Im Kölner Psychiatrie-Verlag, der zu Schattauer gehört, erscheinen pro Jahr 30 bis 40 Publikationen, hinzu kommen drei Zeitschriften. "Mit etwa zehn Prozent unserer Bücher können wir wirklich Geld verdienen. Damit finanzieren wir die restlichen 90 Prozent unserer Publikationen. Eine Möglichkeit, das Verhältnis zu ändern, gibt es nicht", berichtete Verleger York Bieger bei der Pressekonferenz in Düsseldorf.
Bislang waren die Ausschüttungen der VG Wort immer eine wichtige Einnahme-Säule für den Verlag - jetzt fallen sie weg. Deshalb kann eine dringend notwendige Stelle im Verlag nicht geschaffen werden, das Weihnachtsgeld der Mitarbeiter wurde halbiert. "Uns trifft das VG-Wort-Urteil massiv, es bedroht den inhaltlichen Anspruch, den wir als Verlag haben", erklärte Bieger.
Für W. Arndt Bertelsmann vom gleichnamigen Wissenschaftsverlag liegt das Problem in den Nachforderungen für die vergangenen drei Jahre. "Mit unseren Autoren neue, angepasste Verträge für die Zukunft auszuhandeln, ist machbar - auch wenn wir die Rechtsgrundlage derzeit nicht sicher beurteilen können. Wirtschaftlich fatal ist für uns jedoch die Rückforderung der VG Wort. Den Verlagen wird damit ihre wirtschaftliche Basis entzogen," so Bertelsmann beim Pressegespräch. Für die Zukunft könne man Buchpreise anheben und Honorare senken, rückwirkend jedoch lasse sich kein Geld mehr erwirtschaften.
Auch Barbara Budrich vom gleichnamigen Leverkusener Wissenschaftsverlag sieht die Entwicklung kritisch. Sie rechnet damit, dass sie wohl 200 Prozent des durchschnittlichen Jahresgewinns an die VG Wort zurückzahlen muss. "Das hat man nicht auf der hohen Kante. Und von den Banken gibt es bei den Krediten nur wenig Bereitschaft, zu helfen", so Budrichs Erfahrung.
"Verlage sind auch schöpferisch tätig"
Dass Verlage mehr sind als reine Verwerter und viele Bücher und Reihen erst durch ihren kreativen und inhaltlichen Input entstehen - auch das machte die Verlegerrunde beim Pressegespräch deutlich: "Wir haben beispielsweise unsere erfolgreiche Reihe Glücksorte komplett selbst entwickelt, um mit unseren Büchern unsere Zielgruppen besser erreichen zu können", betonte Jürgen Kron, Geschäftsführer beim Düsseldorfer Droste Verlag: "Danach wurden die Autoren dazu gesucht und ganz normal am Umsatz beteiligt."
Um das komplexe Problem mit der VG Wort zu lösen, können die Verlage ihre Autoren nun darum bitten, Ansprüche an sie abzutreten. Bei der Ausarbeitung der Formulare gibt es professionelle Hilfe vom Börsenverein. Barbara Budrich will dieses Formular, sobald es vorliegt, auf einer Internetplattform für Wissenschaftsverlage zugänglich machen. "Mit unseren 30 Zeitschriften haben wir insgesamt 8000 Autoren, die wir anschreiben können. Von 6500 haben wir den Mailkontakt", berichtete die Verlegerin.
Während einige Verlage vor dem hohen bürokratischen Aufwand zurückschrecken, sind andere fest dazu entschlossen, ihre Autoren anzuschreiben: "Ich hoffe zwar nicht auf einen großen Rücklauf, aber es geht darum, bei den Autoren das Bewusstsein zu schärfen - und zu verhindern, dass ein Keil zwischen Verlage und Autoren getrieben wird. Das ist für mich eine Frage des Prinzips", betonte Ulrike Rodi von Dortmunder Krimiverlag Grafit.
"Die kulturelle Vielfalt würde leiden"
Insgesamt hat der Börsenverein 359 Mitgliedsverlage in Nordrhein-Westfalen. Die meisten sind kleine und mittlere Häuser. "Diese haben aber eine enorme Themenbandbreite und bedienen zum Teil auch sehr spezielle Nischen. Würden sie verlorengehen, würde die kulturelle Vielfalt im Land leiden", sagte Gabriele Schink, Regionaldirektorin des Börsenvereins.
Sollten die Forderungen im Frühjahr tatsächlich auf die Verlage zukommen, wird damit gerechnet, das etwa zehn Prozent der Verlage in NRW aufgeben müssten. Zwar gibt es bei Härtefällen die Möglichkeit der Stundung. "Ab 2018 wären dann aber Zinsen fällig. Vergleiche einzugehen, ist kaum möglich, da die VG Wort dann auf Geld verzichten müsste, was sie aber nicht darf", erklärte die stellvertretende Justiziarin des Börsenvereins, Susanne Barwick.
Klären lasse sich das Problem der Verlegerbeteiligung letztlich nur auf europäischer Ebene - und das könne dauern. Das Bundesjustizministerium habe zwar eine nationale "Reparaturlösung" im Blick, so Barwick: "Diese ist aber im Urhebervertragsrecht angesiedelt, dessen aktueller Gesetzentwurf in der großen Koalition derzeit sehr umstritten ist."
Der Börsenverein in NRW will das Problembewusstsein in der Öffentlichkeit und in der Politik nun weiter schärfen, etwa mit einer Anhörung im Landtag.