"Die Buchpreisblogger" diskutieren die Longlist im Netz

Digitaler Lesezirkel

15. September 2015
Cornelia Birr
Mit einem charmanten Projekt sorgen sieben Blogger rund um den Deutschen Buchpreis für Leselust und Literaturdebatten im Netz. Seit dem 20. August lesen sich die "Buchpreisblogger" durch die Longlist und kommentieren die Lektüre auf ihren Blogs. Und weil die "Glorreichen Sieben" der eigentlichen Jury in nichts nachstehen wollen, haben sie heute ihre eigene Shortlist veröffentlicht.

Mit der Aktion stärkt der Deutsche Buchpreis seine Präsenz im Netz und in den sozialen Medien. Ziel sei "ein reges Gespräch über die nominierten Romane und über den Deutschen Buchpreis im Allgemeinen, auch jenseits des Feuilletons", sagt die freie Lektorin Caterina Kirsten, die die Aktion koordiniert und redaktionell betreut. Dabei habe man darauf geachtet, Blogger mit unterschiedlichen Vorlieben, einem unterschiedlichen Zugang zur Literatur und unterschiedlichen Ansätzen beim Schreiben von Rezensionen auszuwählen. "Gerade diese Vielfalt macht das Gespräch so lebendig", sagt Kirsten, die selbst den Blog Schöne Seiten betreibt. Dass die Zusammensetzung der Rezensenten dabei die der ebenfalls siebenköpfigen Buchpreis-Jury spiegelt - selbst das Verhältnis von Frauen zu Männern ist mit 4:3 identisch -, sei ein netter, wenngleich zufälliger Nebeneffekt.

Der Plan einer unabhängigen, zum Großteil autodidaktischen Vorabjury, die sich im Netz bei der Arbeit zusehen lässt, geht auf. Kirsten spricht von einer "überaus positiven" Resonanz. Das zeige sich sowohl in den Besucherzahlen als auch in den Kommentaren. Den Erfolg haben die Buchpreisblogger sich redlich verdient: Hinter dem Projekt steckt jede Menge Idealismus. Alle Rezensenten sind "nebenher" berufstätig und wenden ihre gesamte Freizeit für die Aktion auf. "Da bleibt der Ausgleichssport schon mal auf der Strecke und auch der Rasen ist jetzt öfter mal ungemäht", sagt Tobias Nazemi vom buchrevier.

Kirsten schwärmt vom Enthusiasmus der Blogger, davon, "wie ernst sie das Projekt nehmen und wie eng sie zusammenarbeiten". In einer Facebook-Gruppe werden Pläne geschmiedet, Ideen ausgetauscht, Zeitpläne erstellt, Titel aufgeteilt. Das Logo der Buchpreisblogger wurde im Vorfeld der Aktion von Jochen Kienbaum (lustauflesen.de) entworfen; darüber abgestimmt wurde, wie auch über den Namen der Gruppe, gemeinsam. Soviel kollektives Tun schweißt zusammen: "Manche der anderen Buchpreisblogger sind bei mir rein virtuelle Kontakte – die inzwischen so vertraut geworden sind wie Menschen, die ich im realen Leben kenne", sagt Uwe Kalkowski alias Kaffeehaussitzer.

Jeder Blogger liest und bespricht drei bis vier Titel der Longlist komplett. Die Texte, die dabei entstehen, sind unterschiedlicher Natur. So nähert sich Kalkowski Frank Witzels 800-Seiten-Opus "Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969" mit einem Lesetagebuch und verschafft dem Blogleser dabei mit seiner lakonischen, authentischen Art ein ganz eigenes Vergnügen ("Lesetag 5: Über weite Strecken herrscht Klarheit in der Handlung." Oder: "Habe mir erlaubt, ein paar Seiten zu überspringen.") Die Besprechung der Klappentexterin zu Kai Weyands "Applaus für Bronikowski" macht im wahrsten Sinne des Wortes Appetit auf mehr: Das "erfrischende, erheiternde und berührende" Bändchen enthalte derart viele bedeutende Themen, dass man es "in einem Rutsch durchliest, quasi wie einen Streuselkuchen vernascht". Aber auch mit Kritik halten die Netzrezensenten nicht hinterm Berg. "Amors Pfeil traf leider nicht ins Schwarze", schreibt beispielsweise Birgit Böllinger auf Sätze&Schätze über Ralph Dutlis Titel "Die Liebenden von Mantua". Ergänzt werden die Rezensionen mit Themen rund um den Buchpreis. So findet man auf Buzzaldrins Bücher ein Interview mit der ehemaligen Preisträgerin Terezia Mora, in dem Bloggerin Mara Giese nachfragt, was sich mit der Verleihung verändert habe. Zudem gibt es "Bloggergespräche", in denen zwei oder mehr Buchpreisblogger über ein Buch diskutieren.

Wie empfinden die Literaturblogger ihre Herkulesaufgabe? "Eigentlich machen wir nichts anderes als sonst auch. Wir lesen und schreiben darüber - nur diesmal eben ein wenig mehr als sonst", sagt Tobias Nazemi vom buchrevier bescheiden. Uwe Kalkowski (Kaffeehaussitzer) ist dankbar für die Inspiration: Manche Bücher von der Liste seien eine "Lesehorizonterweiterung, da ich sie sonst nicht unbedingt in meine persönliche Auswahl genommen hätte." Mara Giese (Buzzaldrins Bücher) ist sich der Verantwortung bewusst, die ihre Einschätzungen mit sich bringen: "Viele Leser, die die Bücher nicht gelesen haben, vertrauen auf unser Urteil. Natürlich möchten wir sie gut beraten." Deshalb lese man kritischer, genauer, differenzierender als sonst.

Die Shortlist der Netzrezensenten:

Und während einen Tag vor der offiziellen Shortlist die Spannung auf die Wahl der Jury steigt, haben die Netzrezensenten heute ihre eigene Shortlist vorgestellt. Darauf finden sich Gertraud Klemm, Valerie Fritsch, Peter Richter, Clemens J. Setz, Heinz Helle und Kai Weyand mit ihren jeweiligen Werken.

Das Projekt ist eine offizielle Kooperation mit dem Deutschen Buchpreis 2015. Auf der Facebookseite zum Deutschen Buchpreis werden die einzelnen Beiträge gesammelt und verlinkt. Unter dem Hashtag #dbp15 kann man die Aktion auf Twitter mitverfolgen. Auf dem Blog Kaffeehaussitzer findet man eine Übersicht, welcher Longlisttitel bisher von welchem Buchpreisblogger vorgestellt wurde (http://kaffeehaussitzer.de/das-buchpreislesen-dbp15/). Eine Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Buchpreis und LiteraturbloggerInnen gab es erstmals 2013. Initiiert wurde sie damals von der Bloggerin Mara Giese (Buzzaldrins Bücher), die auch in diesem Jahr an der Aktion teilnimmt.

 

Diese sieben Blogger begleiten den Buchpreis 2015 auf ihren Seiten.

Birgit Böllinger, Sätze&Schätze Simone Finkenwirth, Klappentexterin Mara Giese, Buzzaldrins Bücher Uwe Kalkowski, Kaffeehaussitzer Jochen Kienbaum, lustauflesen.de Jacqueline Masuck, masuko13 Tobias Nazemi, buchrevier