Die Rede im Wortlaut:
"Dieser Tage las ich in einem Roman der jungen amerikanischen Autorin Adele Waldman 'Das Liebesleben des Nathaniel P.' folgenden Dialog der Protagonisten Hannah und Nate in der Phase ihres Kennenlernens: 'Was genau wolltest Du beruflich machen?' fragt Hannah. 'Einerseits etwas Interessantes tun' antwortet Nate. 'Und andererseits dafür bewundert werden'.
Diese einfache Beschreibung trifft ziemlich genau, wie wir engagierten Buchhändler uns sehen.
Wir haben uns diesen Beruf ausgesucht, weil er unglaublich vielseitig ist.
Wir handeln mit einer Ware mit interessantem Inhalt – zumindest suchen wir für unsere Läden nur diese Ware aus.
Wir haben täglich mit Menschen zu tun, die auf der Suche nach genau diesen interessanten Inhalten sind.
Wir versehen unsere tägliche Arbeit mit Sahnehäubchen à la klassische Lesung, moderierte Lesung, Lesung mit oder ohne Häppchen und Getränken, mit Konzerten, mit Lese- und Diskussionsabenden, mit Leseförderaktionen für Kinder und Jugendliche bzw. deren Eltern.
Und wir lesen selbst jede Menge, damit wir unseren interessierten Kunden interessante Bücher empfehlen können, auch solche, die sie manchmal gar nicht gesucht haben.
Dafür setzen wir einen großen Teil unserer Freizeit ein. Und wenn dieses Lesen uns auch Vergnügen bereitet – schließlich haben wir uns auch wegen der Freude am Lesen für diesen Beruf entschieden – so ist es doch auch Arbeit. Würden wir nicht lesen, fehlten uns im Beratungsgespräch die entsprechenden Grundlagen. Wir Buchhändler müssen also 'Ja!' sagen zu diesem Beruf, der eigentlich unser Leben ist. Zumal die selbstständigen Buchhändlerinnen und Buchhändler längst keinen Unterschied mehr zwischen Berufs- und Privatleben machen.
Dies kann man als Selbstausbeutung bezeichnen – würde sich damit aber selbst zum Opfer stilisieren. Und das sind wir nun sicher nicht! Denn wir haben uns wiederholt bewährt.
Als in den 90er Jahren die Großflächenbuchhandlungen aufkamen, haben wir uns auf unsere Stärken besonnen und uns ein Profil gegeben.
Als im neuen Jahrtausend der Onlinehandel völlig neue Akzente setzte, schnürte er vielen die Luft ab.
Übrig geblieben sind die, die rechtzeitig Stellung bezogen haben, ihre Buchhandlungen zu Orten der Kommunikation, des literarischen Lebens und der Lesenachwuchsförderung gemacht haben. Und sich ebenfalls mit einem Onlineshop ausgestattet haben.
Nicht wenige Buchkunden empfinden und erleben ihre Buchhandlung als 'Third Place', als wichtigsten Lebensort nach ihrem Zuhause und/oder ihrer Familie und ihrer Arbeitsstelle.
Wenn Buchhändler das schaffen, haben sie viel gewonnen. Denn dann ist keine aufwendige Werbung nötig; die Botschaft geht irgendwann allein hinaus und sorgt für Publikumsnachschub:
Jede/r will sehen, was das für ein toller Ort ist, an dem so viel passiert, an dem Leute arbeiten, die sich auskennen, und sich in die Wünsche ihrer Kunden hineinfühlen.
Mit Ihrer Auszeichnung, Frau Kulturstaatsministerin, lenken Sie einen deutlich sichtbaren Scheinwerfer auf die vielen kleinen und mittelgroßen Buchhandlungen in Deutschland.
Sie geben uns das Gefühl, dass wir etwas wichtiges, etwas interessantes, etwas förderungswürdiges tun. Und Sie sorgen mit Ihrer Auszeichnung dafür, dass wir Buchhändler bewundert werden, denn wie der Applaus für den Schauspieler ist die Bewunderung der Lohn für unser Engagement.
Wir, die ausgezeichneten Buchhandlungen, danken Ihnen für den Preis und die damit verbundene Dotierung. Und wir danken Stefan Weidle und der Kurt-Wolff-Stiftung dafür, den Anstoß für diese Auszeichnung gegeben zu haben. Und wir haben großen Respekt vor dem unglaublichen Aufwand, den eine siebenköpfige Jury unter Leitung von Iris Radisch betrieben hat, 614 umfangreiche Bewerbungen zu sichten und nach den verschiedensten Kriterien qualitativ einzuordnen.
Die Buchhandlungen, die in diesem Jahr leer ausgegangen sind, freuen sich über die Chance, vielleicht in den kommenden Jahren zu den Ausgezeichneten zu gehören."