In der Kategorie "International" geht er an Hannelore Cayres "Die Alte" ("La daronne", deutsch von Iris Konopik, Argument/Ariadne), Dror Mishanis "Drei" ("Shalosh", deutsch von Markus Lemke, Diogenes), Denise Minas "Klare Sache" (Conviction, deutsch von Zoë Beck, Argument/Ariadne). Für den Preis hatte eine Jury aus führenden KrimiKritikerinnen und Krimi-Buchhändlerinnen unter der organisatorischen Obhut des Bochumer Krimi-Archivs die Neuerscheinungen des Jahres 2019 geprüft.
Die Jurybegründungen:
Kategorie "National"
1. Platz: Johannes Groschupf: "Berlin Prepper" (Suhrkamp)
Als Online-Redakteur bei einer großen Tageszeitung muss Walter Noack die Pöbeleien und Hasstiraden in den Kommentaren löschen. Tausende Male am Tag ist er mit den widerwärtigsten Beschimpfungen konfrontiert. Sein Nervenkostüm wird noch dünner, als er und später eine Kollegin von Unbekannten anscheinend grundlos zusammengeschlagen werden und er auch noch einen privaten Verlust erleiden muss. Die Polizei zeigt sich bei all dem machtlos. Das tägliche Gift, der Dauerhass sickert schließlich auch in Noacks Seele. Er schliddert allmählich in die trübe Szene von waffenhortenden Preppers, Reichs- und Wehrbürgern, abgestoßen und fasziniert zugleich.
„Tief gräbt sich Johannes Groschupf in die Wahrnehmung eines Mannes, der vorbereitet sein will, aber zunehmend das Gefühl hat, die Welt nicht mehr zu verstehen. (…) Mit einem sehr genauen Gespür für Sprache und Orte verankert Groschupf seinen Kriminalroman eindrucksvoll im Berlin der Gegenwart und verbindet komplexe gesellschaftliche Entwicklungen mit markanten Figuren und gelungenen Dialogen. ‚Berlin Prepper‘ ist ein Berlinroman, ein Gegenwartsroman, ein Kriminalroman; schnell, hart und gut.“
Sonja Hartl, Deutschlandfunk Kultur
2. Platz: Regina Nössler: "Die Putzhilfe" (konkursbuch)
Die promovierte Soziologin Franziska lässt in der Münsterländer Provinz Mann, Haus und Karriere hinter sich, um in Berlin unterzutauchen. Als die Geldreserven schwinden, verdingt sie sich als Putzhilfe. Doch ihre neue Arbeitgeberin hat genauso etwas zu verbergen wie Franziska auch. Hinzu kommt eine herumstreunende Jugendliche aus Neukölln, die beginnt, Franziska zu verfolgen. Raffiniertes Spiel aus Krimi- und Sozialklischees, konsequent aus der Perspektive der drei Frauen erzählt.
„Regina Nössler spielt virtuos auf dem Klavier der umlaufenden Vorurteile. (…) ‚Die Putzhilfe‘ handelt von Kontrolle und sozialen Normen, von Einengung und Befreiung, von realer und eingebildeter Überforderung. Alle diese Themen bilden den schwebenden Hintergrund einer ebenso überraschenden wie spannungsreichen Handlung.“
Tobias Gohlis, Deutschlandfunk Kultur
3. Platz: Max Annas: "Morduntersuchungskommission" (Rowohlt)
An einer Bahnstrecke nahe Jena wird 1983 eine entstellte Leiche gefunden. Wie ist der junge Mosambikaner zu Tode gekommen? Oberleutnant Otto Castorp von der Morduntersuchungskommission Gera sucht Zeugen und stößt auf Schweigen. Doch Indizien weisen auf ein rassistisches Verbrechen. Als sich dies nicht länger übersehen lässt, werden die Ermittlungen auf Weisung von oben eingestellt. Denn so ein Mord ist in der DDR nicht vorstellbar. Also ermittelt Otto Castorp auf eigene Faust weiter. Und wird dabei beobachtet. Ein eminent politisches Buch nach einem historischen Fall.
„Der nüchterne, unspektakuläre, fast protokollarische Stil, den Annas für diesen Roman gewählt hat, erzeugt eine Art Objektivität, mit der die bedrückenden Lebensverhältnisse einer dauerüberwachten Mangelgesellschaft intensiv spürbar werden, ebenso wie die brüchigen Arrangements damit, die die Menschen, die dort leben, eingehen müssen. Dass Gewaltexplosionen eine solche oberflächliche Friedhofsruhe interpunktieren, ist dann nur logisch.“
Thomas Wörtche, Deutschlandfunk Kultur
Kategorie "International"
1. Platz: Hannelore Cayre: "Die Alte" (Argument/Ariadne)
Madame Portefeux, die Arabischübersetzerin mit den Patience-blauen Augen, führt ein Scheißleben. Die Kohle ist knapp, die alte Mutter liegt im Sterben, die Welt biegt sich vor Ungerechtigkeit. Dann tut sich unverhofft eine Chance auf, die einfach ergriffen werden muss. Und alles wird anders.
„Cayres Prosa ist von rasanter Lakonie, biestig, boshaft, ätzend, tödlich präzise, scheuklappenfrei und dabei sensibel. Ihre Komik balanciert dabei clever zwischen Handlungs- und Sprachkomik, aber wer in ‚Die Alte‘ eine Satire sehen möchte, irrt. Satire überzeichnet. Hannelore Cayres Romans dagegen trifft die gesellschaftlichen Verhältnisse schon fast hyperrealistisch.“
Thomas Wörtche, Deutschlandfunk Kultur
2. Platz: Dror Mishani: "Drei" (Diogenes)
Eine Frau sucht ein wenig Trost, nachdem ihr Mann sie und ihren Sohn verlassen hat. Eine zweite Frau sucht nach einem Zuhause und nach einem Zeichen von Gott, dass sie auf dem richtigen Weg ist. Eine dritte Frau sucht etwas ganz anderes. Sie alle finden denselben Mann. Es gibt vieles, was sie nicht über ihn wissen, denn er sagt ihnen nicht die Wahrheit. Aber auch er weiß nicht alles über sie.
„Dror Mishanis Roman ‚Drei‘ ist eine gefährliche Lektüre. Auf mehreren Ebenen. (…) Der Erzähler lässt [den Leser] verstört und unbefriedigt zurück: Er erhält keine Erklärung für die Bösartigkeit und Grausamkeit, die er miterleben musste. Gerade deshalb ist Dror Mishanis ‚Drei‘ ein hervorragender Kriminalroman. Denn er handelt überaus kunstvoll vom heißen Kern unserer Moral – und dem der Kriminalliteratur: der Unbegreiflichkeit des Verbrechens.“
Tobias Gohlis, Deutschlandfunk Kultur
3. Platz: Denise Mina: "Klare Sache" (Argument/Ariadne)
Anna McDonald führt in Glasgow ein unauffälliges Leben. Ihre Leidenschaft sind True-CrimePodcasts. Eintauchen in eine Parallelwelt voller Rätsel und ungelöster Verbrechen … Ihr neuer Podcast klingt besonders verheißungsvoll: „Der Tod und die Dana“. Ein versunkenes Schiff, ein uralter Fluch, Explosion und Mord. Was will man mehr? Aber auf Anna wartet eine böse Überraschung.
„‚Klare Sache‘ ist ein wildes, sprunghaftes Buch – allerdings gelingt es Denise Mina, die vielen disparaten Themen (Promis, die von Fans belästigt werden, hohe Investitionen in Fußballclubs, Steuerbetrug, Prekariat und Protz) lässig zu integrieren. Es hilft, dass ihre Figuren glaubwürdig sind, aber doch auch mit kräftigem Strich gezeichnete Typen. (…) Sie sind so originell wie einprägsam und sind trotzdem keine Schwarz-weiß-Charaktere.“
Sylvia Staude, Frankfurter Rundschau