In meinen drei Jahrzehnten im Bildungsbereich habe ich mehrere Anpassungen bei der rechtlichen Einordnung und Beurteilung von Vertragsverhältnissen freier Mitarbeitender begleitet. Die aktuelle Entwicklung nach dem Herrenberg-Urteil von 2022 stellt jedoch eine besondere Herausforderung dar, da sie grundlegende Aspekte der Zusammenarbeit mit freiberuflich Lehrenden neu definiert.
Bisher stand bei der Differenzierung, ob ein Vertragsverhältnis als freiberufliche Tätigkeit oder als sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis zu bewerten ist, die Frage im Mittelpunkt, ob eine Weisungsgebundenheit und eine Eingliederung in den Betrieb bestehen.
Das Herrenberg-Urteil hingegen stellt vorrangig „unternehmerische Merkmale“ wie eigene Betriebsmittel, eigene Kund:innenakquise oder das Tragen echter wirtschaftlicher Risiken in den Mittelpunkt der Bewertung. Diese Kriterien sind in der Bildungsarbeit faktisch nicht umzusetzen, da Lehrende primär ihre Expertise einbringen, in einem anderen Unternehmen arbeiten, sich als selbständig Tätige verstehen und im seltensten Fall einen eigenständigen Geschäftsbetrieb mit angestellten Mitarbeitenden mitbringen.
Über die Jahre haben wir regelmäßig unseren Umgang mit freien Referentinnen und Referenten, unsere Verträge und Prozesse angepasst. Die aktuelle Situation erfordert nun wieder ein proaktives Handeln aller Beteiligten, um die bewährte Vielfalt unserer Bildungsangebote zu erhalten. Denn ohne die Möglichkeit, Bildungsangebote auch durch flexibel einsetzbare, freie Dozierende platzieren zu können, ist eine breite Bildungslandschaft stark gefährdet.