Buchhändlern und Verlegern muss man die Bedeutung der Buchpreisbindung nicht erklären. Wem aber ein von Beschränkungen freier Wettbewerb wichtiger ist als das Funktionieren einer einzelnen Kulturbranche, der wird sie ablehnen. Zu den erklärten Gegnern der Preisbindung gehört traditionell die Monopolkommission, die sich in ihren Gutachten immer wieder sehr kritisch geäußert hat. Aktuell ist die Preisbindung erneut Gegenstand einer Untersuchung der Monopolkommission, am 9. Mai fand eine Anhörung hierzu in Bonn statt.
Was ist die Monopolkommission?
Die Monopolkommission ist ein ständiges, unabhängiges Beratungsgremium, das die deutsche Bundesregierung, die gesetzgebenden Körperschaften sowie die Öffentlichkeit auf den Gebieten der Wettbewerbspolitik, des Wettbewerbsrechts und der Regulierung berät. Ihre Gutachten werden veröffentlicht. Die Kommission besteht aus fünf Mitgliedern, die über besondere volkswirtschaftliche, betriebswirtschaftliche oder wirtschaftsrechtliche Kenntnisse und Erfahrungen verfügen müssen. Die Mitglieder der Monopolkommission werden auf Vorschlag der Bundesregierung durch den Bundespräsidenten für die Dauer von vier Jahren berufen. Traditionell besteht die Monopolkommission aus zwei Professoren (einem Juristen und einem Ökonomen) und drei Experten aus der Wirtschaftspraxis. Das Gremium ist stets hochkarätig besetzt; derzeit gehören ihm an:
Prof. Dr. Achim Wambach (Vorsitzender), Direktor des Instituts für Wirtschaftspolitik der Uni Köln Prof. Dr. Jürgen Kühling, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Regensburg Dagmar Kollmann, Unternehmerin, ehem. Vorstandsvorsitzende der Morgan Stanley Bank AG, Frankfurt Dr. Angelika Westerwelle, Geschäftsführende Gesellschafterin der LANAX Management GmbH Dr. Thomas Nöcker, Mitglied des Vorstands der K+S AGWas ist der Anlass der Untersuchung?
Konkreter Anlass ist das vieldiskutierte Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Arzneimittelpreisbindung (Urt. v. 19.10.2016 – C-148/15 - Deutsche Parkinson Vereinigung). Der EuGH hatte die deutsche Arzneimittelpreisbindung für gemeinschaftsrechtswidrig erachtet: Da ausländische Versandapotheken mit ihrem eingeschränkten Beratungs- und Leistungsangebot nicht mit stationären deutschen Apotheken konkurrieren könnten, sei der Preiswettbewerb für sie ein wichtigerer Wettbewerbsfaktor als für traditionelle Apotheken. Daher berühre die Preisbindung ausländische Händler stärker als inländische. Zwar könnte eine solche Einschränkung aus Gründen des Allgemeinwohls – etwa des Gesundheitsschutzes − gerechtfertigt sein. Die Bundesregierung habe jedoch keinen Nachweis erbracht, dass die Preisbindung für Arzneimittel für den Schutz der Gesundheit notwendig sei.
Besondere Bedeutung erlangt dieses Urteil vor dem Hintergrund der zum 1. September 2016 in Kraft getretenen Änderung des Preisbindungsgesetzes: Nunmehr sind Verkäufer aus anderen EU-Mitgliedsländern ebenso wie deutsche Händler verpflichtet, die für Deutschland gebundenen Ladenpreise auch beim grenzüberschreitenden Verkauf an Letztabnehmer einzuhalten.
Unmittelbar nach Bekanntwerden dieser Entscheidung wurde von Seiten des Vorsitzenden der Monopolkommission, Achim Wambach, die Auffassung vertreten, auch die gesetzliche Preisbindung für Bücher sei nun nicht mehr ohne weiteres zu halten; sie beschränke den freien Warenverkehr in ähnlicher Weise wie die Preisbindung für Arzneimittel.
Wie ist der Verlauf der Untersuchung?
Zunächst wurden öffentliche und private Institutionen zur Beantwortung eines umfangreichen Fragenkatalogs aufgefordert. So haben u.a. der Börsenverein, der Verband der Versandbuchhändler (buch.netz im bevh), der Bundesverband Deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Grossisten und der Bibliothekenverband ausführliche Stellungnahmen abgegeben. Am 9. Mai fand dann die Anhörung bei der Monopolkommission statt, zu der u.a. als Vertreter des Buchhandels Börsenvereins-Justitiar Christian Sprang und der Verfasser dieses Beitrags eingeladen waren.
Die Ergebnisse werden in ein Gutachten der Monopolkommission münden.
Was ist die konkrete Fragestellung der Untersuchung?
Es geht zum einen um die Frage, ob sich die Grundsätze der EuGH-Apothekenentscheidung auf die Buchpreisbindung übertragen lassen. Und – falls ja −, ob es zwingende kulturelle Gründe gibt, welche die Buchpreisbindung als möglichen Eingriff rechtfertigen können.
Wie haben die Vertreter der Buchbranche argumentiert?
Zunächst haben wir in unseren Stellungnahmen und in der Anhörung die Vergleichbarkeit der Arzneimittelbranche und des Buchhandels bestritten: Beschränkungen wie die Approbationspflicht des Apothekers, die Vorlage von Rezepten oder das Werbeverbot gäbe es im Buchhandel nicht. Der Vorteil einer Beratung vor Ort werde durch die zunehmende Neigung der Kunden, vom Sofa aus im Internet zu bestellen, aufgewogen. Dabei spiele der Standort des Unternehmens beim Verkauf von Büchern keine Rolle. So sei etwa Amazon als amerikanisches Unternehmen vom Standort Luxemburg aus der aktuell mit weitem Abstand größte Versandbuchhändler in Deutschland und eines der umsatzstärksten Unternehmen im deutschen Buchhandel insgesamt. Es sei somit kein Grund erkennbar, weshalb die deutsche Preisbindung ausländische Händler stärker berühren könnte als inländische. Insbesondere sind wir der in der Anhörung der von Prof. Wambach geäußerten Meinung entgegen getreten, ein belgischer Versender bräuchte das Mittel der Preisunterbietung, um auf dem deutschen Markt Fuß fassen zu können: Denn die anderen Händler würden der Preisunterbietung nicht einfach tatenlos zusehen, sondern sich mit dem belgischen Newcomer eben jenen Preiskampf liefern, an dessen Ende der mittelständische Buchhandel in Deutschland auf der Strecke bliebe.
Weiter haben wir argumentiert: Selbst wenn man die Preisbindung als handelsbeschränkende Maßnahme ansehen würde, so sei sie aus zwingenden kulturellen Gründen gerechtfertigt. Denn ohne Preisbindung würde sich die Marktmacht einzelner Unternehmen noch verstärken, da kleinere und mittlere Buchhändler einen Preiskampf insbesondere im Bestsellerbereich verlieren würden. Über kurz oder lang drohten Verhältnisse, in denen wenige Händler den von ihnen abhängigen Verlagen erst die Preise und irgendwann auch die Inhalte diktieren könnten. Das wirksamste Mittel gegen die Bildung oder Verstärkung von Monopolen sei die Buchpreisbindung.
Wie kam das bei der Monopolkommission an?
Es war nicht zu erwarten, dass wir die Monopolkommission im Rahmen einer zweistündigen Anhörung zu Fans der Preisbindung machen würden. Dennoch hatten wir den Eindruck, dass unsere Argumente auch nicht ungehört verhallt sind. So war einigen Äußerungen der Kommissionsmitglieder anzumerken, dass sie ebenfalls kein Ausbluten des mittelständischen Handels zu Gunsten großer und internationaler Konzerne wünschen. So wurde die Frage gestellt, ob nicht die Subventionierung des Buchhandels eine Möglichkeit wäre, ungewollte Folgen der Abschaffung der Buchpreisbindung im Interesse der Buchkultur abzumildern. Dem haben wir entgegen gehalten, dass es geradezu grotesk wäre, Rahmenbedingungen eines funktionierenden Marktes zu ändern, um diesen danach mit Subventionen künstlich aufrecht erhalten zu müssen.
Wie geht es weiter?
Die Monopolkommission wird ein Gutachten erstellen und veröffentlichen. Ein Votum für die Preisbindung ist nicht zu erwarten; wir hoffen aber auf eine differenzierte Betrachtung, aus der sich vielleicht auch Denkanstöße ergeben können. Eine unmittelbare Gefahr geht von einem negativen Gutachten nicht aus, da die Politik nach wie vor hinter der Preisbindung steht. Der Gesetzgeber hat dies im Rahmen der ausdrücklichen Ausdehnung der Preisbindung auf E-Books und der Einführung der grenzüberschreitenden Preisbindung im vergangenen Jahr eindrucksvoll bestätigt. Seine Entscheidung für die Buchpreisbindung hat der Gesetzgeber gegenüber der EU-Kommission im Rahmen einer ausführlichen Stellungnahme zudem in überzeugender Weise gerechtfertigt.
Aber man darf sich nicht in falscher Sicherheit wiegen: Irgendwann wird die Buchpreisbindung wieder vor dem Europäischen Gerichtshof landen. Dann könnte es um die Frage gehen, ob die von uns ins Feld geführten Gründe für den Erhalt der Buchkultur nicht nur auf allgemeinen Überlegungen beruhen, sondern auch auf wissenschaftlicher Basis nachweisbar sind. Die Branche ist gut beraten, sich für diese Situation durch Erstellung aussagekräftiger Gutachten zu wappnen.
Prof. Dr. Christian Russ
"Zwischen "freiem Spiel der Kräfte" und dem Status Quo passt noch so einiges dazwischen. "
Geht das auch konkreter? Wie wird das Kulturgut Buch ohne die Preisbindung, die jetztige Verbreitung halten können? Wie ist ihr Zukunftszenario, wenn es nicht "das freie Spiel der Kräfte" ist?
Oh, da fällt mir doch noch ein Argument ein: Sie verweisen auf den Gesetzestext, der von Verkaufsstellen spricht und nicht von Buchhandlungen. Was denken Sie, welche weiteren Verkaufsstellen da noch gemeint sein könnten? Tankstellen? Baumärkte? Discounter? Ob die wohl auch die Leistungen des Buchhandels anbieten, wie Warenkenntnis, Beratung, Bestellservice, Leseförderung, Lieferung frei Haus, breites Sortiment, Veranstaltungsprogramm, Verweilqualität und Schulklassenbesuche? Wohl kaum.
(Näheres zu unserem Service finden Sie übrigens hier: www.freiheitsplatz.de/service
Und zu Ihrer Bemerkung "Zwischen "freiem Spiel der Kräfte" und dem Status Quo passt noch so einiges dazwischen.": Das stimmt, da passt einiges dazwischen, z.B. eine ausgedünnte Buchhandelslandschaft. Ob die dem Kulturgut Buch besser täte, möchte ich doch stark bezweifeln.
Die Existenz einer großen Zahl von Verkaufsstellen! Nicht Verkaufsstellen!
Meiner Auffassung nach ist hier zwar nicht nur aber auf jeden Fall sowohl der Buchhandel im Allgemeinen als auch die Buchhandlung im Speziellen Teil dieser "großen Zahl".
Es geht hier auch nicht um den "Schutz der Buchbranche". Andere Marktteilnehmer werden durch dieses Gesetz nicht vom Buchmarkt ausgeschlossen. Der Wettbewerb zwischen den einzelnen Marktteilnehmer muss aber zugunsten des Kulturguts Buch und der großen Zahl an Verkaufsstellen (für den gleichen Zugang einer breiten Öffentlichkeit zu Meinungen und Informationen) ohne einen Preiswettbewerb auskommen.
Ich bin gespannt auf Ihre detaillierten Ausführungen zu Ihrem Argument "Zwischen "freiem Spiel der Kräfte" und dem Status Quo passt noch so einiges dazwischen."
Bei hyothetischen Annahmen sind exakte Zahlen halt leider nicht vorhanden, hypothetisch eben. Aber man kann ja schauen, was in anderen Ländern passiert ist. Z.B. in Großbritannien, wo 1995 die Preisbindung abgeschafft wurde: Drei Jahre später kommt Larissa Richert in Ihrer Arbeit (Die Buchpreisbindung am Beispiel von Deutschland und Großbritannien, ISBN 978-3-8324-0999-9) zum dieser Schlussfolgerung: "Es kam zu Preiserhöhungen, zu einem Rückgang der Titelproduktion und zu deutlichen Konzentrationsprozessen. Für die Kunden hat sich die Preisfreigabe vorwiegend negativ ausgewirkt."
Leider auch schon ein paar Jahre alt, aber immerhin etwas aktueller ist ein Gespräch mit Holger Ehling, das 2011 in Deutschlandfunk Kultur geführt wurde (http://www.deutschlandfunkkultur.de/britische-leser-kaufen-gezielt-billige-buecher.954.de.html?dram:article_id=146601). In der Anmoderation wird der Status quo in UK beschrieben: "Seit 2005 ist die Zahl der Buchhandlungen im Königreich um die Hälfte geschrumpft. Mehr als 2.000 Geschäfte mussten schließen. In 600 Städten gibt es nicht einmal mehr einen einzigen Buchladen."
Bestimmt gibt es noch weiteres statistisches Material, aber das lässt ja schon mal eine Richtung erkennen.