Alexander Skipis über das Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz

Danke, Frau Merkel!

6. Juli 2017
Redaktion Börsenblatt
Vor der Sommerpause hat die Bundeskanzlerin alle wahlkampftauglichen Themen abgeräumt. Auch die Wissenschaftsschranke wurde beschlossen. Alexander Skipis über einen Politkrimi – und was aus ihm nun folgt.

Schon an der Tagesordnung des Deutschen Bundestags für die letzte Sitzung dieser Legislaturperiode am 29. und 30. Juni 2017 konnte man ablesen, dass wir mit unserer Arbeit gegen den sehr umstrittenen Gesetzentwurf für eine Wissenschaftsschranke keine Chance hatten.

Die hohe Intensität unserer politischen Gespräche im Zusammenhang mit der Wissenschaftsschranke in der gesamten Legislaturperiode verdichtete sich in den letzten vier Wochen in einmaligem Maße. Es schien, dass alles auf der Kippe stünde. Zwar war offensichtlich, dass so gut wie jeder SPD-Abgeordnete diese Wissenschaftsschranke so wollte. Allerdings hatten wir großen Rückhalt in der CDU/CSU-Fraktion. Es wurde an möglichen Kompromissen gearbeitet. Der Börsenverein machte das Angebot, eine Plattform aufzubauen, die die Lizenzierung und werkgetreue Abrechnung so einfach und rechtssicher wie möglich macht. In den weiteren Diskussionen gab es gegen eine solche Lösung allerdings Widerstand. Am Ende wurde ein Kompromiss vereinbart zwischen den Fraktionen der SPD und der CDU, dass dieses Gesetz nur eine Laufzeit bis zum 31. Dezember 2019 haben solle, es erst im März 2018 in Kraft treten solle und in dieser Zeit am Aufbau einer Plattform gearbeitet werden könne.

Dann trat Frau Merkel auf den Plan. In der letzten Frak­tionssitzung der CDU hat sie betont, dass die "Wissenschaftsschranke" kommen müsse. Dies verbreitete sich wie ein Lauffeuer zur SPD hin. Am Sonntag, dem 25. Juni 2017, wurde der gefundene Kompromiss aufgekündigt.

Der Bundestag hat am 30. Juni 2017 über das Schicksal der rund 600 Wissenschafts- und Bildungsverlage in Deutschland entschieden. Eine historische Weichenstellung. Er hat sich gegen ein erfolgreiches marktwirtschaftliches System mit Stimulation von Kreativität und Investitionsbereitschaft der Verleger entschieden. Jetzt wird ein ohnehin sehr begrenzter Markt extrem verengt. Verlage sowie Autorinnen und Autoren verlieren damit weitestgehend die Grundlage für die lizenzierte Nutzung ihrer Werke.

Und was hat das alles mit der Tagesordnung des Bundestags zu tun? Schon auf den ersten Blick erkennt man, dass sämtliche wahlkampfgeeigneten Themen abgeräumt werden sollten. Dies wurde geschickt von der Bundeskanzlerin eingeleitet, sei es bei der Urheberrechtsschranke (Hinweis in der Fraktionssitzung), sei es bei der "Ehe für alle" ("Brigitte"-Talk). Damit ist nun der Weg frei für einen inhaltsleeren Wahlkampf im Herbst dieses Jahres. Wir wurden Zeugen politischer Hochseilartistik, die allerdings einen Schönheitsfehler hat: Inhalte treten, vorsichtig formuliert, in den Hintergrund, macht­strategische Erwägungen dominieren das politische Handeln.

Neben dieser Taktik ist der Kern unseres Problems die veränderte Sicht in Gesellschaft und Politik auf das Urheberrecht. 

Mit den großartigen Möglichkeiten der Digitalisierung ist die Suggestion entstanden, frei und möglichst kostenlos über jedwede Inhalte verfügen zu können. Das ist die Metaebene, unter der dann eine scheinrationale Diskussion durch die Wissenschaftsorganisationen und Hochschulen mit Behauptungen von Rechtsunsicherheit und Komplexität des Urheberrechts geführt wird. Und sie merken nicht, dass sie den Ast absägen, auf dem sie und wir sitzen. Ohne diese Metaebene zu verändern, werden wir künftig in Diskussionen kaum noch bestehen können.

Wir brauchen jetzt eine Zäsur, um unsere Position zum Urheberrecht und die Strategie der Kommunikation darüber neu zu bestimmen. Und wir brauchen brillante Geschäftsmodelle, die die berechtigten Ansprüche der Kunden erfüllen.