Auf dem Podium saßen Stephan Schierke (VVA / Arvato), Christian Schumacher-Gebler (Bonnier Media Deutschland), Eckhard Südmersen (Libri) und Jan Orthey (Lünebuch) – und jeder hatte, wie die Diskussion zeigte, eine These im Gepäck.
Stephan Schierke hält die Ansprüche an das Barsortiment für überzogen. Niemand brauche 570.000 (KNV) oder 1.000.000 (Libri) Titel auf Lager. 200.000 würden vollauf genügen, um alle Kundenwünsche zu befriedigen. Existenziell sei in jedem Fall die Verlagsauslieferung. "Wenn die Verlagsauslieferung in Erfurt stillsteht, dann sterben Verlage", so Schierke.
Eckhard Südmersens Prognose fiel am drastischsten aus: Ein Aus des Barsortiments von KNV hätte "japanische Zustände" zur Folge. Weil es im einst zweitgrößten Buchmarkt der Welt keinen einheitlichen Buchkatalog und keine vergleichbare Belieferungsstruktur gebe, habe der stationäre Buchhandel dem E-Commerce nichts entgegenzusetzen. In den vergangenen zehn Jahren sei der japanische Buchmarkt um ein Drittel oder sogar die Hälfte geschrumpft. Die Zahl der Buchhandlungen sei um 33 Prozent gesunken.
Jan Orthey sieht für die Zukunft zwei wesentliche Punkte: Die Belieferung mit Büchern müsse weiter optimiert werden. "Next day delivery ist künftig Standard." Den kleineren und mittleren Verlagen, die von der KNV-Pleite stark betroffen sind, empfahl er, sich breiter aufzustellen und bei Barsortiment und Auslieferung mehr zu diversifizieren.
Christian Schumacher-Gebler hat vor allem ein Problem: Wie geht es mit der Auslieferung seiner Verlage (über distribook / KNV) weiter? Ein Umzug zu einem anderen Unternehmen käme wegen des zu hohen Zeitaufwands nicht in Frage. Die Dienstleistung Auslieferung müsse auf jeden Fall erhalten bleiben. Der CEO von Bonnier Media sieht die Insolvenz auch als Chance für einen möglichen Erwerber, ein modernes Unternehmenskonzept umzusetzen. "Wir sollten auch das Positive sehen und nicht nur das Damoklesschwert Insolvenz."
Bemerkenswert an der Runde war, dass mit Stephan Schierke und Eckhard Südmersen die Repräsentanten zweier Unternehmen mit am Tisch saßen, die als mögliche Erwerber gehandelt werden und in das von Insolvenzverwalter Tobias Wahl ins Spiel gebrachte Konzept der übertragenden Sanierung passen könnten.
Gastgeber und Moderator der Runde war Andreas Meyer von Verlagsconsult in München.
roe
So eine Schicksalsgemeinschaft zwingt zu behutsamem und wohl überlegtem Handeln. Egoistisches oder kurzfristiges unternehmerisches Denken und Handeln muss zugunsten einer langfristigen und für alle wirtschaftlich sinnvollen Lösung hintangestellt werden.
Natürlich folgt nun eine Phase, die bei allen Beteiligten viel Kraft und Nerven kostet. Besonnenheit in den weiteren Schritten ist jetzt gefragt!
Derzeit kennen wir die Gründe, die zur Insolvenz geführt haben, noch nicht im Detail. Eine gründliche Analyse wird hier - auch im Hinblick auf möglicherweise in der Zukunft auftretende Herausforderungen - nötig sein.
Ich wünsche mir ein solidarisches Vorgehen jener, die nun Verantwortung übernehmen wollen und werden, welches zu einer raschen und soliden Lösung für alle Beteiligten führt.
Diese Neuregelung sollte auch ein "Sicherungsnetz" enthalten, vielleicht eine Art Notfall-Fonds, auf den bei kurzfristigen Liquiditäts-Problemen zurückgegriffen werden könnte, damit der laufende Betrieb in jedem Fall gewährleistet ist.