Zunächst aber hat der Bundesgerichtshof das Wort: Das höchste deutsche Zivilgericht entscheidet am 10. März im Revisionsverfahren über die Rechtmäßigkeit des Verteilungsplans der Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort), der auch die Verlage an den Ausschüttungen beteiligt.
In dem Brief, der an Bundesjustizminister Maas adressiert ist, schreiben die Unterzeichner, sie würden sich wundern, dass Maas unlängst erklärt habe, "die Bundesregierung wolle die Verlage künftig wieder an der Urheberpauschale beteiligen". Dies stünde in krassem Widerspruch zum Ziel der Bundesregierung, die Rechte der Autoren zu stärken, so der Vorwurf im Brief.
Weiter heißt es: "Autoren sind keine Großverdiener. 2015 betrug ihr Durchschnittseinkommen 19.061 Euro. Das entspricht in etwa dem Jahresgehalt eines Zimmermädchens. Selbst 'Bestsellerautoren' können von ihrer Arbeit oft nicht leben. Deshalb ist der jährliche Scheck der VG Wort für Autoren so wichtig."
Spätestens seit dem Reprobel-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sei klar, dass die Urheberpauschale komplett den Urhebern zusteht. Die VG Wort hätte keinen Cent an die Verlage ausschütten dürfen. Schätzungen zufolge seien den Autoren dadurch seit 2001 rund 500 Millionen Euro entgangen – mit diesem Geld hätten die Urheber unfreiwillig die Verlage subventioniert, so der Brief weiter.
Schließlich appellieren die Unterzeichner an Heiko Maas: "Sorgen Sie dafür, dass fortan die gesamte Urheberpauschale an die Autoren ausgeschüttet wird. Schließlich haben Sie selbst kürzlich erklärt, ausschließlich die Autoren seien Urheber. Folglich können auch nur Autoren Anspruch auf Mittel aus der Urheberpauschale haben."
Koordinator und Initiator der Aktion "Urheberpauschale für Autoren" ist der Journalist und Autor Tom Hillenbrand. Zu den Unterzeichnern des Briefs gehören der Website urheberpauschale.de zufolge Sibylle Berg, Julia Franck, Dagmar Hoßfeld, Navid Kermani, Daniel Kehlmann, Eva Menasse und Bastian Sick.
Mit den 70 Erstunterzeichnern hatte er direkten Mailkontakt, so Tom Hillenbrand gegenüber boersenblatt.net in Bezug auf die Verifizierung der Unterzeichner. "Bei den anderen mache ich Stichproben, speziell bei den Bekannteren und bitte um Bestätigung, bevor ich's freischalte", erläutert Hillenbrand.
Hintergrund
Anfang Dezember hatte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) in seiner Keynote beim Kongress der Initiative Urheberrecht in Berlin in Bezug auf das sogenannte "Reprobel-Urteil" des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gesagt: "Wir werden uns in Brüssel dafür einsetzen, dass eine Beteiligung der Verleger an den gesetzlichen Vergütungsansprüchen auch künftig möglich sein wird".
Am 10. März nimmt der Bundesgerichtshof (BGH) das Revisionsverfahren gegen die Entscheidung des OLG München zum Verteilungsplan der Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) wieder auf. Der BGH hatte das Verfahren im Dezember 2014 ausgesetzt, um das oben genannte Urteil des EuGH abzuwarten − das schließlich am 12. November 2015 gefällt wurde und Wellen schlug.
Über die möglichen Folgen des EuGH-Urteils für die deutschen Verlage hat Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang dezidiert auf boersenblatt.net informiert.
Auf jeden Fall vermischen Sie hier zwei Dinge miteinander, die in einer Demokratie getrennt sind: den rechtlichen Anspruch auf Ausgleichszahlungen und individuelle Vertragsvereinbarungen.
1. Autoren auf keinen Fall für ihre Arbeit angemessen bezahlt werden sollen
2. im Gegenteil Verlage, die sich nicht aus eigener Wirtschaftkraft heraus halten können, von den Autoren durch Verzicht auf eine erträgliche Existenz subventioniert werden sollen. Denn nichts anderes bedeutet dieses merkwürdige Argument, dass Autoren nicht mehr bekommen können, weil den Verlagen sonst (angeblich) zu wenig bleibe.
Empfinden wirklich annähernd tausend Autoren die Beziehung zu ihren Verlagen so schlimm, dass Begrifflichkeiten wie Rechtsbruch, Fehlverhalten, Betrug, Strafe und Illegalität angemessen sind und dementsprechend gegenzuzeichnen sind?
Und ist es auch wirklich im Sinne der Verfasser und Unterstützer, hier auf jegliche Differenzierung zu verzichten und stattdessen eine grobe Pauschalisierung vorzunehmen, die jedem Verlag den praktisch gleich schlechten Umgang mit seinen Autoren zum Vorwurf macht? Unabhängig davon, wie die jeweiligen Vergütungen geregelt sind, welche Leistungen auf Verlagsseite erbracht werden und wie vor allem auch die zwischenmenschlichen Beziehungen funktionieren?
Fakt ist doch, dass es auch nach schlussendlicher Formulierung eines Urteils bzw. einer gesetzlichen Vorgabe für die Zukunft zum Konsens zwischen Autoren und Verlagen kommen muss. Für eine breite Vielfalt an Literatur bzw. den Erhalt des Buchmarktes in seiner jetzigen Form brauchen beide Seiten einander. Aber wie soll so eine kommunikative Einbahnstraßenrhetorik mit derartigen unterschwelligen Diskreditierungen, wie sie in diesem Brief enthalten sind, den Weg für einen solche Einigung und künftige vorbehaltlose Zusammenarbeit ebnen?
Ich finde es wirklich traurig, dass die ganze Ausseinandersetzung in derartigen aggressiven Auswüchsen gipfelt, bei allem gebührenden Verständnis für die eigentliche Intention wie gesagt. So aber wird sich die Stimmung bei allen Betroffenen nur noch weiter verschlechtern, und dass Autoren und Verlage in der Zukunft wieder an einem Strang ziehen, erscheint unrealistischer denn je.
Es geht letztlich nicht darum, wer auf der hellen oder dunklen Seite der Macht steht, sondern ausschließlich darum, dass Menschen zusammen Bücher machen, die von möglichst vielen Leuten gekauft und gelesen werden, und dass alle Beteiligten für ihre Arbeit fair entlohnt werden. Emotionalität darf dabei zwar eine Rolle spielen, der Sachlichkeit gebührt jedoch im Sinne des respektvollen Umgangs miteinander der Vortritt. Also bitte, liebe Autorinnen und Autoren, bei aller gerechtfetigten Aufgebrachtheit, behalten Sie bitte stets auch Pythagoras im Sinn: "Mäßigkeit macht die Seele stark, Selbstbeherrschung erleuchtet sie!"
Ideen sind nicht urheberrechtlich geschützt.
Die Verlage nutzen den Umstand aus, dass man in der Wissenschaft gezwungen ist, seine Sachen in namhaften Verlagen rauszubringen (sonst kann man eine wissenschaftliche Karriere, die ohnehin äußerst schwierig zu realisieren ist, komplett vergessen). Verschärfend kommt hinzu, dass es meist gerade "junge Nachwuchswissenschaftler" (darunter fallen auch noch 45-Jährige mit abgeschlossener Habilitation) sind, die dieses Spiel mitspielen müssen, obwohl sie in prekären Verhältnissen leben. Das ist natürlich nicht die Schuld der Verlage, aber, wie gesagt, die nutzen das gerne aus. Eine Neuregelung der VG-Wort-Bezüge könnte zumindest eine kleine, wenigstens symbolische Veränderung in diesem Bereich bewirken. Wie sich das alles auf die Konzeption von irgendwelchen Ratgeber-Büchern oder so auswirkt, das vermag ich nicht zu beurteilen. Aber schlimmstenfalls muss man halt den Verkaufspreis erhöhen?