Was Unternehmen von den Inkas lernen können

Der Keim des Scheiterns

24. Mai 2018
Redaktion Börsenblatt
Die Geschichte kennt unzählige Beispiele für den Niedergang ehemals erfolgreicher Unternehmen. In ihrem Buch "Die Illusion der Unbesiegbarkeit" ergründen Andreas Krebs und Paul Williams die Ursachen – und finden Fehler, die schon die Inkas machten.

Warum scheitern Firmen, selbst wenn sie nach den Grundsätzen der Betriebswirtschaftslehre alles richtig gemacht haben? Dieser Frage gehen die Unternehmer und Coaches Andreas Krebs und Paul Williams nach. Belege für "Die Illusion der Unbesiegbarkeit" (Gabal, 240 S., 29,90 Euro) finden sie bereits bei den Inkas. Die südamerikanische Dynas­tie steht bis heute beispielhaft für Aufstieg und Niedergang eines Imperiums, das alle Mechanismen der modernen Wirtschaft in sich trägt.

Die Inkas verfügten – trotz fehlender Kommunikationstechniken wie der Schrift – über Führungs- und Expansionswissen, das dem anderer Völker überlegen war. Heute würde man von Internationalisierung und Marktanteilen sprechen. Sie schafften es, eine über viele Jahrzehnte akzeptierte Führungselite zu etablieren und die Einzelinteressen der Mächtigen mit denen anderer "Stakeholder" auszugleichen. Gleichzeitig hielten sie die zerstörerischen Energien, die von innen wirkten, in Schach. Und doch destabilisierten irgendwann scheinbar kleine Veränderungen das immer komplexer werdende Großreich und leiteten schließlich dessen Untergang ein.

"Der Moment der größten Stärke und des größten Erfolgs ist zugleich der Moment der größten Verletzbarkeit", schreiben die Autoren. Am Beispiel der Inkas erkenne man zeitlose Gesetzlichkeiten von Systemen: "Jeder lang andauernde Erfolg birgt in sich schon den Keim des Scheiterns, weil die verantwortlichen Akteure zunehmend blind werden für neue, ungekannte Bedrohungen und disruptiv wirkende Technologien."

Die Inkas wurden von den Herrschafts- und Kriegstechniken der Spanier dahingerafft. Den Firmen von heute machen Digitalisierung und Roboterisierung zu schaffen, sofern es ihnen nicht gelingt, diese in Chancen zu transformieren. Auch ein gesellschaftlicher Wertewandel oder fehlende Verlässlichkeit in der Politik können dazu beitragen, dass ehemalige Börsencham­pions von der Bildfläche verschwinden. Aus der Top Ten der amerikanischen Fortune-500-Liste der erfolgreichsten Unternehmen der Welt waren im Jahr 2015 nur noch drei Namen vertreten, die bereits 1990 dazugehörten.

Warum und unter welchen Bedingungen gewinnen Systeme, werden zunächst überlebensstark? Was löst Wendepunkte aus, was verursacht Niedergang? Diese Fragen erörtern Krebs und Williams an vielen Beispielen aus der Wirtschaftsgeschichte. Etwa an Nokia: Vor gerade mal zehn Jahren beherrschten die Finnen noch souverän eine der wichtigsten Zukunftsbranchen. Wie bei den Inkas besiegelten schließlich interne Konflikte (im Falle von Nokia um die zukünftige Bedeutung von Smartphones) den Sturz in die Bedeutungslosigkeit.

Doch auch ein zu schnelles Wachstum oder extremer Ehrgeiz der Führungsebene können Gift für langfristigen Erfolg sein. Vielleicht würden VW oder die Deutsche Bank heute besser dastehen ohne ihre früheren Weltmarktführerfantasien? Vielleicht hätten die Inkas mit einer rechtzeitigen internen Konsolidierung den Spaniern mehr entgegensetzen können? Zu diesen Fragen können Krebs und Williams natürlich nur Indizien liefern, aber sie lassen den Schluss zu: Nummer-1-Ziele sind oft fragwürdig.

Mit ihrem Buch wollen sie helfen, "Routinen zu überprüfen, Bewährtes nicht als Dauerlösung hinzunehmen und die Wahrnehmung für die innerhalb und außerhalb des Systems wirkenden Kraftfelder zu schärfen". Gelingen und Scheitern sind zwei Grundkonstanten menschlichen Wirkens – und oft genug gibt es Warnsignale. Man muss sie nur frühzeitig als solche erkennen und gegensteuern.