Aktuelle Bücher zur römischen Geschichte

Rom lebt

2. September 2016
von Börsenblatt
In einer Zeit, in der Staaten zerfallen und Bündnisse brüchig werden, leuchtet das römische Imperium umso heller. Ein Blick auf aktuelle Bücher rund um die Geschichte Roms.    

Eine »Römische Geschichte« zu schreiben, gehört zu den großen Herausforderungen für Historiker – nicht zuletzt dank Theodor Mommsens legendärer Darstellung, für die er 1902 als erster Deutscher den Literaturnobelpreis erhielt. Seit Mommsens Opus magnum aus den Jahren 1854–56, das im Verlag Philipp von Zabern (3. Aufl. 2015, 2 Bände, 3040 S., 79,95 Euro) wiederaufgelegt wurde, hat es viele Versuche gegeben, die römische Geschichte auf dem Stand der jeweils aktuellen Forschung neu zu erzählen. Dass allein in diesem Herbst eine Handvoll neuer oder neu herausgegebener Streifzüge durch das Imperium erscheinen, spricht für das ungebrochene Interesse an Rom als dem Wegbereiter der abendländischen Zivilisation. Hinzu kommen zahlreiche weitere Novitäten, die sich mit Aspekten der römischen Geschichte, Literatur und Kultur sowie der lateinischen Sprache befassen.

»SPQR« – diese Abkürzung, die bis heute auf römischen Kanaldeckeln zu lesen ist, wählte die in Cambridge lehrende Althistorikerin Mary Beard als Titel für ihre laut Untertitel »Tausendjährige Geschichte Roms«, die im Oktober bei S. Fischer in besonderer Ausstattung erscheint (ca. 672 S., ca. 28 Euro). »SPQR« hat mindestens zwei Bedeutungen: Die vier Versalien stehen für »Senatus Populusque Romanus«, werden aber im römischen Volksmund scherzhaft als »Sono Pazzi Questi ­Romani« (»Die spinnen, die Römer«) interpretiert. Bis heute, so Beard, sei das antike Rom Grundlage westlicher Kultur und Politik, der Art, wie wir schreiben, der Art, wie wir die Welt deuten. Die englische Altertumswissenschaftlerin ist bekannt dafür, eingefahrene Sichtweisen zu erschüttern. Das versucht sie auch in ihrer Rom-Darstellung: Sie schildert die Geschichte des Imperiums aus der Innen- und Außensicht, und wählt für jede Epoche einen anderen Zugang. Das Ergebnis ist eine lebendige, vielschichtige Erzählung. Aufgelockert und bereichert wird die Lektüre durch mehr als 100 Abbildungen; mehrere Karten Roms und des römischen Reichs, eine chronologische Übersicht sowie eine Bibliographie geben zusätzliche Informationen und Anregungen.

Der Stuttgarter Kröner Verlag gibt der »Römischen Geschichte« von Michael Sommer, die bisher als zweibändige Taschenausgabe vorlag, einen neuen Auftritt: als einbändige, großformatige Ausgabe (ca. 900 S., 29,90 Euro). Der Schutzumschlag zeigt das rekonstruierte Forum Romanum in einer farbigen Darstellung aus dem 19. Jahrhundert. Sommer, Professor für Alte Geschichte an der Universität Oldenburg – und dank langjähriger Lehrtätigkeit in England in narrativer Geschichtsschreibung geschult –, legte bei der mit zusätzlichen Abbildungen angereicherten Sonderausgabe Wert auf gute Lesbarkeit. Der gesamte Anmerkungsapparat wurde entschlackt, an die Stelle einer ausführlichen tritt eine thematische Auswahlbibliografie. Randglossen erleichtern die Orientierung und schaffen inhaltliche Übersicht. Sommers von der Kritik gelobte Darstellung reicht von der Republik über die Kaiserzeit bis zum Untergang des Weströmischen Reichs; sie zeigt, dass der Aufstieg der Stadt zum Zentrum eines Imperiums keineswegs einer inneren Logik folgte, sondern sich häufig Zufällen verdankte.

Ein Meilenstein in der althistorischen Geschichtsschreibung ist die erstmals 1960 erschienene »Römische Geschichte« von Alfred Heuß im Ferdinand Schöningh Verlag, die elf Auflagen erlebte. Nun bringt das Paderborner Verlagshaus eine gründlich revidierte, neu ausgestattete Ausgabe heraus, die der bis 2008 in Freiburg lehrende Althistoriker Hans-Joachim Gehrke heraus­gegeben und mit einem Nachwort über seinen akademischen Lehrer Heuß, dessen Werk und Methodik versehen hat (ca.700 S., ca. 40 Abb. und Karten, ca. 34,90 Euro).

Der britische Geschichtsautor Tom Holland ist für seine spannende, dramatische Akzente setzende Erzählweise bekannt. Sein neues Buch »Dynastie« (ca. 576 S., Einführungspreis: 26,95 Euro), Spitzentitel bei Klett-Cotta im Herbst, schildert »Glanz und Elend der römischen Kaiser von Augustus bis Nero« und scheut dabei vor Vergleichen mit der Mafia nicht zurück: das römische Herrschaftssystem als Vorläufer der »Cosa Nostra« – so überschreibt Holland den zweiten Teil seines Buchs.

Die Geschichte Roms überdauert auch in steinernen Bildnissen: 50 Porträtköpfe von Kaisern, Damen und Sklaven aus 1 000 Jahren zeigt und beschreibt der bei der Edition Braus ­angekündigte Band »Gesichter des alten Rom« (19. September, ca. 128 S., ca. 60 Abb., 24,95 Euro). „Zum ersten Mal tritt eine Zivilisation in individuellen, lebensechten Bildnissen vor unsere Augen“, heißt es in der Verlagsankündigung. Bildnisse, die 2 000 Jahre alt sind – und trotzdem zeitlos.

Erstmals im Taschenbuch legt Klett-Cotta am 24. September Robert Knapps Geschichte der römischen Durchschnitts- und Randgesellschaft vor („Römer im Schatten der Geschichte. Gladiatoren, Prostituierte, Soldaten: Männer und Frauen im Römischen Reich“). Das Buch des US-Historikers korrigiert idealisierende Darstellungen und rückt die 99,5 Prozent der römischen Bevölkerung ins Licht, die weitgehend besitzlos waren und von der Geschichtsschreibung meist übergangen werden (ca. 400 S., 14,95 Euro).

Bereits im Frühjahr ist bei Philipp von Zabern Holger Sonnabends Biografie eines der berühmtesten und zugleich ambivalentesten römischen Kaiser erschienen: „Nero. Inszenierung der Macht“ (247 S., 29,95). Jahre, dessen Bild heute vielfach noch von seinen Gewaltexzessen geprägt ist. Dabei war Nero (37 bis 68 n. Chr.) weit mehr als ein verrückter Tyrann, als den ihn schon manch antiker Biograf abstempeln wollte. Er verstand es, sich meisterhaft zu inszenieren. Und er war ein kreativer Herrscher, der sein Künstlertum als „elementaren Bestandteil seiner Existenz als Kaiser“ auffasste, wie Sonnabend schreibt. Seine hybride Lebensform trug aber dazu bei, ihn in den Augen seiner Gegner als unberechenbar und für das höchste Amt im Staat ungeeignet erscheinen zu lassen. Zum Staatsfeind erklärt, setzte er seinem Leben im Jahre 68 nach Christus mit 30 Jahren ein Ende.

Eine historische Darstellung, die bei aller Quellentreue Politthriller-Qualitäten aufweist, hat der amerikanische Althistoriker und Archäologe Barry Strauss (Cornell University) geschrieben: „Die Iden des März, Protokoll eines Mordes“ (im März bei Theiss erschienen, 412 S., 29,95 Euro). Strauss schildert darin den Mord an Julius Cäsar am 15.März des Jahres 44 v. Chr. im römischen Senat aus der Perspektive einer häufig übersehenen Schlüsselfigur: des engen Begleiters und Protégés Decimus Junius Brutus Albinus. Er war es, der Cäsar schon Monate früher verriet und für die Verschwörung gegen den Diktator den Boden bereitete. Die Nachwelt hingegen konzentrierte sich meist auf die Attentäter Brutus und Cassius, welch letzterer als Drahtzieher des Mordes gilt.

Die Geschichte Roms und des römischen Imperiums wird nicht nur in Quellen und historischen Erzählungen anschaulich, sondern buchstäblich begreifbar in den steinernen Monumenten, die die Zeit überdauert haben. Schon Mitte des 12. Jahrhunderts, mehr als ein halbes Jahrtausend nach dem Untergang des (west-)römischen Reichs, entstand ein erster Reiseführer durch das antike Rom: die „Mirabilia Urbis Romae“ („Die Wunderwerke der Stadt Rom“). Der Herder Verlag brachte das Werk als bibliophil gestaltete lateinisch-deutsche Ausgabe mit ausführlicher Einleitung und Fotos der Monumente schon im Herbst 2014 heraus (176 S., 26 Euro).

Wer sich der römischen Geschichte als Historiker nähert, taucht zugleich in die Sprache des Imperiums ein: das Lateinische. Von der Faszination für die Ursprache Europas lässt sich der Wuppertaler Althistoriker und Altsprachen-Didaktiker Karl-Wilhelm Weeber in seinem Buch „Latein – da geht noch was! Rückenwind für Caesar & Co“ (Theiss, 12. September, 352 S., 24,95 Euro; mit einem Glossar aus 40 Begriffen rund um die römische Kulturgeschichte) tragen. Mit dem Erlernen der „Muttersprache“ Latein würde nicht nur der Erwerb der romanischen Sprachen erleichtert, sondern auch das Verständnis der deutschen Grammatik gefördert. Der Lateinunterricht öffne zugleich, so Weeber, den Horizont für römische Geschichte und Kultur.