuschätzen. Uns verbindet trotz des Wettbewerbs Vertrauen und Berechenbarkeit, das hat sich über die Jahre aufgebaut. Im Mai 2018 sind wir uns mal wieder begegnet und haben, eigentlich eher als Gedankenspiel, darüber gesprochen, was eigentlich wäre, wenn wir fusionieren würden. Je mehr wir uns mit dieser Frage beschäftigt haben, desto faszinierender fanden wir das für beide Seiten. Wir haben gesehen, welche Chancen darin liegen und je intensiver wir diskutiert haben, desto klarer wurde uns, dass das für beide Unternehmen ein sehr guter Weg ist.
Michael Busch: Ich bin schon seit mehr als 20 Jahren an der Mayerschen interessiert, das Unternehmen war immer mein Wunschpartner. Aber offensichtlich habe ich es über all die Jahre falsch angepackt (lacht). Aber jetzt hat es endlich geklappt.
Falter: Wir hätten die Fusion wirtschaftlich nicht gebraucht, weil wir für uns allein stark genug sind. Aber wir haben erkannt, dass es für unser Unternehmen besser ist, wenn wir uns mit Thalia zusammentun, weil sich eben Chancen bieten, die wir allein nicht haben. Die Rahmenbedingungen haben sich verändert. Daher sind zukunftsweisende Allianzen und Konzepte notwendig. Über diese Frage sollten auch andere Buchhändler zumindest einmal nachdenken.

Werden Sie Filialen schließen?
Busch:
Es wird keine Filialschließungen aufgrund des Zusammenschlusses geben, das Netz unserer Buchhandlungen ergänzt sich optimal. Im Gegenteil: Wir wollen sogar weiter wachsen. Es geht uns um den Erhalt des stationären Buchhandels, das Lesen soll im Alltag der Menschen präsent bleiben.

Herr Falter, wie haben Sie Ihrem Vater und Ihrem Bruder vermittelt, dass sie mit Thalia zusammengehen wollen?
Falter:
Ich habe sie einfach gestern Morgen damit überrascht (lacht). Nein, im Ernst: In solchen Fragen ist natürlich mein Vater der wichtigste Sparringspartner. Er war frühzeitig involviert und ich habe ihn gefragt, ob er sich das grundsätzlich vorstellen kann. Er hat das Zusammengehen zu einhundert Prozent befürwortet und steht dahinter. Ohne den Rückhalt der Familie zu haben, kann solch eine Entscheidung nicht getroffen werden. Wir wissen alle, dass die Zeiten vorbei sind, wo jeder glaubt, ein bisschen besser zu sein als die Konkurrenz. Unser aller Hauptfrage ist doch: Wie bekomme ich die Kunden in die Buchhandlungen und wie grenze ich mich von der Dominanz von Amazon ab?

Welche Resonanz haben Sie aus der Branche bekommen?
Falter:
Die Branche hat überrascht reagiert. Das verstehe ich als Kompliment, weil es uns gelungen ist, die Sache bis zur Verkündung geheim zu halten. Die Kollegen haben uns zu der Entscheidung gratuliert - den beiden Unternehmen und uns persönlich.

Herr Busch, was bedeutet die Fusion für Thalia?
Busch:
Lassen Sie mich den Schulterschluss im Gesamtzusammenhang sehen. Zu Beginn der letzten Dekade sind wir durch genau solche Kooperationen gewachsen, nehmen Sie etwa Thalia in Österreich oder Jäggi und Stauffacher in der Schweiz. Zwischen 2013 und 2015 waren wir dann in einer schwierigen Phase und mussten einige Buchhandlungen schließen. Jetzt, zu unserem hundertjährigen Jubiläum in diesem Jahr, stößt die Mayersche zu uns. Kann es einen schöneren Einstieg in das Jubiläumsjahr geben? Mir bedeutet das sehr viel. Mit Best of Books ergänzt zudem ein wichtiger Player auf den Nebenmärkten das Unternehmen. Das ist für uns ein Quantensprung, weil die Mayersche uns bei dem Thema um Jahre voraus ist.

Werden Spielwaren künftig auch in den Thalia-Buchhandlungen eine größere Rolle spielen?
Busch:
Sicherlich. Wir haben den Anspruch, in Sachen Spielwaren ein Fachhändler zu sein. Im Weihnachtsgeschäft haben wir erneut gesehen, wie gefragt dieses Segment beim Verbraucher ist. Durch den Vorsprung, den die Mayersche im Spielwarenbereich hat, werden wir hier im gesamten Unternehmen recht schnell nicht nur Umsatz-, sondern auch Kompetenzeffekte sehen.

Warum war Best of Books einer der Hauptgründe für die Fusion?
Busch:
Nicht einer der Hauptgründe, aber ein relevanter Punkt. Wir haben uns auf den Nebenmärkten auch ausprobiert, aber der Markt ist schon gut besetzt, ein Dritter neben Buchpartner und Best of Books hätte aus unserer Sicht keinen Platz gehabt. Wir sehen in diesem strategischen Geschäftsfeld jedoch eine gute Wachstumsmöglichkeit und die Chance, eine stärkere Präsenz für Bücher auf der Fläche zu erreichen.

Die Mayersche und die Osiandersche Buchhandlung sind über eine enge Kooperation, etwa im Einkauf, bei den IT-Systemen und im Marketing verbunden, und Sie, Herr Falter, sitzen im Aufsichtsrat von Osiander. Wie geht es nun weiter mit der Beziehung zu Osiander?
Falter:
Am wichtigsten ist, dass die Freundschaft zwischen den handelnden Personen bestehen bleibt. Das hat sich gestern im Gespräch mit Familie Riethmüller nochmals bestätigt. Unsere Kooperationstätigkeit ist von der Fusion nicht berührt, wir führen im Sommer beide SAP ein und arbeiten im Marketingbereich weiter zusammen.
Busch: Das ist ein Aspekt, der mir sehr wichtig ist. Wenn wir mit anderen Unternehmerfamilien zusammengehen, dann halten wir uns auch an Verträge und Absprachen, die vor unserem Zusammengehen von einem der beiden Unternehmen mit beziehungsweise gegenüber den Partnern vereinbart oder getroffen wurden. Zudem sind wir bei Thalia immer offen für weitere Partnerschaften. Das haben wir bei der Tolino-Allianz unter Beweis gestellt, das zeigen wir durch die Öffnung der E-Book-Plattform Skoobe. Wir laden die Branche ein, bei unserer Kampagne "Welt, bleib wach", mitzumachen. Wir bilden mit unserer Gesellschafterkonstellation eine sich formierende Kraft im deutschen Buchhandel, die sich aus immer mehr selbstständigen Unternehmern speist. Und wir nehmen gern weitere Unternehmen auf.

Wie reagieren die Verlage, wenn die Marktmacht von Thalia und der Mayerschen zusammenkommen?
Busch:
Uns war, ist und bleibt auch in Zukunft die gute Zusammenarbeit mit Verlagen sehr wichtig. Wir sehen, dass vor allem Verlage, die auch international tätig sind, eine ganz andere Perspektive haben als einige, der ausschließlich in Deutschland agierenden. Diese internationalen Verlage bewerten das Marktgleichgewicht und unsere neue Konstellation im deutschen Markt als positiven Aspekt, der in vielen anderen Ländern fehlt. Außerdem geht die Frage für mich am eigentlichen Thema vorbei. Ich persönlich habe mir einmal ein Ziel gesetzt. Im Land der Dichter und Denker werden wir uns als deutsche Unternehmen, die sich den hiesigen Werten verpflichtet fühlen, von keinem global agierenden Online-Händler die Butter vom Brot nehmen lassen. Das mag in anderen Ländern gelungen sein – hier nicht! Unsere Kunden wollen eine Alternative und die bekommen sie – und zwar eine richtig gute, mit von Menschen geprägten Buchhandlungen vor Ort.

Die Mayersche hat ihren zentralen Wareneingang in Erfurt, gemanagt von KNV, und das selbstbetriebene Zentrallager in Aachen. Steht ein Umzug zum Thalia-Lager nach Hörselgau an?
Falter:
Wir haben in beiden Fällen laufende Verträge und im Augenblick stellt sich nicht die Frage, ob man perspektivisch die Dinge optimiert und zusammenfasst.

Vor Ihnen liegt jetzt die Aufgabe, zwei Unternehmenskulturen zu einer werden zu lassen. Wie gehen Sie das an?
Falter:
Thalia und die Mayersche teilen viele gemeinsame Werte. Wir sind zwei Unternehmen, deren Mitarbeiter ambitioniert und zielstrebig arbeiten. Von dieser Kultur sind wir geprägt. Meine Mitarbeiter waren von unserem Zusammenschluss natürlich sehr überrascht, empfinden es aber als die richtige Entscheidung. Jeder einzelne erfasst und verarbeitet die neue Situation für sich in seinem Tempo. Und diese Zeit lassen wir den Kolleginnen und Kollegen. Positiv überrascht hat mich der Drang bei Vielen direkt loslegen zu wollen, was mich in die ungewohnte Situation bringt, bis zur Freigabe durch die Fusionskontrollbehörden den Bremser spielen zu müssen.

Und Sie, Herr Busch? Mit Herrn Falter haben Sie jetzt einen zweiten geschäftsführenden Gesellschafter an der Seite. Wie finden Sie das?
Busch:
Ich habe mir schon lange gewünscht, mit Hartmut Falter enger zusammenzuarbeiten. Und wenn ich gekonnt hätte, hätte ich ihn schon vor vielen Jahren abgeworben (lacht). Tatsächlich sind wir in der Thalia Geschäftsleitung mehr als froh, die vielen Herausforderungen auf ein Paar starke Schultern mehr zu verteilen. Und wenn die Person, so wie Hartmut, dann auch noch in der höchsten Liga spielt, ist das etwas ganz Besonderes.
Falter: Wir gehen mit großen Zielen und hohen Erwartungen in die Zusammenarbeit hinein. Ich freue mich sehr auf den gemeinsamen Weg.  Die Realität wird zeigen, ob wir es zusammen schaffen. Dass es so sein wird, dafür sind die besten Voraussetzungen gegeben.

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