Interview mit Volker Kitz

"Lasst euch nicht verarschen!"

7. April 2017
Redaktion Börsenblatt
Leidenschaft im Beruf ist wunderbar – für Volker Kitz gehört sie aber um Himmels willen nicht zum Anforderungsprofil. In Zeiten, in denen der Sinn von Arbeit grenzenlos überhöht wird, hat er mit seiner Streitschrift "Feierabend! Warum man für seinen Job nicht brennen muss" (Fischer TB) einen Nerv getroffen.

Sie schreiben "Wir sollten lieber arbeiten, statt Arbeit zu inszenieren" und wünschen sich wieder "mehr Gelassenheit und Ehrlichkeit im Arbeitsleben". Warum haben wir diese offenbar verloren?In der Öffentlichkeit wird kaum über repräsentative Berufe gesprochen. Statt um Krankenschwestern, Controller, Bankangestellte, Buchhändler oder Anwälte geht es nur noch um Menschen wie die hippe Bloggerin aus Berlin-Mitte, um Schauspieler oder Sänger. Alle sind immer mindestens "leidenschaftlich" bei ihrer Arbeit und das schlägt sich auch auf die Stellenbeschreibungen stinknormaler Jobs nieder. Über kurz oder lang schaden sich damit alle, weil sich bei vielen Arbeitnehmern eine große Enttäuschung breitmacht, gefolgt von einem zehrenden Grübeln: Habe ich den falschen Job, wenn es bei mir nicht so ist? Dabei sagt Leidenschaft noch nicht einmal etwas darüber aus, wie gut oder schlecht jemand seine Aufgaben erledigt.

Erst heute las ich das Jobangebot eines großen Fernsehsenders: "Andere faszinieren können wir nur, wenn wir selbst fasziniert sind", heißt es da.Selbst beim Fernsehen kommt es am Ende darauf an, seine Arbeit gut zu machen und sie nicht nur gut zu finden. Aber das Gleiche wird mittlerweile auch bei Callcentern geschrieben. Es kann keiner mehr mit der Wirklichkeit leben: Dass die alltägliche Arbeit oft unglamourös ist, Routine. Wir sind auf Routine angewiesen, aber offenbar will sie keiner machen.

Also "schultern nicht die paar Querdenker unsere Gesellschaft, sondern die Masse der Menschen, die jeden Tag geradeaus denken und geradeaus handeln"?
Genau. All jene Menschen, die ganz normal ihrer Arbeit nachgehen – die sozusagen Dienst nach Vorschrift machen, was ja negativ belegt ist. Dieser Masse der arbeitenden Bevölkerung, die wir manchmal aus dem Blick verlieren, möchte ich ihre Würde und Wertschätzung zurückgeben.

Was kann Ihr Buch bewirken?
Ich bemerke schon jetzt eine große Resonanz, bekomme viele Zuschriften und Rückmeldungen auf Vorträgen oder wie jüngst auf der Leipziger Buchmesse. Ich würde mich freuen, wenn ich eine Diskussion, ein Nachdenken, in Gang bringen könnte, schließlich ist das Buch ja eine Streitschrift.

Was muss passieren, damit sich in der Wahrnehmung von Arbeit und bestimmten Berufen – und letztlich auch an deren Bezahlung – wirklich etwas ändert?
Mir ist klar, dass sich kein Personaler hinstellen und sagen wird: "Bei uns gibt es auch langweilige Dinge zu tun, die Arbeit ist manchmal lästig und nicht alle Kollegen sind nett. Dafür bekommen Sie aber ein anständiges Gehalt." Natürlich wäre ein derart offensiver Umgang wünschenswert. Andererseits gehören immer zwei dazu: Die Unternehmen, die ihre Geschichten erzählen. Und die Arbeitnehmer, die allzu gerne von nie endenden Herausforderungen, Spaß und Spannung träumen. Mein Rat: Lasst euch nicht verarschen von den Sinnversprechen der Unternehmen, fordert lieber eine gerechte Bezahlung!

Wie ist das eigentlich in Amerika, dem Land der permanenten Übertreibung?
Mir scheinen viele Arbeitnehmer dort pragmatischer. Die meisten machen ihren Job, nehmen ihr Geld und gehen nach Hause. Wenn es nicht ausreicht, versuchen sie, das Gehalt hoch zu handeln oder verrichten eben nachts oder am Wochenende einen zweiten Job. Dass die Arbeit nicht die große Erfüllung bietet, hört man dort als Klage eher selten.

Wobei manche Unternehmen in Deutschland ja durchaus ihre Mitarbeiter mit Dienstreisen und Feierabend-Events bei Laune halten.
Irgendwann ist das auch keine große Abwechslung mehr, ob man jetzt in der einen oder anderen Stadt in der selben Hotelkette unterwegs ist. Auch da komme ich wieder auf die Bezahlung zurück: Jemand, der nicht genügend verdient, um zum Beispiel als alleinerziehende Mutter mit Kind einmal im Jahr in den Urlaub zu fahren, der hat auch kein Interesse, am Wochenende den Kanubau-Workshop fürs Teambuilding zu belegen

Bibliografie

Volker Kitz:
Feierabend! Warum man für seinen Job nicht brennen muss
Fischer Taschenbuch
96 Seiten, 8 Euro
ISBN 9783596297962