Wie türkische Autoren auf die Repression in ihrem Land reagieren

Flüstern oder Schreien

12. Oktober 2017
Redaktion Börsenblatt
Was können Schriftsteller und Journalisten im Exil gegen die Politik der Türkei ausrichten? Welche Rolle spielen die Europäer? Gibt es Hoffnung auf eine Verbesserung der Lage? Fragen, die heute morgen im "Weltempfang Satellit" im Business Club diskutiert wurden.

Das neue Veranstaltungsformat "Weltempfang Satellit" im Business Club hat sich bereits am zweiten Messetag bewährt. Nach einer Diskussion zum Thema "Fake News" am Mittwoch diskutierte Buchmesse-Direktor Juergen Boos heute Morgen mit der türkischen Schriftstellerin Aslι Erdogan, ihrem Kollegen Burhan Sönmez und dem Journalisten Can Dündar über das "Schreiben im Exil".

Kann ein Autor etwas an der Situation in der Türkei ändern, fragte Boos. Aslι Erdogan, die erst vor kurzem ihren Pass zurückerhielt und für zehn Tage in Deutschland ist, meint, die Öffentlichkeit könne man nur in einem langsamen Prozess durch Literatur erreichen. "Ich schreie nicht zu den Leuten, sondern flüstere ihnen in die Ohren."

Das sieht Can Dündar anders: Weil die Medien durch die türkische Regierung kontrolliert würden, müsse man schreien, um wahrgenommen zu werden. Zum Glück habe man das Internet mit seinen zahlreichen Kanälen, um die Menschen zu erreichen. Dündar hat die Plattform "Özgürüz" ("Wir sind frei") begründet, die auch in einer schriftlichen Ausgabe verbreitet wird.

Auch der Schriftsteller Burhan Sönmez ("Istanbul, Istanbul", btb) ist der Meinung, dass man nicht leise sein dürfe. "Wir müssen sprechen."

Was man von Europa erwarte, wollte Boos wissen. Zunächst einmal, so Sönmez, dass man nicht als Opfer gesehen werde. Die Europäer sollten mehr Druck auf ihre eigenen Regierungen machen und über Geschäfte mit der Türkei hinter den Kulissen aufklären. Can Dündar sprach sich dagegen aus, die Türkei politisch zu isolieren. "Die Türkei isolieren bedeutet, Präsident Erdogan zu unterstützen und nicht uns."

Was man in Europa und Deutschland tun könne? Dündar: "Bücher übersetzen. Die Türkei hat ein gutes Programm zur Förderung von Übersetzungen." Ob sie in der aktuellen Situation mit einem Antrag erfolgreich wäre, bezweifelte Aslι Erdogan allerdings.

Im letzten Teil des Interviews ging es um die in der Geschichte der jüngeren Türkei immer wiederkehrenden Wellen der Gewalt, in extremer Form etwa während des Militärputschs Anfang der 1980er Jahre. Bedroht sehen die Autoren die säkulare Gesellschaft, die eine der größten Errungenschaften der modernen Türkei sei. Sönmez: "Die ottomanischen Sultane vor über 100 Jahren waren säkularer als Erdogan heute." Die Hoffnung will niemand aufgeben, so lange die Zivilgesellschaft widersteht. Mehr als die Hälfte der Türken steht nicht hinter dem Präsidenten und seiner Politik der Islamisierung und Repression.

roe