Lizenzhändler über das Verlagspitching bei "Book meets film"

Die Qualitäten von Standup-Comedians sollte keiner erwarten

28. Juni 2016
von Börsenblatt
Beim Filmfest München hebt sich heute zum 10. Mal der Vorhang für "book meets film". Verlage präsentieren ihre filmtauglichen Stoffe wieder im Schnelldurchlauf vor Produzenten. Lohnt sich das? Und wie bereiten sich die Lizenzhändler vor? Vier Antworten - eine kommt aus der Verlagsbuchhandlung Ehm Welk, die als Newcomer in München "pitcht".
Jennifer Royston, C.H. Beck

Presse und Lizenzen

"Das Pitching bei book meets film hat bei uns in der Vergangenheit unter anderem schon zu TV-Verfilmungsverträgen geführt, es dient darüber hinaus aber natürlich auch ganz allgemein der Kontaktpflege zur Filmproduzentenszene. Es ist eine gute Möglichkeit, Beck’sche Spitzentitel vorzustellen und die Stoffverwerter zur genaueren Prüfung zu animieren. Zur Vorbereitung lese ich das vorzustellende Buch noch einmal und schaue, ob es in den Rezensionen etwa Hinweise für eine filmische Umsetzbarkeit gibt. Zudem bitte ich Autor und Lektor um Anregungen.

Diesmal darf ich sogar zwei Titel vorstellen: Sabine Gruber versteht es in ihrem vielschichtigen Roman "Daldossi oder Das Leben des Augenblicks" mit existenzieller Wucht über das Leben eines in Wien situierten Kriegsfotografen zu schreiben, dem die Weltenwechsel zunehmend zu schaffen machen. Grubers Roman handelt von journalistischer Wahrheitsfindung, von Kriegen, Lebenskrisen und von einer großen Liebe und ließe sich sehr gut mit einem Schauspieler wie Martin Wuttke oder auch Harald Krassnitzer in der Hauptrolle verfilmen.

Der andere Titel - "Never say anything" - stammt von Michael Lüders, TV-Experte für Nahost-Themen und Autor des Bestsellers "Wer den Wind sät. Was westliche Politik im Orient anrichtet". In seinem extrem packenden Polit-Thriller zeigt Lüders die dunkle Seite des amerikanischen Drohnenkriegs und stellt seine Heldin, die Journalistin Sophie Schelling, vor eine Gewissensfrage: Wie weit bist du bereit zu gehen, um die Wahrheit herauszufinden?"

Bettina Breitling, Verlagsgruppe Random House

Leiterin der Medienagentur Random House

"Das Pitching vor Produzenten macht sich auf alle Fälle bezahlt, denn es ist eine tolle Gelegenheit, neue Bücher oder auch noch unentdeckte "Juwelen" aus den letzten Programmen zu präsentieren. Selbst, wenn der vorgestellte Stoff nicht direkt auf Interesse stößt, kommt man dabei ins Gespräch, kann sich mit Produzenten darüber austauschen, was sie suchen, welche Geschichten, welche Themen, welche Genres.

Man kann auch selber Ideen einbringen, im besten Falle sogar die Entwicklung eines Filmprojekts initiieren, das es sonst vielleicht nicht gegeben hätte. Die Filmbranche ist ein "people’s business", und ein gut funktionierendes Netzwerk entsteht auch durch solche Veranstaltungen. Die Vorbereitung? Buch lesen! Und natürlich herausarbeiten, warum gerade diese Geschichte geeignet ist, als Film erzählt zu werden. Das ist das Entscheidende für den Verkauf der Rechte – man muss das Filmische im Roman sehen!

Random House präsentiert den Coming-of-Age-Roman "Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen" von Ulla Scheler (Heyne fliegt).

Sven Diedrich, Piper Verlag

Leitung Lizenzverkauf In- und Ausland

"book meets film zahlt sich für uns aus - wenn auch nicht in eiligen Verfilmungsverträgen per Handschlag unmittelbar nach dem Pitching. Aber was geht bei Literaturverfilmungen schon schnell? Es ist jedenfalls eine der wenigen Möglichkeiten, einen guten Roman - einen guten Filmstoff - vor vielen Interessenten zu präsentieren. Und die daran anschließenden Gespräche ergeben wiederum die Möglichkeit, Neukontakte zu Produzenten zu knüpfen und auch auf andere Stoffe aus dem eigenen Portfolio hinzuweisen. 

Für die Vorbereitung stelle ich mir eine Sammlung an Verkaufsargumenten zusammen. Inhaltliches (Handlung, Hauptfiguren, Dialoge, etc.) mischt sich dabei mit Fakten der Rezeption (Verkaufszahlen, Leserstimmen, Presseecho, Zielgruppe) und Vergleichen zu erfolgreichen Filmen und Serien. Diese Argumente bringe ich dann in eine Reihenfolge oder eine Art Kurzgeschichte, die solange gekürzt wird, bis sie zwei Minuten Präsentationszeit nicht überschreitet.Das Pitching an sich – zwei Minuten on stage vor etwa 80 Leuten – ist für uns Lizenzverkäufer offen gesagt eher Stress. Auf den Buchmessen oder in Meetings präsentiert man seine Stoffe ja meist in persönlicheren vertrauteren Gesprächen. Das Publikum darf also in der Regel keine Standup-Comedian-Qualitäten erwarten..."

Piper präsentiert den Sylt-Krimi "Gegenwind" von Gisa Pauly.

Stephanie Schmook von Buchschmook,

Verlagsleitung, Rechte & Lizenzen im Verlag der Buchhandlung Ehm Welk, Angermünde

"Ob sich das Pitching vor Produzenten bezahlt macht? Diese Frage können wir tatsächlich wahrscheinlich erst in einigen Monaten beantworten. Denn unser Verlag ist Newcomer bei book meets film im Rahmen des Münchner Filmfestivals. Da im Vorfeld eine Jury bereits vorab zwölf Verlage mit für die Filmwirtschaft interessanten Buchthemen auswählt, gehen wir von einem grundsätzlichen Interesse der Produzenten aus.

Wir freuen uns sehr darüber, dass wir in diesem Jahr zu den Verlagen gehören, die am Pitching teilnehmen dürfen. Und natürlich haben wir uns intensiv darauf vorbereitet, eine ansprechende mündliche Pitching-Präsentation und Buchmaterial für die die interessierte Filmwirtschaft erstellt. Wir präsentieren unseren Roman "Von Pillenpartys und Rollatorrallyes" von Fanny Stark, der zur Frankfurter Buchmesse 2016 erscheinen wird. Es geht um die sympathische, lebenskluge und unangepasste Elsa, 80 Jahre, berufliche Erfolgsfrau, vom Leben herausgefordert, Vorsitzende der Rentnergang und Begründerin eines unkonventionellen Altersruhesitzes.

Das alles ergibt eine erfrischende, zuweilen freche, äußerst humorvolle und gleichzeitig tief bewegende und nachdenkliche Liebeserklärung an das Altwerden in Achtsamkeit, Würde, Selbstbestimmung – und an die Menschlichkeit. Der Roman basiert auf einer wahren Begebenheit und bietet aus unserer Sicht die ideale Basis für eine Verfilmung im Genre Drama / Komödie."

Mehr über "book meets film"

Das Treffen zwischen der Verlags- und der Filmbranche wird in diesem Jahr zum zehnten Mal vom bayerischen Landesverband des Börsenvereins und dem Verband Druck und Medien Bayern organisiert. Es findet immer im Rahmen des Münchner Filmfestes statt. Zwölf Verlage stellen ihre Stoffe vor, die Auswahl trifft vorab eine Jury. Weitere Informationen zu "book meets film" gibt es hier