Der Arte-Stand war am Samstagmittag von einer Traube kreischender Fans umstellt – Kulturstaatsministerin Monika Grütters musste unwillkürlich grinsen, mit einem Andrang wie bei Daniela Katzenberger, die zeitgleich auf der größten Buchmesse der Welt unterwegs war, hatte die Spitzenpolitikerin wohl nicht gerechnet. Schließlich sollte es ja bei der Veranstaltung des Börsenvereins und Artes „nur“ um das Thema Lesen gehen – Schauspieler Florian David Fitz und Moderator Thomas Böhm saßen mit auf der Bühne.
"Nur noch so wenig Welt übrig"Fitz empfahl am Arte-Stand seine Lieblingsromane „Atemschaukel“ der Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller und Leo Tolstois episches Werk „Krieg und Frieden“. Tolstois Roman sei „wie eine gewaltige Soap“, schwärme Fitz. Der Schauspieler verriet seine Marotten: „Ich lese immer zuerst den ersten und den letzten Satz eines Buches“. Ihm falle der Einstieg in ein neues Buch immer sehr schwer: „aber am Ende denke ich dann: Scheiße, nur noch so wenige Seiten sind übrig bevor diese Welt vorbei ist.“ Während Fitz einräumte, dass ihm der Deutschunterricht und das Lesen „unter Zwang“ in der Pubertät das Lesen eher madig gemacht habe, konnte Monika Grütters ganz andere Erfahrungen einbringen: „Eigentlich wollte ich Ärztin werden wie mein Vater, aber meine phänomenale Deutschlehrerin hat auf mich einen enormen Einfluss genommen und so habe ich Literaturwissenschaft studiert“, blickte die CDU-Politikerin zurück.
„Wir haben nicht nur den Kanon abgearbeitet“, erinnerte sich Grütters. „Noch im Jahr des Erscheinens haben wir 'Jakob der Lügner' gelesen – eines dieser Bücher wie 'Tschick', bei denen man bereits beim ersten Lesen weiß, dass sie zu den künftigen Literaturklassikern gehören werden.“ Noch heute, 35 Jahre nach ihrem Abitur, tausche sie mit ihrer früheren Lehrerin Bücher aus. Empfehlungen holt sich die Staatsministerin u.a. bei ihrer Lieblingsbuchhandlung Shakespeare & Company in Berlin. Lesen hatte sie im Alter von Jahren durch ihren Großvater im Sommerurlaub gelernt, später verliebte sie sich in den noblen Indianer Winnetou.
"Man braucht ein dickes Fell"Als ihre absoluten Lieblingslektüre empfahl Grütters „Die Caprice der Königin“ (Jean Echenoz) und verriet eine Schwäche für die Bücher von Joseph Roth. „Die Einfühlsamkeit, andere Lebenswelten mit einer Intensität erleben zu können, die die eigene Phantasie übersteigt“, sei das große Verdienst von Autoren und Filmschaffenden. „Es ist ein riesiges Geschenk, die Welt anders zu erfahren.“ Darum müsse man auch erschütternde Lektüren und auch den Missbrauch der Kunst- und Meinungsfreiheit ertragen und wie im politischen Leben vieles aushalten können: „auch von den Truppen, die durch ihre Parolen und Verhalten die Werte eben jenes christlichen Abendlandes mit Füßen treten, das sie zu verteidigen behaupten.“
Fitz und Grütters stimmten überein, dass auch die Künste hier „ein Weckruf sein können.“ Dazu, so Grütters, trügen auch großartige Übersetzer wie Hinrich Schmidt-Henkel und Rosemarie Tietze bei. "Ohne die Übersetzer hätten wir so viele Bücher nicht", so Monika Grütters.