Jahrestagung der BücherFrauen

"Die Branche ist zwar weiblich, aber gar nicht darauf eingestellt"

8. November 2017
Redaktion Börsenblatt
Der Strukturwandel verändert in der Branche vieles, die Karrierewege von Frauen nicht – sagt Jana Stahl, zweite Vorsitzende der BücherFrauen. Bevor morgen deren Jahrestagung beginnt: Ein Gespräch übers Weiterkommen, über den Zusammenhalt im Netzwerk und politische Ziele.

"Herausforderung Strukturwandel: Bedrohung oder Chance für die Buchbranche?", die Frage, die diesmal im Mittelpunkt der Jahrestagung steht, beschäftigt die Bücherfrauen schon eine ganze Weile. In welche Richtung geht’s?
In beide, je nachdem, wohin man schaut. Die Buchbranche hat eigentlich viel zu lange gewartet, um sich auf den Strukturwandel einzustellen – das ist dieses Jahr, bei allen Veranstaltungen, die die BücherFrauen dazu gemacht haben, noch einmal sehr deutlich geworden. Und deutlich geworden ist dabei auch, dass es vor allem Sortimenterinnen sind, für die es schwierig ist. Sie müssen sich mit einer ganz anderen Lesekultur auseinandersetzen. Davon abgesehen, beobachte ich bei den BücherFrauen viel Bewegung – viele nehmen die Herausforderungen des Strukturwandels offen und bewusst an, bilden sich weiter, probieren neue Tools aus.

Gibt es dabei Schwerpunkte?
Ja, gesprochen wird vor allem über die neuen Nutzergewohnheiten – und wie sich der Handel hier ausrichten kann. Das ist die zentrale Frage, zu der wir am Sonntag bei der Jahrestagung dann auch eine Podiumsdiskussion organisieren, zu der wir unter anderen die Buchhändlerin Stephanie Krawehl und Carola Markwa vom Landesverband Nord des Börsenvereins eingeladen haben. Ich bin sehr gespannt auf ihre Antworten.

Werden Sie bei der Jahrestagung auch über Karrierehindernisse sprechen?
Natürlich, die Gleichstellung bleibt für uns genauso zentral. Denn interessant ist es ja schon: Die Branche ist zwar weiblich, aber im Grunde gar nicht darauf eingestellt.

Frauen seien lieber nett als durchsetzungsstark, heißt es. Wie reagieren Sie als BücherFrau, wenn sie so etwas hören?
Frauen und Männer pflegen unterschiedliche Kommunikationsstile – ich persönlich halte wenig davon, diese gegeneinander auszuspielen. Um durchsetzungsstark aufzutreten, hilft es, mir bewusst zu machen, wie meine Kommunikation ankommt. Dafür bieten wir bei den BücherFrauen verschiedene Weiterbildungsmöglichkeiten an, zum Beispiel im Rahmen der BücherFrauen Akademie oder in den Mentoringrunden. Will sagen: Bei den BücherFrauen lässt sich Durchsetzungsstärke sehr gut trainieren.

Die BücherFrauen setzen sich laut Satzung in der Buchbranche für frauenspezifische Interessen ein – welche?
Mir sind da vor allem zwei Aspekte wichtig. Der erste: In unserer Mehrwertstudie von 2010 haben wir gezeigt, dass Frauen im Schnitt 28 Prozent weniger verdienen als Männer. Bis heute tut sich da wenig – das ist doch kein Zustand! Zweiter Aspekt, und bei dem sieht es kaum besser aus: die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Unternehmen der Branche müssen da einfach in die Gänge kommen, allein schon, um für den Branchennachwuchs überhaupt noch attraktiv genug zu sein.

Müssten Frauen vielleicht mehr fordern?
Auf jeden Fall, als Netzwerk versuchen wir, die Frauen dabei zu unterstützen.

Im Vergleich zu anderen Kulturbranchen: Wo steht die Buchbranche?
Aus der Studie "Frauen in Kultur und Medien" wissen wir, dass sich die Kulturbranchen in puncto Geschlechtergerechtigkeit kaum unterscheiden – überall bewegt sich eher wenig. Ich bin sicher, dass der Buchbranche viele talentierte Frauen verloren gehen, weil sie sich ausgebremst fühlen.

Hier greift der Strukturwandel also nicht?
Leider nein.

Frauen, demnächst in der sogenannten Arbeitswelt 4.0: Wie wird das sein?
Mein Eindruck ist: Frauen sind eher als Männer dazu bereit, sich von starren und eingefahrenen Verhaltensweisen zu lösen. Den Status quo zu bewahren, ist für Frauen einfach nicht so sehr ein Thema – sie entwickeln sich gern weiter. In der neuen Arbeitswelt dürfte das von Vorteil sein.

Die BücherFrauen engagieren sich politisch. Was ist 2017 in diesem Umfeld passiert?
Vieles, und vieles parallel. Was wir auf jeden Fall Nina George, unserer umtriebigen Bücherfrau des Jahres 2017 verdanken, ist die Gründung des Kompetenzteams Buch. Teil des Teams sind BücherFrauen, Mörderische Schwestern oder die Autorinnenvereinigung. Bei einem Runden Tisch zum Thema "Frauen in Kultur und Medien" bei Kulturstaatsministerin Monika Grütters hatte das Kompetenzteam Buch die Möglichkeit, aufzuzeigen, was in Sachen Geschlechtergerechtigkeit in der Buchbranche schiefläuft.

Und die Aktivitäten im Deutschen Kulturrat?
Die kamen und kommen noch hinzu. Bald startet dort eine Arbeitsgruppe zum Thema Geschlechtergerechtigkeit, in der Valeska Henze für uns zur Stelle sein wird. Das Ganze läuft zwei bis drei Jahre.

Die Mühlen mahlen langsam?
Ja, frau braucht einen langen Atem. Wichtig ist aber, dass wir in solchen Gremien, ob im Kulturstaatsministerium oder Kulturrat, dabei sein können. Das ist ein Erfolg. Und dann muss man eben dranbleiben.

"Weil es 2017 ist", die Kampagne von Monika Grütters, sollte auf mehr Geschlechtergerechtigkeit hinwirken. Ihr Fazit?
Die Kampagne ist eine Zuspitzung, man sieht prominente Gesichter wie Maria Furtwängler. Wir brauchen solche Schlaglichter, weil sie zeigen, dass Geschlechtergerechtigkeit tatsächlich ein Thema ist. Doch wir werden uns darauf nicht ausruhen können: Das Erreichte wirkt vielleicht selbstverständlich, ist es aber nicht.

Bei welchen Themen ist das Netzwerk am stärksten?
In den Regionalgruppen, aber auch darüber hinaus, sind sehr feste Bindungen entstanden, die Kraft geben und motivieren. Ein riesen Pluspunkt ist sicher auch der: Im Netzwerk gibt es eigentlich zu allen Themen der Buchbranche Expertinnen, und die sind auch bereit, andere mit ihrem Know-how zu unterstützen.

Wie geht es für die BücherFrauen 2018 weiter?
Für 2018 planen wir eine Neuauflage der Mehrwertstudie – ich bin optimistisch, dass es dafür am Wochenende bei der Jahrestagung Zustimmung gibt. Wie es politisch weitergeht, hängt auch davon ab, wer in den Vorstand gewählt wird, da will ich nicht vorgreifen. Sicher beschäftigt uns vieles auch künftig noch, Geschlechtergerechtigkeit und die Digitalisierung sind nun mal große Themen.