Knapp zehn Jahre liegt es zurück, dass das E-Book mit lauten Medien-Fanfaren als das revolutionäre Trägermedium für Buchinhalte begrüßt wurde, mit dem ein neues, digitales Lesezeitalter anbricht. Auch das Börsenblatt konnte sich diesem Hype nicht entziehen. Im Sommer 2017 muss man feststellen: Alle hochfliegenden Prognosen, die elektronischen Büchern in Deutschland einen Marktanteil von 15 Prozent und mehr voraussagten, sind nicht eingetroffen. Der Umsatzanteil von E-Books am Publikumsmarkt stagniert derzeit bei 5,4 Prozent, und die Zahl der deutschen E-Book-Käufer – das ist der fast schon alarmierende Befund – beträgt nur noch 2,5 Millionen. Im Gesamtjahr 2015 waren es noch 3,9 Millionen!
"Alle hochfliegenden Prognosen für E-Books sind nicht eingetroffen."Was ist passiert? Offenbar haben sich mehrere sehr unterschiedliche Lesemilieus herausgebildet: eine kleinere Gruppe von Viellesern, die das elektronische Lesegerät wegen seiner Praktikabilität schätzen und bei sinkenden Durchschnittspreisen mehr E-Books als zuvor kaufen. Hybridleser, die je nach Lesesituation analog oder digital lesen. Smartphone-Nutzer, die zwar ständig Texte – etwa in Blogs oder Onlineportalen – lesen, aber keinen Cent für ein E-Book ausgeben würden. Und schließlich die »klassischen« Printleser, die das gedruckte Medium wegen seiner sinnlichen und emotionalen Qualitäten lieben. Die Stärke der über ein halbes Jahrtausend alten Kulturtechnologie Kodex liegt wahrscheinlich gerade darin: in der Synthese kognitiver, psychomotorischer und emotionaler Prozesse, die das Lesen zu einem, Verzeihung, ganzheitlichen Erlebnis machen. Dafür nehmen, wie eine Studie von YouGov gerade ergeben hat, 76 Prozent aller Urlauber schwereres Reisegepäck in Kauf. Ist das E-Book damit erledigt? Nein, sicher nicht. Aber die »Gutenberg-Elegien«, die Sven Birkerts vor 20 Jahren anstimmte, waren vielleicht doch verfrüht.
Das Buch hat nicht den radikalen Umbruch erlebt wie ihn die Musik hatte oder der Film. Vielleicht sind die Nutzungszusammenhänge bei gedruckten Medien sehr viel komplexer und vielfältiger als bei anderen, weshalb auch ein Wandel sehr viel differenzierter vor sich geht. Während bei wissenschaftlichen Zeitschriften der Wandel durch ist und bei Monografien der digitale Anteil ebenfalls sehr hoch, bei Lehr- und Schulbüchern auch mit einer Fortsetzung des Wandels gerechnet werden kann, scheint sich im populären Buchmarkt das Buch auch 500 Jahre nach seiner breiten gesellschaftlichen Durchsetzung gegenüber dem Digitalisat stark zu behaupten.