Interview mit Antje Kunstmann zur "Initiative Urheberrecht"

"Die Verlage haben sich sinnvollen Regelungen nie verschlossen"

11. Februar 2016
Redaktion Börsenblatt
Die "Initiative Urheberrecht" unterstützt den Gesetzentwurf für ein neues Urhebervertragsrecht und fordert kollektive Vergütungsvereinbarungen zwischen Autoren und dem Börsenverein. Für Verlegerin Antje Kunstmann kein gangbarer Weg: Es sei Sache der Verlage, Vergütungen mit Autoren auszuhandeln. Der Normvertrag biete dafür eine gute Grundlage.

Dürfte der Börsenverein überhaupt im Namen der Verlage kollektive Vergütungsvereinbarungen aushandeln?
Ich  bin keine Juristin, aber meines Wissens ist der Börsenverein nicht autorisiert, für Verlage oder Buchhändler Tarifverträge abzuschließen. Das weiß die Gegenseite seit jeher, denn Verdi selbst schließt die Tarifverträge für die Verlagsbeschäftigten ja auch nicht mit dem Börsenverein ab. Übrigens halte ich die Zahl von 140 000 dort organisierten Kreativen für reine Prosa.

Ist es sinnvoll, wenn sich Verlage zusammenschließen, um gemeinsame Vergütungsregeln (wie 2005 für die Belletristik) zu vereinbaren?
Die Verlage haben sich sinnvollen Regelungen nie verschlossen und finden dann dafür auch eine Form. Die bis heute verbindliche Vergütungsregel Belletristik, an der ich selbst aktiv beteiligt war, kam auch deswegen zustande, weil mit Herrn Hucko vom Bundesjustizministerium ein souveräner Moderator beteiligt war. Damals war das Bundesjustizministerium keine voreingenommene "Partei". Das hat sich offenbar wieder geändert.

Weshalb liegt es im gemeinsamen Interesse von Verlagen und Autoren, bei Vertragsverhandlungen einen möglichst großen Gestaltungsspielraum nutzen zu können – auf der Grundlage des gemeinsam mit dem VS verabschiedeten Normvertrags?
Auch der neue Normvertrag beweist, dass die Verlage sich jederzeit aktiv an konstruktiven Regelungen beteiligen. Hierbei muss der Gestaltungsrahmen großzügig sein, nicht nur wegen der grundsätzlich garantierten Vertragsfreiheit. Die Absicherungen „nach unten“ sind durch die Gerichte doch längst festgelegt.

Von Gewerkschaftsseite wird immer wieder der Vorwurf geäußert, Autoren und „Verwerter“ (also Verlage) verhandelten nicht "auf Augenhöhe" – so begründet auch Bundesjustizminister Heiko Maas die Notwendigkeit des Gesetzentwurfs. Gibt es tatsächlich eine spürbare Asymmetrie zwischen beiden Seiten?
Für die mir bekannten AutorInnen stimmt das allenfalls andersherum. Um alle Rechte, die irgendwie werthaltig eingeschätzt werden, herrscht unter den deutschen Publikumsverlagen eine erbarmungslose Konkurrenz. Allerdings werden die AutorInnen auch nicht durch die Gewerkschaften vertreten, sondern durch Literaturagenten. Vom Buchmarkt hat Verdi offenbar auch keine Kenntnis.

Stimmt es, dass Autoren, Übersetzern und Illustratoren immer noch eine angemessene Vergütung vorenthalten wird?
Das ist schlicht die Unwahrheit. Auch ein kleiner Verlag wie meiner zahlt Honorare an der Schmerzgrenze, zusätzlich kommen mehr als 5% Künstlersozialabgabe oben drauf. Würde ich das nicht tun, könnte ich am Wettbewerb um Rechte gar nicht mehr teilnehmen.

Sind die Honorarabrechnungen intransparent, wie dies die Initiative kritisiert?
Alle mir bekannten Abrechnungen schlüsseln detailliert Verkäufe, Lizenzen, sonstige Nutzungen und die jeweils darauf anfallende, vertraglich vereinbarte Honorarsumme auf. Wer des Lesens kundig ist, kann mit einer Verlagsabrechnung keinerlei Probleme haben.

Die Fragen stellte Michael Roesler-Graichen.

Zum Hintergrund

In der "Initiative Urheberrecht" zusammengeschlossene Verbände und Gewerkschaften, die 140.000 Autoren und Künstler repräsentieren, haben am 9. Februar die Erklärung "Gemeinsam für ein faires Urhebervertragsrecht!" veröffentlicht (http://urheber.info/erklaerung).

Darin fordern sie unter anderem – in Anlehnung an den Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums zum Urhebervertragsrecht – dass "Vergütungsvereinbarungen zwischen Verwertern und Urheberorganisationen … die Grundlage für Individualvereinbarungen zwischen UrheberInnen und KünstlerInnen und Verwertern, d.h. die Vergütungsregeln legen die Mindestbedingungen fest".

Dem Börsenverein wird vorgehalten, er habe sich "für die Buchverlager fairen Verhandlungen mit den Autoren und Illustratoren entzogen". Nur einzelne Verlage seien bereit gewesen, Vergütungsregeln für Autoren und Übersetzern aufzustellen.