Neu im Regal - Lesetipp der Woche

Gefühle als Handelsware

20. September 2015
von Stefan Hauck
Gefühle sind Handelsware für Jesse, er versorgt die Lehrer- und Schülerschaft mit Anerkennung, Respekt, Momenten des Geliebtwerdens, aber auch mit profaneren Dingen wie Gras. Wie Menschen sich manipulieren lassen, warum andere aus Angst vor Verletzungen ihre Gefühle verbergen: Hier bekommen die jugendlichen Leser unterhaltsam höchst praktische Einblicke in die menschliche Psyche.

Wer von Stärkeren gemobbt wird, dem besorgt Jesse einen Nimbus von Unantastbarkeit oder die passenden Freunde, wer sich verpickelt unansehlich fühlt verhilft er zu mehr Selbstbewusstsein, wer ein Date mit einer Schulschönheit möchte zu einem verwegeneren Charakter, er arrangiert Begegnungen, streut Gerüchte, erzeugt Unannehmlichkeiten; selbst Lehrern verschafft er wieder die dringend benötigte Autorität, indem er störende Schüler von der Schule fliegen lässt. All das, versteht sich, nur gegen Geld oder die ein oder andere Gefälligkeit. Jesse versteht vor allem auf der Klaviatur der Emotionen anderer so gut zu spielen, weil er sich die Mühe macht, sich in ihre Psyche einzufühlen und ihre Denkschemata nachzuvollziehen, ein Zampano, der andere manipuliert, noch bevor sie ihre Pommes aufgegessen haben. Wer hier als Leser die Augen offenhält, lernt fürs Leben.

Die Tragik dieses Manipulators mit einer an Thomas Manns Cavaliere Cipolla gemahnenden Kaltschnäuzigkeit liegt darin, dass er aus Selbstschutz seine Gefühle verschlossen hält, aus Angst vor Verletzungen so unantastbar und gleichgültig wirken möchte. Wie diese Hülle nach und nach aufbricht, als er sich in die supersoziale Bridget verliebt, wie er sich um deren behinderten Bruder und einen Alten im Rollstuhl kümmert, die er anfangs nur als Mittel zum Zweck benutzt, wie die Autorin diesen Zwiespalt in einer immer noch um Coolness bemühten Hauptfigur rumoren lässt: Auch das ist Anschauungsmaterial fürs Leben. Zumal die teilweise komischen Szenen sehr unterhaltsam vermitteln, wie Menschen ticken. Gefühle wie Liebe und leichte Eifersucht eingeschlossen, denn Jesse hat Bridget anfangs nur kennengelernt, weil er einem atlethischen Schulkameraden so den entscheidenden Tipp für ein Date mit Bridget geben konnte. Nur: Je mehr er von ihr weiß, umso faszinierender findet er sie. Was für die unterschiedlichsten Protagonisten in diesem Roman gilt: Die Fassaden entsprechen nur in den seltensten Fällen dem Innenleben.

 

Kat Spears: „Und plötzlich klopft mein Herz“. cbj, 352 S., 12,99, ab 13