Urheberrechtspodium in Frankfurt

Reform mit Widersprüchen

20. November 2015
Redaktion Börsenblatt
"Salon kontrovers" heißt die Diskussionsreihe im Frankfurter Holzhausenschlösschen – und kontrovers sollte es am gestrigen Abend auch zugehen, denn es stand nichts weniger zur Debatte als die Reform des europäischen Urheberrechts.

Mit dem Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang und der Abgeordneten des EU-Parlaments Julia Reda (Fraktion Piraten / Die Grünen) saßen zwei Akteure auf der Bühne, deren Positionen zwar nicht Lichtjahre voneinander entfernt, aber doch durch kategoriale Gräben voneinander getrennt erschienen. In der Person Heinrich Deterings, des Präsidenten der Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt, war zudem ein Urheber in der Runde, der als Autor in zweierlei Welten beheimatet ist: als Dichter in Publikumsverlagen, und als Wissenschaftler in der Forschung bzw. in Wissenschaftsverlagen.

Bevor Julia Reda – auf deren Namen der vieldiskutierte und teilweise mit heftiger Polemik überzogenene EU-Parlaments-Report mit Lösungsvorschlägen für eine Urheberrechtsharmonisierung getauft wurde – in groben Zügen den Inhalt der geplanten Reform skizzierte, malte Sprang die Auswirkungen an die Wand, die großzügige Urheberrechtsausnahmen und eine Abkehr von der bisherigen Praxis, auch Verlage an Nutzungsvergütungen zu beteiligen, für Verlage haben düften: Der Anreiz, Werke zu verlegen und somit in den Aufbau von Autoren und Programmen zu investieren, würde geschwächt und hätte einen Verlust von Vielfalt zur Folge. Der Kern des Urheberrechts – dass Urheber vervielfältigungswürdige Werke schaffen und über ihr geistiges Eigentum auch im wirtschaftlichen Sinne verfügen können – müsse geschützt werden.

Die Sicht der EU-Parlamentarierin Julia Reda: Es gehe vor allem darum, im Zeitalter grenzüberschreitender Inhaltenutzung via Internet die 28 nationalen Urheberrechte in der EU zu harmonisieren und Mindeststandards (auch für die Nutzer) zu schaffen. Im Zuge dessen sollen unter anderem einheitliche Schranken definiert werden, die womöglich in dem einen oder anderen Land über das hinausgehen könnten, was es bisher schon an Ausnahmen gibt.

Streit entzündete sich zwischen Sprang und Reda vor allem daran, in welcher Weise Werknutzungen (vor allem die Privatkopie) vergütet werden sollen. Die EU-Urheberrechtsreform habe hier vor allem den Autor im Blick, dessen geistige Leistung bei Vervielfältigungen honoriert werden müsse, so Reda. Um die Stellung von Urhebern zu verbessern, sei an dieser Stelle eine Umverteilung gerechtfertigt.

Sprang stellte darauf die Frage, ob denn das Manuskript oder das fertige Buch vervielfältigt werde. Es müsse doch auch die Leistung von Lektorat, Marketing, Vertrieb und allen anderen an der Entstehung eines Buchs beteiligten Verlagsmitarbeitern berücksichtigt werden. Wenn man Vergütungen einseitig an Autoren fließen lasse, führe dies nur dazu, dass Verlage aufgrund veränderter Kalkulationsbedingungen Autorenhonorare kürzen. Damit sei aber nichts erreicht.

Vorsichtigen Optimismus hält Heinrich Detering für angebracht. Die kostenlose Nutzung von Lehrbüchern in Bibliotheken führe noch nicht zum Zusammenbruch des Markts. Außerdem sei es sinnvoll, bei der Würdigung von Verlagsleistungen zwischen den sehr unterschiedlichen Auftrittsformen von Verlagen zu differenzieren. Das Spektrum reiche von Häusern, in denen der Verleger oder Lektor selbst zum Mit-Urheber wird, bis zu "Lohndrucker"-Unternehmen, die lediglich ein vorgelegtes Manuskript unbearbeitet vervielfältigen.

Noch ist es ein langer Weg bis zur novellierten Urheberrechtslinie, doch es zeigen sich jetzt schon die Knackpunkte, an denen sich die Diskussion auch künftig entzünden wird.