Zwei Jahre lang haben Sie einen Nachfolger für Ihren Verlag gesucht, ohne Erfolg. Dennoch soll das Herbstprogramm Ihr letztes sein. Ist das das Ende von Klöpfer & Meyer?
Im Moment lässt sich das schwer sagen. Dass wir kein Frühjahrsprogramm machen, ist sicher ein bedeutsames Signal, aber ich hoffe natürlich, es ist kein endgültiges – die Suche ist für mich ja nicht beendet. Im besten Fall geht es im Herbst 2019 mit einer neuen Verlegerin oder einem neuen Verleger, mit mir oder ohne mich, weiter. Darüber würde ich mich besonders für die Autoren sehr freuen.
Warum war dieser harte Schnitt notwendig?
Es gibt eine Zeit anzufangen, und es gibt eine Zeit aufzuhören. Und es ist in meinem Alter – ich werde bald 67 – nicht sinnvoll, die Nachfolgersuche zu einer unendlichen Geschichte zu machen. Vor zwei Jahren habe ich mir vorgenommen, bis spätestens Ende 2018 die Übergabe des Verlags geregelt zu haben und mich dann allmählich zurückziehen. Leider ist die Rechnung bis jetzt so nicht aufgegangen. Die Entscheidung, mich dennoch wie geplant vom Verlag zu verabschieden, habe ich in Absprache mit meiner Familie, mit den Gesellschaftern, dem Steuerberater und unserem Verlagsberater getroffen. Denn einfach klar ist: Es geht über meine Kraft und über mein Vermögen, auf alleinige Verantwortung ein Frühjahrsprogramm für 2019 vorzulegen – auch bei Verlagen unserer Größe ist man da schnell bei Investitionssummen von gut und gern 200.000 Euro angelangt.
Haben Sie mit Ihren Mitarbeitern über Ihren Ausstieg gesprochen?
Gleich als erstes, und ich bin froh, dass sie meine Entscheidung mittragen und bis auf Weiteres an Bord bleiben. Insgesamt sind wir zu sechst, zu siebt, aber nur ein kleiner Teil ist fest angestellt. Niemand, da habe ich mich versichert, ist durch meinen Ausstieg existenziell gefährdet.
Wie erklären Sie sich, dass es mit keinem der Interessenten zu einem Abschluss kam?
Gefühltermaßen haben wir unzählig viele Verhandlungen geführt, insgesamt waren es bisher 18. Und wir haben dabei nahezu alles erlebt: Wir waren mit größeren Verlagen im Gespräch – denen waren wir zu klein. Dann gab es kleinere Verlage, denen waren wir zu groß. Dann wiederum gab es Kandidaten, denen war die Schere zwischen Chance und Risiko das Problem. Hinzu kommt, dass der literarische Anspruch, den wir bei Klöpfer & Meyer verfolgen, relativ hoch ist und dass man durchaus tiefgründigere Kenntnisse über die literarischen Verhältnisse im Südwesten braucht, um den Verlag zu übernehmen – da gab es einige, die sich damit erklärtermaßen überfordert sahen. Und noch ein letzter Punkt, der in den Gesprächen leider öfters durchschien: In den letzten Jahren habe ich beinahe für zwei gearbeitet – auch samstags, sonntags, abends. Zu einem solchen Einsatz ist offensichtlich nicht jede und nicht jeder mehr bereit.
Spielte der Preis eine Rolle?
Zwar wollten und wollen wir nicht "Schnäppchen" sein, aber am womöglich zu hohen Preis kann es schwerlich gelegen haben, da waren und sind wir beweglich. Ums Geldmachen, ums Bücherversilbern ging‘s und geht‘s uns nicht. Wichtig war und ist uns insbesondere die gute buchästhetisch-programmatische Fortführung, die ideenreiche Weiterführung des Verlages – und dass die Autorenschaft möglichst zusammenbleibt, eine gleichsam Neue Heimat findet – und ja: sich perspektivisch erweitert und verjüngt.
Wurden Sie gefragt, wie Sie die Lage auf dem Markt einschätzen, welche Zukunft Sie dem Buch zutrauen?
Nicht direkt, aber die Themen schwingen selbstverständlich immer mit. Alle wissen, wie es derzeit aussieht, wie es in Buchhandlungen zugeht, wie uns die Leserschaften wegbrechen, welche Probleme es auf dem Bildungssektor und in den Schulen gibt – und dass überhaupt Belesenheit immer weniger zählt.
Ihren Autoren haben Sie Mitte August geschrieben, Sie wollten sich dem ganzen existenziellen und dauernden wirtschaftlichen Druck, der ständigen Sorge um den Verlag nicht länger aussetzen.
Ja, und ich habe bis jetzt nur Respekt und Anerkennung dafür bekommen, das so aufrecht und sachlich zu kommunizieren. Inzwischen, eine gute Woche danach, habe ich um die 80, 90 nur wohlwollende, nur zugewandte Briefe aus der Autorenschaft bekommen. Dass mich die Autorinnen und Autoren, bei aller Traurigkeit, verstehen, sie sich bedanken, mich unterstützen – das berührt mich wirklich sehr.
Stützen Sie auch Ihre Kritik an der Kulturpolitik?
Sie kennen die Lage, ja.
Anfang des Jahres gehörten Sie zu den Unterzeichnern der Düsseldorfer Erklärung, die Ideen dafür lieferte, wie unabhängige Verlage gefördert werden können. Eine dieser Ideen greift Kulturstaatsministerin Monika Grütters jetzt auf – nach dem Vorbild des Deutschen Buchhandlungspreises will sie einen Preis für Verlage entwickeln. Freut Sie das?
Sicher! Denn ein solcher Preis, der für uns wohl zu spät kommt, ermöglicht, dass die Botschaft der Independents gehört wird: Wir unabhängigen literarischen Verlage verdienen Anerkennung, wir sind förderungswürdig – und wir brauchen diese Förderung auch, genauso wie die Filmkunst. Vorbilder für solch eine strukturelle Förderung gibt‘s jedenfalls genug: In Österreich und der Schweiz ist es längst üblich, Literaturprogramme aus öffentlichen Geldern „großzügigst“ zu unterstützen. Nur aber, Achtung: Zu etwelchen Abhängigkeiten darf es dadurch nicht kommen. Das wäre widersinnig.
Wie geht es Klöpfer & Meyer, wirtschaftlich?
Seit Jahren sind unsere Umsätze, trotz der gravierenden Branchenveränderungen, konstant. Wir haben keine Verbindlichkeiten bei der Bank, aber mancher Lieferant zeigte und zeigt sich geduldig und großzügig mit uns, wofür ich dankbar bin. Dank ein paar Anpassungen und mit besonderen Anstrengungen konnten wir unseren Umsatz bislang einigermaßen gut und stabil halten – wir haben pro Jahr zwei bis drei Bücher mehr gemacht. Geholfen hat dabei auch, dass sich einige Titel richtig stark entwickelten, so dass es am Ende stets noch einen Ausgleich gab. Bislang. Denn ich will nichts beschönigen: Die Luft wird mit jedem Jahr dünner, die Startauflagen sinken, Bücher sind immer schwerer kalkulierbar. Jetzt freilich setzen wir auf einen richtig guten Herbst.
Mit dem Herbstprogramm schließen Sie damit nun ab - wie immer erscheinen zwölf Büchern und Ihr Gedichtekalender. Werden Sie auf der Buchmesse im Oktober noch ein letztes Mal dabei sein, Kollegen treffen, Abschied nehmen?
Nein, nach Frankfurt kommen wir nicht. Da wir kein Frühjahrsprogramm machen, danach sieht es im Moment ja aus, muss das nicht sein, und das Verzichten spart auch Kosten. Und im Grunde ist es doch so: Auf der Messe zu stehen und immer wieder aufs neue zu erklären, warum ich diesen entschiedenen Schritt jetzt gehe, das scheint mir weder nötig noch sinnvoll. Mit wohl allen, die es angehen könnte, haben wir längst gesprochen. Ich habe mir vorgenommen, stattdessen ein paar Tage Ferien zu machen, und ich vermute, sie werden mir guttun. Und ich bin ziemlich gespannt auf Fredrik Sjöbergs gerühmtes Buch "Vom Aufhören"...
Klöpfer & Meyer ist ein literarischer Verlag, zweifach ausgezeichnet, und setzt seinen Autoren- und Programmschwerpunkt im Südwesten – dort v.a. kommen auch die Gesellschafter her: Menschen, die wie der Verleger Hubert Klöpfer aus entschieden literarischem Interesse in den Verlag investierten. Seit der Gründung vor rund 27 Jahren in Tübingen sind 450 bis 500 Bücher entstanden, von denen etwa Zweidrittel bis heute lieferbar sind.
Zu den vielfach ausgezeichneten Autoren gehören, zum Beispiel: Simone Regina Adams, Hermann Bausinger, Maria Beig, Klaas Huizing, Felix Huby, Inge Jens, Nina Jäckle, Vincent Klink, Sibylle Knauss, Thomas Knubben, Kajo Kuschel, Jürgen Lodemann, Kurt Oesterle, Walle Sayer, Tina Stroheker, Gert Ueding und Joachim Zelter, der es vor Jahren mit seinem Roman „Der Ministerpräsident“ auf die Longlist des Deutschen Buchpreises schaffte. Klöpfer & Meyers nach eigener Aussage größter Erfolg in neun Auflagen: Manfred Zachs Politroman "Monrepos oder Die Kälte der Macht", der dann später bei Rowohlt in mehreren Taschenbuchauflagen erschien (Erstveröffentlichung bei Klöpfer & Meyer 1996).