"Legal Tech" ist seit einigen Jahren ein Schlagwort, das nicht nur Anwälte beschäftigt, sondern zunehmend auch Verlage und Buchhändler. Dabei ist es zunächst wichtig, sich von irrigen Annahmen zu verabschieden: Legal Technology bedeutet nicht, dass anwaltliche Tätigkeit künftig von irgendeiner Software übernommen wird. Ein auf der Grundlage von künstlicher Intelligenz vorbereitetes Plädoyer wird bis auf Weiteres Science-Fiction bleiben. Vielmehr wird es darum gehen, Prozesse in der täglichen Arbeit des Anwalts auf digitale Plattformen auszulagern oder digitale Services für die Arbeit zu nutzen. Geeignet sind vor allem formalisierte, routinemäßige Vorgänge wie Fluggastbeschwerden oder die Prüfung von Bescheiden.
Für Verlage sind die Entwicklungen auf dem Feld von Legal Tech von Bedeutung, weil sie zum einen ihr inhaltliches Angebot darauf abstimmen müssen und zum anderen ihr digitales Produktportfolio ausbauen können. So hat sich etwa C. H. Beck an dem Bremer Start-up edicted.de beteiligt – in welchem Umfang, wollte der juristische Verlag nicht verraten.
Ende Juni gaben der Verlag Dr. Otto Schmidt und das Berliner Start-up Lawlift den Start einer Kooperation bekannt. Lawlift hat eine Software entwickelt, mit der sogenannte intelligente Vorlagen für juristische Dokumente erstellt werden können. »Intelligent« heißen sie deshalb, weil sie jeweils an individuelle Umstände angepasst werden können und damit mehr Fallvarianten abdecken. Dr. Otto Schmidt will für die Kooperation mit Lawlift vor allem sein Portfolio an Formularbüchern beisteuern. An Legal-Tech-Lösungen arbeiten auch andere Verlage, etwa Wolters Kluwer Deutschland oder Haufe-Lexware.
Für RWS-Fachbuchhändler gewinnt das Thema Legal Tech ebenfalls an Bedeutung – zumal sie seit Jahren nicht nur Content-Lieferanten, sondern auch Serviceprovider sind. Die Schweitzer Fachinformationen haben "Legal Tech in der juristischen Praxis" daher zum Thema ihres ersten Zukunftsforums gemacht, das Ende April in Hamburg stattfand.
Organisatorin Barbara Mahlke, Programmleiterin Recht + Beratung bei Schweitzer, lag vor allem daran, die mittelständischen Kunden über den Stand der Entwicklung zu informieren. Die großen "Law firms" hingegen hätten meist ihre eigenen Technologieabteilungen, die an entsprechenden Lösungen arbeiten. "Unsere Kunden wollen wissen, was bei Legal Tech passiert", so Mahlke. »Und wir wollen ihnen die Sorge nehmen, dass Legal Tech ihre Arbeit überflüssig machen könnte.« Die entscheidende Frage sei, wie man Möglichkeiten der Automation nutzen könne, um die Arbeit in der eigenen Kanzlei zu entlasten. Anwendungsfälle sind zum Beispiel die Erstellung von Schriftsätzen, die Kommunikation mit Mandanten oder die Zusammenstellung fallrelevanter Unterlagen.
Schweitzer Fachinformationen bietet in seinem Mediacenter selbst Legal-Tech-Anwendungen. Zudem, so Mahlke, plane man derzeit einen eigenen Legal-Tech-Blog. Beim Schweitzer Zukunftsforum stellten Vertreter von Legal-Tech-Start-ups ihre Lösungen vor – darunter LeReTo aus Wien und edicted / rightmart aus Bremen. Es gibt noch eine Reihe weiterer Start-ups wie Lexalgo, die sich unter anderem um die vereinfachte Abwicklung von Fluggastbeschwerden kümmern – ein Problem, das auch die Rechtsprechung seit Jahren intensiv beschäftigt.
edicted
Das Unternehmen
Schon während des Studiums – seit 2013 – haben die beiden Gründer Philipp Harsleben und Marco Klock die Plattform edicted betrieben. Damals ging es darum, aufwendige Rechercheaufträge von Kanzleien an Studenten zu vermitteln. Inzwischen ist edicted eine Beteiligung des juristischen Verlags C. H. Beck.
Das Angebot
Heute vermittelt die B2B-Plattform Aufträge von Kanzleien an Jurastudenten, Praktiker oder ausgewiesene Experten – von der Recherche bis zur Terminvertretung. Klock ist auch Mitinitiator der Verbraucherplattform rightmart, die auf die automatisierte Prüfung von Bescheiden spezialisiert ist – unter anderem über die Website https://hartz4widerspruch.de.
Die Funktionsweise
Kunden registrieren sich auf der Website von edicted und buchen über die Anfrage verschiedene Leistungen. Umgekehrt können Auftragnehmer ein Profil erstellen und ihre Konditionen hinterlegen. Bezahlt werden Sie nach Auftragserteilung per Sofortüberweisung oder Kreditkarte.
Holiday-Hero
Das Unternehmen
Die Website www.holiday-hero.de wurde von den promovierten Juristen Jan und Niclas Stemplewski ins Leben gerufen. Das Angebot von Holiday-Hero befindet sich seit Juli dieses Jahres in der Testphase. Die Gründer sind zugleich Mitglieder der Interessenplattform LegalTechTeam.
Das Angebot
Holiday-Hero hilft Reisenden, Ersatzansprüche gegenüber Reiseveranstaltern durchzusetzen. Dafür kommt eine Software zum Einsatz, die Reiserechtsfälle mittels eines Algorithmus prüft und eine Empfehlung für das weitere Vorgehen abgibt. Zusätzlich werden die Fälle für eine gegebenenfalls sich anschließende anwaltliche Bearbeitung aufbereitet.
Die Funktionsweise
Die Software nutzt als wesentlichen Baustein die Möglichkeiten des Natural Language Processing, um die Eingaben der Nutzer mit einer eigens entwickelten Reiserechtsdatenbank abzugleichen. Holiday-Hero stellt den Urlaubern seine Dienstleistung kostenlos zur Verfügung. Anwälte wiederum zahlen für den Einsatz der Software eine Lizenzgebühr.
Lawlift
Das Unternehmen
Das Start-up wurde von den Rechtsanwälten Steffen Bunnenberg und Konstantin Bertram in ihrer Kanzlei in der Berliner Fasanenstraße aus der Taufe gehoben. Lawlift hat 2017 den STP Legal Innovation Award in der Kategorie Prozessinnovation sowie den Start-up Pitch im Rahmen der Bucerius Herbsttagung gewonnen.
Das Angebot
Lawlift hat eine Software zur Automatisierung juristischer Dokumente entwickelt. Grundelement der digitalen Lösung sind intelligente Vorlagen, mit deren Hilfe sich zum Beispiel Vertragstexte individuell kompilieren und modifizieren lassen.
Die Funktionsweise
Der Nutzer findet ein Bearbeitungsfenster vor, in das er auf der rechten Seite das Dokument, zum Beispiel einen Werkvertrag, hineinzieht. Auf der linken Seite befindet sich eine Bearbeitungsleiste, die per Klick die Auswahl bestimmter Vertragsoptionen (etwa "Vertragsstrafe") bietet.
LeReTo
Das Unternehmen
Das von der juristisch vorgebildeten Soziologin Veronika Haberler gemeinsam mit dem Rechtsanwalt Peter Melicharek gegründete Unternehmen LeReTo (Legal Research Tool) aus Wien hat eine Lösung entwickelt, die juristische Dokumente automatisch durchsucht und direkt mit Quellen verlinkt.
Das Angebot
LeRoTo durchsucht Word-Dateien und Text-PDFs nach Gesetzen, Rechtsprechung und ausgewählter Fachliteratur. Für österreichische Nutzer ist das Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) integriert. Deutsche Quellen werden ebenfalls von LeReTo erkannt und verlinkt: Gesetze, BGH, Bundesverwaltungsgericht, Bundespatentgericht und Bundesfinanzhof.
Die Funktionsweise
LeReTo ist ein reines Onlinetool: Der Nutzer zieht ein PDF in den Browser, das verschlüsselt übertragen und maximal zwei Stunden für die Analyse hinterlegt wird.
Lexalgo
Das Unternehmen
Das Legal-Tech-Start-up wurde 2013 von Florian Weiland und Michael Grupp in Mainz gegründet. Gemeinsam mit der European Space Agency (ESA) in Darmstadt wurde eine Software zur Entscheidungsunterstützung entwickelt. Inzwischen wurde Lexalgo von Bryter, einer KI-Plattform mit Hauptsitz in Berlin, übernommen.
Das Angebot
Lexalgo arbeitet mit einer Software, die juristische Regelwerke erstellen kann – sogenannte Rule Engines. Für konkrete Anwendungsfälle – beispielsweise die Schadensabwicklung in einer Versicherung oder die Bearbeitung von Kundenreklamationen – werden Module erstellt, die Entscheidungsprozesse wesentlich vereinfachen und deutlich verkürzen.
Die Funktionsweise
Die Software kommt bei Daten zum Einsatz, die nicht strukturiert vorliegen. Diese können automatisch oder teilautomatisch strukturiert und mit komplexen Regelwerken kombiniert werden. Bryter vertreibt die Lizenz für die Lexalgo-Software. Damit können Mitarbeiter von Rechtsabteilungen und Kanzleien eigenständig Automatisierungs-Anwendungen entwickeln und veröffentlichen.