Nachdem ich am Samstag und Sonntag die Frankfurter Buchmesse mit meiner Freundin besucht habe, und die Messe dabei mal aus Endkundensicht wahrgenommen habe, ist mir extrem negativ aufgefallen: 95 Prozent der Verlagsvertreter haben sich an ihren Ständen an den beiden Publikumstagen teilnahmslos und gelangweilt den vielen interessierten Bücherfreunden präsentiert. Ein schlechtes Bild und Auftreten unserer Branche. Und genau diese Verlage wollen uns Buchhändlern dann erzählen, welche Bücher wir verkaufen müssen, und wie unsere Kunden ticken? Dass ich nicht lache. Kommt mal bei uns vorbei, in unsere Läden, da zeigen wir Euch, wie man Bücherfreunde begeistert. Und wenn das nichts bringt, dann stell ich mich bei der nächsten Buchmesse gerne mal hinter einen Eurer Stände und zeige Euch, wie das geht ... oder Ihr bekommt dafür ein paar unserer tollen Mitarbeiter ... Damit wir die Buchbranche bei dieser wichtigen Messe in ein besseres Licht rücken ...
Diesen Eindruck habe ich dann auf der Facebook-Seite von Osiander gepostet, und die Reaktionen darauf waren genauso vorhersehbar, wie es in den letzten Jahren vorhersehbar war, dass der VfB Stuttgart absteigt:
Bei den Kommentaren wird wieder ein typisches Problem unserer Branche deutlich: Während diejenigen, die es am besten beurteilen können, nämlich die Endkunden, meinen Eindruck größtenteils bestätigen, wehren sich andere Branchenteilnehmer gegen die Kritik und wiegeln diese als Vorwürfe ab. Hej, liebe Branche, endlich aufwachen! Selbstkritisch sein. Auf unsere Kunden hören. Auch bei Osiander ist nicht alles perfekt, deshalb lassen wir uns im Bereich Kundenorientierung auch von Porsche-Consulting beraten, um noch besser zu werden. Aber wir nehmen die Rückmeldung unserer Endkunden wahr. Und am Samstag und Sonntag war ich als Endkunde auf der Messe, und habe eben diese Erfahrung gemacht, wie viele andere offenbar auch.
Deshalb schlage ich vor, diese Kritik einfach mal anzunehmen und bei der nächsten Messe zu zeigen, dass es unsere Branche besser kann. Denn das können wir. Weil eines gar nicht sein kann – und jetzt spreche ich wieder ein höchst sensibles Thema an: Die Mitarbeiter in der Amazon-Buchhandlung in Seattle zeigen uns, wie man Kundenorientierung perfekt lebt. Hier steht immer und nur der Kunde im Mittelpunkt. Bei einem originären Onliner. Das hat mich beeindruckt. Und genauso kundenorientiert sollte sich die Branche auf der Messe zeigen.
und genau diese Zeiten sind vorbei, in denen sich die Branche nur mit sich selbst beschäftigt und Verlage nur die Buchhändler als ihre Kunden sehen. Unsere Zielgruppe sind die Leser, für die machen wie die Bücher und die geben letztendlich ihr (zum Teil sauer verdientes) Geld für unsere Produkte aus. Ich bin ziemlich baff erstaunt, dass heute wirklich Verlagsleute noch scheuklappenmäßig nur die Buchhändler im Fokus haben.
Unsere Aufgabe im Vertrieb ist es, Buchhändler davon zu überzeugen, dass wir die richtigen Bücher für die entsprechenden Leser machen. Auch wenn sie dem Buchhändler manchmal vielleicht nicht gefallen...
Und das spiegelt sich auch auf der Messe: Mittwoch, Donnerstag und Freitag stehen Gespräche mit Händlern im Fokus.
Das Wochenende ist für die Leser da. Und hier schadet es uns Verlagen nicht, eine gute Figur zu machen - wie gesagt, diese geben letztendlich ihr Geld für unsere Bücher aus und zahlen unsere Gehälter. Dass das ab und an anstrengend ist (wegen der Schnorrer und Möchtegern-Autoren), klar, aber man darf halt nicht vergessen, dass hier überwiegend Leute dabei sind, die ehrlich Interesse am Buch haben: Ich bin immer wieder erstaunt, wie viel auf der Messe gekauft wird. Es ist irgendwie typisch Deutsch, sich auf die 5 % Negativbeispiele zu konzentrieren, anstatt sich auf die 95 % ehrlichen Leute zu fokussieren.
Herr Riethmüller hat Recht (auch wenn ich die übertriebene Generalisierung nicht mag), auf der Messe haben wir Verlage die verdammte Pflicht, unsere Leser und Kunden ernst zu nehmen und auf sie zuzugehen. Und - nur mal so nebenbei - es schadet auch allen Abteilungen im Verlag inklusive Lektorat mal nicht, am Wochenende auf der Messe zu sein. Wo sonst kann man sich so geballt anschauen, für wen man die Bücher eigentlich macht. Und wo sonst hat man so gut die Möglichkeit, mit der Zielgruppe mal ins Gespräch zu kommen.
Ich habe jahrelang im Vertrieb eines großen deutschen Verlages gearbeitet und kam dorthin direkt aus dem Sortiment, da ich gelernte Buchhändlerin bin. Dort wurde alles grundsätzlich auf den größtmöglichen Gewinn und Verkauf über Sortiment und Online-Handel ausgerichtet, das Lektorat beweihräucherte sich regelmäßig, was für tolle neue Sachen sie eingekauft, ersteigert oder vielleicht mal selber entdeckt haben, das Marketing tat das gleiche mit tollen Werbeaktionen. Aber ob das alles den Leser selber anfixt, der das Ganze ja letztendlich kaufen soll? Hat nie interessiert. Kommentare meinerseits in diese Richtung wurden belächelt oder abgetan. Der Buchhändler ist ja schließlich dafür da, dem Endkunden vernünftig zu verkaufen und an den Mann zu bringen. Ich war ja auch nur ein kleines Licht irgendwo aus dem Vertrieb. Die sich dann um die Massen von Remittenden kümmern durfte, die die Herrschaften Geschäftsführung sich "überhaupt nicht erklären" konnten. Schlußendlich waren es dann wieder die Buchhandlungen schuld, die nix richtig verkaufen können... jaja, die alte Leier in einer neuen Zeit, wo eigentlich endlich mal ein Umdenken stattfinden sollte...
Danke, Herr Riethmüller für Ihren einfach traurig wahren und mutigen Artikel!