Nach Nazi-Krawallen in Leipzig

Buchhändlerin Fleischmann: "Riesenwelle der Solidarität"

14. Januar 2016
Redaktion Börsenblatt
Am 11. Januar randalierten anlässlich der Legida-Großdemonstration rund 250 Rechtsradikale im Leipziger Stadtteil Connewitz und verwüsteten in der Wolfgang-Heinze-Straße zahlreiche Geschäfte. Betroffen war auch die Buchhandlung W. Otto  Nachf. Inhaberin Ilona Fleischmann (65) ließ sich nicht unterkriegen und öffnete am nächsten Morgen für ihre Kunden – obwohl ein Brandsatz beinahe den gesamten Laden zerstört hätte.

Eine Schadensbilanz liegt nach den schweren Krawallen am Abend des 11. Januar noch nicht vor. Mit Pflastersteinen, Baseballschlägern und Pyrotechnik hatten die Hooligans den Stadtteil Conewitz überfallen und wahllos Geschäfte kurz und klein geschlagen. "In der gesamten Wolfgang-Heinze-Straße wurden am Abend alle Fensterscheiben und Schaufenster eingeschmissen. Den Dönerladen haben sie komplett auseinandergekommen. In 36 Jahren habe ich so etwas noch nicht erlebt", sagt Ilona Fleischmann, die die vor Ort die Kiez-Buchhandlung W. Otto Nachf. führt.

Abends gegen 19.30 Uhr hatte sie einen Anruf erhalten und war mit ihrem Mann zum Geschäft geeilt. Die Schaufenster waren eingeschlagen, Bücher und Kalender in den Auslagen zerstört. "Ich hatte aber Glück. Ein Brandkörper war in den Laden geworfen worden und ist auf einem Kalender liegen geblieben, dort hat er vor sich hingekokelt ohne größeren Schaden anzurichten. Aber die Buchhandlung hätte auch komplett herunterbrennen können."

Der Polizei war es erst nach den massiven Ausschreitungen gelungen, die Hooligans einzukesseln und die Personalien aufzunehmen. Trotz eindeutiger Aufrufe auf Facebook will laut Medienberichten der Verfassungsschutz nichts von der geplanten Aktion gewusst haben. Gegen 211 Verdächtige werde inzwischen ermittelt, wegen des Verdachts des besonders schweren Landfriedensbruchs, sagte Ricardo Schulz, Sprecher der Staatsanwaltschaft Leipzig.

Neben den zerschlagenen Schaufenstern sei in ihrem Sortiment ein Schaden im dreistelligen Bereich entstanden. Hilfe kam von Nachbarn und Anwohnern, die beim Verkleiden der Fensteröffnungen halfen. Auch nur einen Tag zu Schließen kam für die Kiez-Buchhändlerin nicht in Frage. "Ich bin ein Stehaufmännchen", sagt Fleischmann. Die Buchhändlerin berichtet über zahlreiche Solidaritätsbekundungen:

Peter Hinke von der Connewitzer Verlagsbuchhandlung schenkte seiner Kollegin eine handsignierte Ausgabe von Clemens Meyers "Rückkehr in die Nacht". Er rief in der "Bild" und auf Facebook dazu auf, bei W. Otto Nachf. Ein Buch zu kaufen – ein Appell, dem viele Leipziger folgten. "Ich bin beeindruckt, wie viele kommen und auch praktische Hilfe leisten", sagt Fleischmann.

Inzwischen sei für die Händler in der Wolfgang-Heinze-Straße ein Spendenkonto eingerichtet worden – mit dem Geld soll den Einzelhändlern geholfen werden, die den Austausch der Schaufenster aus eigener Tasche bezahlen müssen – was im Fall von Ilona Fleischmann nicht der Fall ist. Die Buchhändlerin lehnte auch die angebotene Unterstützung des Sozialwerks des Deutschen Buchhandels ab. "Ich lese im Börsenblatt immer von Buchhändlern, denen etwa nach einem Schlaganfall geholfen wird. Ich bin aber mit einem blauen Auge davongekommen", meint Fleischmann.

Unterstützung gab es auch von anderen Kollegen aus dem Buchhandel, die Buchpakete und aufmunternde Grußkarten nach Leipzig in die Post gaben.