Buchtipp

Sich aneinander reiben – Reifeprozesse während der Demo

12. Juni 2007
von Börsenblatt
Aktueller geht's nicht: Unter den Demonstranten zum G8-Gipfel in Heiligendamm kämpft sich Jasper zu Edda durch – und wie sie sich da wiederfinden, ist eine Liebesgeschichte der besonderen Art.
Auf der Insel Föhr sind die beiden zu Hause, sie surfen, philosophieren halbe Ewigkeiten über Gott und die Welt, versuchen sich bis zum Abitur durchzuschlagen, bis Edda Hals über Kopf ausbricht: ab nach Berlin. Aus wechselnden Erzählperspektiven konstruieren Robert Habeck und Andrea Paluch, die im vergangenen Jahr mit »Zwei Wege in den Sommer« debütierten, die Beziehung der beiden. In Berlin zieht Edda in eine WG, beginnt Verhältnisse zu zwei Mitbewohnern; die neuen Freunde sind Anhänger der linken Szene, die sich auf die Großdemonstration zum G8-Gipfel vorbereiten. In Heiligendamm haben sich Jasper und Edda wieder verabredet, da trotz allen »Der Mensch ist ein freies Wesen«-Gerede und coolem Unabhängigkeitsdrang die Sehnsucht zueinander stark ist. Habeck und Paluch erzählen nicht gefällig, sondern mit rauen Tönen, Gedankensprüngen und wilden Diskussionen von Tod bis Teufel, so wie Heranwachsende das mit Vorliebe tun. Sich mit der Welt und den Mitmenschen auseinanderzusetzen wird als Reifeprozess initiiert, und dass das Leben keine Spielwiese idealistischer Weltentwürfe ist, wird spätestens klar, als Eddas WG-Genossin in Heiligendamm erschossen wird. Die Realität verlief anders – aber Habeck und Paluch haben die Atmosphäre so eingefangen, dass sie nachvollziehbar wirkt. Robert Habeck / Andrea Paluch: »Unter dem Gully liegt das Meer«. Sauerländer, 2007, 184 S., 13,90 Euro Weitere Buchtipps finden Sie hier!