Interview mit Selina Reimer zum JVM-Gütesiegel

"Verlage sollten sich aus Eigeninteresse bewerben"

20. März 2018
Redaktion Börsenblatt
Die Jungen Verlagsmenschen wollen einheitliche Standards für die Volontärsausbildung durchsetzen. Selina Reimer, Schatzmeisterin des Nachwuchsvereins, hat das Gütesiegel für Volontariate maßgeblich mit auf den Weg gebracht. Im Interview spricht sie über den Hintergrund und das Ziel der Auszeichnung.

Die Jungen Verlagsmenschen wollen Verlage künftig auszeichnen, die ihre Volontäre vorbildlich ausbilden. Wieso braucht die Branche ein Gütesiegel Ihres Vereins?
Bei unserer zweiten Nachwuchsumfrage im vergangenen Jahr haben wir Young Professionals, Volontäre und Praktikanten zu ihren Arbeitsbedingungen seit Einführung des Mindestlohns befragt. Danach ersetzen 91 Prozent der Volontäre nach eigener Einschätzung eine Fachkraft, nur 24 Prozent erhalten überhaupt einen Ausbildungsplan. Es fehlen verbindliche Standards in der Branche, was die Qualität der Volontariatsausbildung angeht. Das wollen wir jetzt ändern.

Wie kann ein Gütesiegel dabei helfen?
Wir hatten auf die Ergebnisse der ersten Nachwuchsrechte-Umfrage hin noch vor Einführung des Mindestlohns die Kampagne #andiearbeit gestartet, um auf die Situation der Nachwuchskräfte aufmerksam zu machen. Zur Kampagne gab es auch eine Postkartenaktion mit Motiven wie „Der Volontär, der aus dem Fenster stieg und verschwand“. Was dabei nicht klar wurde: Wir möchten mit den Verlagen zusammenarbeiten, um den Ausbildungscharakter der Volontariate zu stärken. Dieses Ziel wollen wir positiv kommunizieren, so wurde die Idee des Gütesiegels geboren.

Was sind die Voraussetzungen, um das Gütesiegel zu erhalten?
Für die Vergabe gibt es obligatorische und fakultative Kriterien. Pflicht ist z.B. ein Ausbildungsplan, der alle Ausbildungsinhalte enthält. Um den umzusetzen, muss es auch einen festen Betreuer und Feedbackgespräche geben. Auch Fortbildungen sind Pflicht. Und natürlich muss der Volontär von seiner Arbeit leben können!

Kleine Verlage werden Ihnen sagen: So können wir uns das Siegel nicht leisten.
Wir haben auch an kleine Verlage gedacht. Darum haben wir zur Orientierung im Fragebogen dem Gehaltskriterium eine Präambel vorangestellt: Volontäre müssen in der Lage sein, ihren Unterhalt vom Gehalt zu bestreiten. Als Mindestgrenze haben wir darum den gesetzlichen Mindestlohn gezogen, der tiefer liegt, als unser angestrebter Richtwert. Der orientiert sich am Tarifvertrag für Volontariate in Presseverlagen. Abgesehen davon, kosten viele Punkte die Verlage kein Geld: ein Ausbildungsplan und eine vertraglich abgesicherte Überstundenregelung, z.B. Fortbildungen können auch gerne intern geregelt werden, es müssen keine teuren Seminare in München sein.

Verlage, die Volontären weniger als den Mindestlohn zahlen, werden nicht ausgezeichnet?
Nein.

Was sind für Sie fakultative, also freiwillige, Leistungen?
Zu Beginn des Volontariats könnte es z.B. eine Einführungsphase geben, in der der Volontär die Abläufe im Haus umfassend kennenlernt. Er könnte die Möglichkeit haben, in anderen Abteilungen oder Unternehmen zu hospitieren, z.B. in eine Buchhandlung hineinzuschnuppern.

Wie weit sind Sie schon bei den Verlagen?
Wir sind in Gesprächen und haben bislang sehr positives Feedback bekommen. Noch sind wir nicht so weit, dass wir ein Siegel vergeben können. Von einigen Unternehmen wissen wir aber bereits, dass sie nun anhand des Fragebogens nachjustieren wollen. Dieser Prozess wird wohl noch etwas dauern – wir sind dank der positiven Rückmeldungen jedoch optimistisch.

Wie stellen die Jungen Verlagsmenschen eigentlich sicher, dass die Verlage die Wahrheit sagen und das Siegel tatsächlich verdienen?
Die Personalabteilung des Unternehmens füllt den Fragebogen aus. Parallel dazu befragen wir drei ehemalige Volontäre oder Volontäre, die aktuell in Ausbildung sind. Deren Angaben werten wir anonymisiert aus und schauen dann, ob sich die Antworten decken. Nur wenn sich ein in unseren Augen stimmiges Bild ergibt, vergeben wir das Gütesiegel für eine Dauer von zwei Jahren. Danach wird erneut geprüft.

Hört sich nach einer Menge Arbeit an. Warum sollte ein Verlag sich die Mühe machen?
Für Verlage ist der Bewerbungsprozess für das Siegel tatsächlich keine große Mühe, es muss lediglich der Fragebogen ausgefüllt werden. Der Erhalt des Gütesiegels bedeutet dann für den Verlag eine große Öffentlichkeit, denn wir erstellen auf unserer Website einen Bericht über jedes ausgezeichnete Unternehmen, in dem die Punkte aufgelistet sind, die zur Auszeichnung geführt haben. Das Gütesiegel-Logo darf in Stellenanzeigen, Email-Signaturen und auf der eigenen Website ganz offensiv genutzt werden. So können Verlage sich den Nachwuchskräften empfehlen und sich als Top-Arbeitgeber präsentieren. Es entsteht Verlagen übrigens kein Nachteil, wenn sie sich bewerben und das Siegel nicht erhalten: Dann kann in Ruhe nachgearbeitet werden. Wir melden nur Auszeichnungen.

Gibt es weitere Partner, die hinter dem Gütesiegel stehen?
Wir haben die Auszeichnung autark entwickelt, unseren Fragebogen haben wir in Punkto Arbeitsrecht kurz vor Einführung noch von Verdi prüfen lassen. Seit zwei Jahren kooperieren wir ja bereits zu allgemeinen arbeitsrechtlichen Fragen.

Was wünschen Sie sich von der Branche?
Es wäre toll, wenn möglichst viele Verlage von sich aus auf uns zukommen und sich bewerben würden. Der Fragebogen kann seit Einführung des Gütesiegels im Rahmen der Leipziger Buchmesse auf unserer Website eingesehen und heruntergeladen werden. Da wir alle von einem gut ausgebildeten Branchennachwuchs profitieren, sollten die Verlage aus Eigeninteresse diesen Schritt gehen.

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