Als Grundlage für die Studie des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie wurden stichprobenartig 303 wissenschaftliche Bibliotheken und 133 Stadtbibliotheken befragt; sie geben überwiegend an, dass die bestehenden Regelungen zum Kopierschutz für die meisten Bibliotheken schwer handhabbar seien. "Viele Nutzer beklagen rechtliche und praktische Hürden durch das Urheberrecht. Eine Bildungs- und Wissenschaftsschranke könnte Abhilfe schaffen", gibt das Bundesministerium auf seiner Homepage die Stoßrichtung vor und erläutert: "Wie der Begriff schon suggeriert, beschränkt sie das Urheberrecht, sodass Materialien leichter genutzt werden könnten - vom Versand elektronischer Kopien durch Bibliotheken bis hin zur automatisierten Auswertung ganzer Editionen".
Das Ministerium verweist auf die Studie, die zeige, "dass die Verlagsbranche eine Bildungs- und Wissenschaftsschranke für das Urheberrecht nicht fürchten muss." Die Branche geht klar vom Gegenteil aus.
Für Justus Haucap, Herausgeber des Gutachtens und Volkswirtschaftsprofessor an der Universität Düsseldorf, scheint das Urheberrecht keine große Rolle zu spielen. Im Vordergrund der Studie steht der "komfortablere Umgang mit Literatur", also das kostenlose Kopieren. Die Kopierer werden als "zusätzliche Nutzer" gesehen, "ein freier, unentgeltlicher Zugang" sei "ex post auch wohlfahrtsoptimal". Selbst wenn die Verlage ihre Bücher ohne finanzielle Entschädigung zur Verfügung stellen müssten, so die Studie, würden sie keinen Schaden nehmen, da sie mit ihrer Marktmacht Absatzverluste durch Preiserhöhungen kompensieren würden.
"Ein Empfehlungsschreiben der IT-Lobby"
In der "F.A.Z." hat der Stuttgarter Journalist Adrian Lobe gerade auf die Dürftigkeit des Gutachtens hingewiesen und mit Staunen zur Kenntnis genommen, dass eine vom Bundesministerium in Auftrag gegebene Studie "für die Rationalität des Rechtsbruchs plädiert". Wortwörtlich heißt es in der Studie: "Urheberrechtsverletzungen können auch eine rationale Entscheidung sein, die auf dem besseren Kosten-Nutzen-Verhältnis von illegalem Medienkonsum basiert." Neben ökonomischen Motiven könnten auch "zahlreiche nicht-ökonomische Motive Piraterie begründen". Aus Sicht von Lobe liest sich "das Gutachten über weite Strecken wie ein Empfehlungsschreiben der IT-Lobby, der ein geschliffenes Urheberrecht zupasskäme. Es ist in höchstem Maße irritierend, dass das Ministerium ein so einseitiges Papier zur Grundlage des Gesetzgebungsverfahrens machen will und sich den fremden Standpunkt ungefiltert zu eigen macht."