Christian Riethmüller über gelangweilte Verlage auf der Messe

"Ein schlechtes Bild unserer Branche"

27. Oktober 2016
Redaktion Börsenblatt
Christian Riethmüller, einer der beiden Geschäftsführer von Osiander, wollte die Buchmesse am vergangenen Wochenende mal aus der Endkundenperspektive erleben – und stieß an vielen Verlagsständen auf geballtes Desinteresse. So kann es nicht gehen, meint Riethmüller, wenn man vorgibt, für den Kunden da zu sein. Ein Rüffel für die Verlage.

Nachdem ich am Samstag und Sonntag die Frankfurter Buchmesse mit meiner Freundin besucht habe, und die Messe dabei mal aus Endkundensicht wahrgenommen habe, ist mir extrem negativ aufgefallen: 95 Prozent der Verlagsvertreter haben sich an ihren Ständen an den beiden Publikumstagen teilnahmslos und gelangweilt den vielen interessierten Bücherfreunden präsentiert. Ein schlechtes Bild und Auftreten unserer Branche. Und genau diese Verlage wollen uns Buchhändlern  dann erzählen, welche Bücher wir verkaufen müssen, und wie unsere Kunden ticken? Dass ich nicht lache. Kommt mal bei uns vorbei, in unsere Läden, da zeigen wir Euch, wie man Bücherfreunde begeistert. Und wenn das nichts bringt, dann stell ich mich bei der nächsten Buchmesse gerne mal hinter einen Eurer Stände und zeige Euch, wie das geht ... oder Ihr bekommt dafür ein paar unserer tollen Mitarbeiter ...  Damit wir die Buchbranche bei dieser wichtigen Messe in ein besseres Licht rücken ...
 
Diesen Eindruck habe ich dann auf der Facebook-Seite von Osiander gepostet, und die Reaktionen darauf waren genauso vorhersehbar, wie es in den letzten Jahren vorhersehbar war, dass der VfB Stuttgart absteigt:
 
Bei den Kommentaren wird wieder ein typisches Problem unserer Branche deutlich: Während diejenigen, die es am besten beurteilen können, nämlich die Endkunden, meinen Eindruck größtenteils bestätigen, wehren sich andere Branchenteilnehmer gegen die Kritik und wiegeln diese als Vorwürfe ab. Hej, liebe Branche, endlich aufwachen! Selbstkritisch sein. Auf unsere Kunden hören. Auch bei Osiander ist nicht alles perfekt, deshalb lassen wir uns im Bereich Kundenorientierung auch von Porsche-Consulting beraten, um noch besser zu werden. Aber wir nehmen die Rückmeldung unserer Endkunden wahr. Und am Samstag und Sonntag war ich als Endkunde auf der Messe, und habe eben diese Erfahrung gemacht, wie viele andere offenbar auch.

Deshalb schlage ich vor, diese Kritik einfach mal anzunehmen und bei der nächsten Messe zu zeigen, dass es unsere Branche besser kann. Denn das können wir. Weil eines gar nicht sein kann – und jetzt spreche ich wieder ein höchst sensibles Thema an: Die Mitarbeiter in der Amazon-Buchhandlung in Seattle zeigen uns, wie man Kundenorientierung perfekt lebt. Hier steht immer und nur der Kunde im Mittelpunkt. Bei einem originären Onliner. Das hat mich beeindruckt. Und genauso kundenorientiert sollte sich die Branche auf der Messe zeigen.