Abholservice

Bücher nach Ladenschluss

17. Oktober 2016
Cornelia Birr
Einzelhandel ist immer auch ein Kampf mit den Öffnungszeiten. Doch muss man solche Einschränkungen einfach hinnehmen? Mit diesen Service-Ideen kommen Kunden weit nach Ladenschluss an ihre Bestellungen – ganz bequem und ohne die Hilfe Amazons und des Paketdiensts. 

In Zeiten des digitalen Wandels und knapper werdender Zeit steht der stationäre Buchhandel mit seinen festen Ladenzeiten vor einem strukturellen Problem: Immerhin hat das Internet mit seinem riesigen Angebot rund um die Uhr geöffnet. 

Dass ein Buch am späten Nachmittag bestellt wird und am nächsten Tag in der Buchhandlung bereitliegt, ist längst Normalität. Doch was, wenn der Kunde es wegen Berufstätigkeit, Terminen oder Verkehrsaufkommen nicht schafft, die Ware innerhalb der Öffnungszeiten abzuholen? Um konkurrenzfähig zu bleiben, bietet mancher Händler an, bestellte Bücher ohne Aufpreis nach Hause zu liefern. Auf den Versandkosten bleibt er damit jedoch sitzen. Pfiffiger ist da das Angebot der Abholung außerhalb der Öffnungszeiten – ein Trend, der in Sachen Flexibilität und Lieferzeit sogar den Onlineversand in die Schranken weist. 

Networking  
Aus ihren guten Kontakten im Viertel entwickelte Dorothee Junck, Inhaberin des Buchladens ­Neusser Straße in Köln-Nippes, die Idee, mit anderen Geschäften zu kooperieren. Kunden, die erst nach Ladenschluss um 19 Uhr Zeit haben, können ihre Bestellungen an vier verschiedenen Stellen abholen: »Wir haben einen Rewe-Markt, eine örtlich beliebte Kaffeebude, einen Kiosk und eine Kneipe im Angebot«, so Junck. Damit wird der Zeitraum zwischen sechs und 24 Uhr abgedeckt. Bei der Bestellung kann der Kunde angeben, an welchen Ort er das Buch geliefert haben möchte. Bezahlt wird entweder gleich oder später per Rechnung. Seit drei Jahren bringen die Buchhändlerin und ihr Team auf diese Weise etwa zehn Bücher pro Woche an den Kunden – ein Zeitaufwand von ingesamt etwa einer Stunde, so Junck, die den Prozess als »komplett unkompliziert« beschreibt.

Auch Patrick Musial von der Buchhandlung Musial in Recklinghausen schwört auf das Networking im Viertel. Bis 18.30 Uhr hat sein Geschäft unter der Woche auf, bis 16 Uhr am Samstag. Durch die Absprache mit einem benachbarten Café können die Kunden ihre Bestellungen dort bis 23 Uhr abholen, am Wochenende sogar noch länger – »das ist wie eine Ausweitung unserer Öffnungszeiten«, sagt Musial. Zwei bis drei Leute nutzen das Angebot im Schnitt pro Woche, und auch der Buchhändler selbst profitiert davon: »Diese Lösung entspannt mich enorm«, schwärmt Musial. »Früher habe ich manchmal noch eine Stunde im Laden gewartet, wenn ich wusste, dass ein Kunde etwas dringend benötigt. So kann ich die Sachen fertig machen und rübergeben.«

Prinzip Schließfach  
Manchmal ist es der Blick über den Tellerrand, der den entscheidenden Impuls gibt. So orientierte sich die Mittelstandsoffensive Buy Local, die sich der Stärkung des regionalen Einkaufens verschrieben hat, an der Apothekenbranche und entwickelte eine Abholstation für Bücher. Michael Riethmüller, Mitgründer und Vorstandsmitglied der Initiative, hat die Buy-Local-Box seit November 2015 vor seiner Buchhandlung Ravensbuch in Ravensburg ­stehen. »Man muss auch manchmal was ausprobieren«, sagt er. Gemeinsam mit seinem Sohn Martin, der bei Buy Local für strategische Kooperation und Entwicklung zuständig ist, hat er die Entscheidung für den Testlauf getroffen – nicht ohne Gegenwind im Team. »Mein Vater und ich waren von Anfang an dafür, andere standen der Box zunächst skeptisch gegenüber. Inzwischen sind alle bei Ravensbuch von der Buy-Local-Box überzeugt«, meint Martin Riethmüller.

Ein halbes Jahr lang suchte der studierte Betriebswirt nach einem passenden Anbieter und fand ihn schließlich in einem ostdeutschen Briefkastenher­steller. »Ursprünglich wollten wir die Box mit WLAN an den Shop anbinden«, erinnert er sich. »Das wäre jedoch deutlich teurer geworden.« Schließlich habe man sich für eine möglichst einfache Variante entschieden. Schafft ein Kunde es nicht vor 19 Uhr in den Laden, schließt ein Mitarbeiter der Buchhandlung die Bestellung ein und verschickt per SMS einen vierstelligen Code. Damit kann das Buch rund um die Uhr abgeholt werden – »ein ganz schlanker Prozess für uns«, sagt Riethmüller senior. Die Fächer der Box werden mit Batterien betrieben, über LED-Anzeigen erkennt man deren Energiestand. 2 000 Öffnungsvorgänge erlaubt eine Batterie im Schnitt. 

Die Zahl der Fächer lässt sich individuell gestalten, Buy-Local-Mitglieder bekommen 30 Prozent Rabatt auf die Boxen. Der Preis für zwei Fächer liegt bei etwa 1 000 Euro, für die Ausführung mit acht Fächern muss der Händler rund 2 500 Euro hinblättern. Die Kos­ten für die Versendung der Kurznachrichten fallen dagegen mit etwa einem Euro pro Woche kaum ins Gewicht. Rieth­müller zufolge war die Box bei ­Ravensbuch im Weihnachtsgeschäft komplett belegt; in den übrigen Monaten haben sich die Belegungen bei etwa zwei bis vier pro Woche eingependelt. Langsam spricht sich das Projekt offenbar ­herum: Inzwischen haben ein Bekleidungsgeschäft und ein Haushaltswarenladen die Box bestellt, Gespräche mit ­weiteren Interessenten laufen.

Bücher auf Knopfdruck  
Auch Sabine Katz von der Bücherstube in Gernsbach hat einen Metallkasten vor der Buchhandlung stehen. Der ist ein bisschen größer als die Buy-Local-Box – und kann ein bisschen mehr: Wie anderswo Zigaretten, kann man aus dem ersten und bislang einzigen Bücherautomaten Deutschlands Bücher ziehen. 16 Fächer sind einzeln programmierbar und werden mit Titeln aus verschiedenen Sparten befüllt – von Kinderbüchern über Krimis bis hin zu Liebesromanen. ­Außerhalb der Öffnungszeiten fungiert der Automat zudem als Abholstation: Wer erst nach Ladenschluss kommen kann, bekommt eine Fachnummer ­zugewiesen. Bei der Abholung gibt der Kunde die Nummer ein, wirft sein Geld ein und kann sein Buch mitnehmen.

Lange hatte Katz nach einer Möglichkeit gesucht, die Ladenzeiten zu verlängern, ohne ein Risiko einzugehen. »Ich habe im Grunde genommen nach einem Mitarbeiter gesucht, der 24 Stunden am Tag ohne Urlaubsanspruch zur Verfügung steht«, so Katz. Schließlich erinnerte sie sich an einen Blumenladen ­ihrer Kindheit: »Da gab es so einen Automaten – wenn man eingeladen war, konnte man dort einen Blumenstrauß ziehen.« Warum sollte das nicht auch mit Büchern funktionieren? Ein geeigneter gebrauchter Automat ließ sich nirgendwo auftreiben, also machte die Händlerin eine Firma in Norddeutschland ausfindig, die ihre Idee umsetzte. Ein paar Tausend Euro kostete das Gerät. Wie viel genau, habe sie verdrängt, sagt Katz lachend: »Wir werden einige Jahre brauchen, bis sich der Automat amortisiert hat.«

Ein bis zwei Mal unter der Woche, drei bis vier Mal am Wochenende wird der Automat für Abholungen genutzt.Das Befüllen sei unkompliziert, ver­sichert Katz: »Buch rein, Preis programmieren, Fach zukleben und mit Initialen versehen, fertig!« Einmal wöchentlich müsse zudem der Wechselgeldbestand kontrolliert werden. Wenn der ein bestimmtes Soll unterschreitet, meldet sich der Automat allerdings von selbst.

Fazit? In erster Linie sei der Automat ein Werbeinstrument, sagt Katz: »Wir machen damit auf uns aufmerksam.« Gleichzeitig stelle er aber auch eine Inves­tition in die Kundenbindung dar: »Die Leute wissen den Service sehr zu schätzen. Beim nächsten Mal kauft man das gewünschte Buch eben nicht woanders, sondern sagt sich: Halt! – das kann ich doch am Automaten der Bücherstube machen.«

Die Buy-Local-Box

Kosten für Mitglieder:

2 Fächer (je Fach: 300 x 330 x 420 mm) = 1 015 Euro
4 Fächer = 1 505 Euro
6 Fächer = 1 960 Euro
8 Fächer = 2 625 Euro
inklusive Lackierung in beliebiger Farbe nach RAL-Standard

(Nichtmitglieder: plus 30 Prozent)

Zusätzliche Kosten für Montage (ca. 120 Euro), Einbindung als Lieferoption in den Webshop (ca. 200 Euro), Druck einer Anleitung für die Seitenfläche (30 Euro), Kosten für die SMS (ca. 5 Cent pro SMS)

Aufpreispflichtige Optionen:

  • alternative Kastengrößen (beliebig bis maximal 800 x 800 x 600 mm)
  • weitere Materialien wie zum Beispiel Edelstahl oder eloxiertes Aluminium
  • individuelle Beschriftungen mittels Klebeschrift oder Eingravur
  • Montage und Inbetriebnahme der Abholstation je nach örtlicher Gegebenheit
  • Ständer zum Einbetonieren

Wichtig: Bei Stadt oder Kommune sollte eine Genehmigung eingeholt werden!

Ansprechpartner:
Martin Riethmüller
E-Mail: riethmueller@buylocal.de
Telefon: 07731 /9768620