Wie lange dauert es, bis ein Insolvenzverwalter eingesetzt ist?
Die Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters im Verfahren KNV ist bereits heute, also am ersten Tag nach der Stellung des Insolvenzantrags, erfolgt. Damit hat der Insolvenzrichter Zeit für die von Amts wegen notwendige Prüfung gewonnen, ob der von KNV gestellte Insolvenzantrag begründet ist und ob das Verfahren eröffnet werden kann. Diese Prüfung kann einige Wochen in Anspruch nehmen und wird regelmäßig dem vorläufigen Verwalter übertragen. Aller Erfahrung nach wird der vorläufige Verwalter nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch zum endgültigen Insolvenzverwalter ernannt.
Welche Aufgaben und Möglichkeiten hat der vorläufige Insolvenzverwalter?
Vorliegend hat das Insolvenzgericht zwar nur einen sog. „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter eingesetzt, von dessen Zustimmung aber zugleich die Wirksamkeit von Verfügungen der Schuldnerin abhängig gemacht. Daneben hat es ihm aufgetragen, durch Überwachung der Schuldnerin deren Vermögen zu sichern und zu erhalten sowie zu prüfen, ob das Vermögen die Kosten des Verfahrens decken wird. Vor allem hat es der Schuldnerin verboten, über Bankkonten und über Außenstände zu verfügen. Entsprechend hat es Drittschuldnern – wie z.B. von KNV belieferten Buchhandlungen - verboten, an die Schuldnerin zu zahlen, und dazu aufgefordert, nur noch an den vorläufigen Verwalter zu zahlen. Damit werden bei der Fortführung des Betriebs von KNV nach derzeitigem Stand zwar keine späteren bevorrechtigten Masseschulden begründet. Doch bleibt die Zuordnung der Forderungen der Verlage zu Ware, die vom Handel bei KNV bestellt wird, faktisch gesichert. Voraussetzung dafür ist, dass die Lieferung der Bücher durch die Verlage unter einem sog. verlängerten Eigentumsvorbehalt erfolgt, was regelmäßig der Fall ist. Mit Ausnahme eines gewissen Kostenbeitrages für das Tätigwerden des vorläufigen Insolvenzverwalters sind die Forderungen von Verlagen, die KNV während des Insolvenzverfahrens beliefern, also gesichert.
Wie priorisiert ein vorläufiger Insolvenzverwalter die Aufgaben und arbeitet sich in eine für ihn wahrscheinlich neue und ja auch sehr komplexe Materie ein?
Das ist die Kunst und Kompetenz des guten Insolvenzverwalters und macht diese Tätigkeit zu einer besonders anspruchsvollen, zugleich deshalb aber auch sehr gut bezahlten Aufgabe. Im Rahmen der Fortführung des Unternehmens ist es einerseits wichtig, dass sich der Insolvenzverwalter persönlich einen raschen Überblick über die Vertragsverhältnisse und die Funktionsweise des Unternehmens in der Branche verschafft. Andererseits hat er häufig besonders dann Erfolg, wenn er über eine sehr gute Teamfähigkeit verfügt und es versteht, auf die Mitarbeiter des Unternehmens, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten zuzugreifen. Und eine Kernaufgabe ist natürlich die Identifikation geeigneter Investoren und die Verhandlungen mit diesen über die ganze oder teilweise Übernahme der Firma.
Was passiert mit den aktuellen Geschäftsführern? Bleiben sie an Bord?
Sie sind es, die in der jetzigen vorläufigen Verwaltung – und in den Grenzen der vom Insolvenzgericht angeordneten Sicherungsmaßnahmen – das Geschäft fortführen. Für Verfügungen über Vermögensgegenstände bedürfen sie der Zustimmung des vorläufigen Verwalters. Forderungen dürfen sie nicht einziehen. Masseverbindlichkeiten können sie nicht begründen. Das wäre übrigens bei Eigenverwaltung auf Antrag der Schuldnerin anders gewesen.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist nur noch der dann bestellte Insolvenzverwalter verwaltungs- und verfügungsbefugt. Wie weit sich der Verwalter im eröffneten Verfahren der bisherigen Geschäftsführung bedienen wird, bleibt abzuwarten. Natürlich kann und wird sich der Insolvenzverwalter mit ihr intensiv austauschen sowie informieren und ggf. beraten lassen.
Wie wird entschieden, ob das Unternehmen als Ganzes erhalten oder zerschlagen wird?
Darüber kann man leider nur spekulieren. Der Insolvenzverwalter muss sich letztendlich ein Bild von den Insolvenzursachen machen und zudem ermitteln, ob es hinreichend großes Interesse geeigneter Investoren an dem Unternehmen gibt. Im Berichtstermin, den die Insolvenzordnung vorschreibt, hat er der Gläubigerversammlung über die wirtschaftliche Lage der Schuldnerin und deren Ursachen zu berichten. Die Versammlung der Gläubiger entscheidet auf dieser Grundlage, ob das Unternehmen stillgelegt oder – ggf. ganz oder teilweise – vorläufig fortgeführt oder auch veräußert werden soll.
Die KNV-Gruppe ist ein komplexes Unternehmen und spielt eine systemrelevante Rolle für die Branche. Wie kann man das dem Insolvenzverwalter vermitteln?
Bereits aus der ersten Pressemeldung des vorläufigen Insolvenzverwalters geht deutlich hervor, dass dieser sich der Systemrelevanz von KNV für die gesamte Buchbranche von Anfang an bewusst ist. Jetzt muss er sich zunächst einmal einen Überblick verschaffen und alles sichten. Wenn er vom Börsenverein dabei Informationen und Unterstützung braucht, stehen ihm hier natürlich alle Türen offen.
Wie sollten sich Buchhändler und Verlage jetzt verhalten?
Die heute durch das Amtsgericht Stuttgart erfolgte rasche Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ist zunächst einmal ein sehr hilfreicher Schritt. Auch wenn dieser Insolvenzverwalter nach den bisherigen Anordnungen keine im eröffneten Verfahren bevorrechtigten Verbindlichkeiten für KNV begründen kann, sollte es aufgrund der alleinigen Befugnis zur Forderungseinziehung beim vorläufigen Verwalter für Verlage grundsätzlich möglich sein, weiter Ware zu liefern. Die Veräußerungsermächtigung für am Lager vorhandene Ware dürfte Bestand haben, zumal die Schuldnerin auch dazu der Zustimmung des Vorläufigen Verwalters bedarf. Die Buchhandelskunden von KNV sollten sich momentan noch mit Remissionen zurückhalten. Sobald aber Klarheit darüber besteht, ob der vorläufige Verwalter auch für daraus entstehende Ansprüche einstehen kann - insoweit kommt auch eine Erweiterung der gerichtlichen Anordnungen in Betracht-, könnte auch in dieser Hinsicht bald wieder etwas mehr Normalität in die Abläufe zurückkehren.
Welche Hilfestellungen bietet der Börsenverein?
Hier wird momentan in Vorstand, Geschäftsführung und an praktisch allen Stellen des Hauses über sinnvolle Hilfsmöglichkeiten für betroffene Unternehmen nachgedacht und vieles vorbereitet. Es ist aber einfach noch zu früh, dazu Ergebnisse zu kommunizieren. Seit gestern Morgen haben wir, vor allem in der Rechtsabteilung, in einer großen Kraftanstrengung bereits über 150 Mitgliedsunternehmen persönlich zu ihren Fragen in Verbindung mit der Insolvenz beraten. Derzeit erarbeiten wir ein Papier mit den wichtigsten branchenspezifischen Fragen und Antworten zum Thema, das wir voraussichtlich gegen Ende nächster Woche unseren Mitgliedern zur Verfügung stellen können.
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Warum aber werden solche Ereignisse nicht auch einmal dazu benutzt, diese ganzen Mechanismen und Rollenmodelle quasi "von außen" zu betrachten und zu überlegen: Sind wir wirklich noch die Guten und wollen wir wirklich so weitermachen? Sicher gibt es im Buchhandel noch immer eine spezielle Form der Solidarität, ein besonderes Gefühl des "In-einem-Boot-Sitzens", aber ist es nicht so, dass hier ein Unternehmen scheitert, dass sich durch hochriskante Entscheidungen und getrieben von dem Wunsch, die Nummer eins zu sein und auch zu bleiben, sehenden Auges selbst in eine solche Lage gebracht hat? Ist es denn wirklich so, dass wir auf Biegen und Brechen an einem System festhalten müssen, dass ein dermaßen riskantes Agieren notwendig macht?
Zugegeben, es ist eine schöne Sache, wenn ich nachmittags in eine Buchhandlung gehe und ein Buch bestelle, dass ich am nächsten Morgen versandkostenfrei im Laden abholen kann. Aber zu welchem Preis? Ist es der Kampf gegen Amazon wirklich wert, all die Werte, die auch im Buchhandel immer wieder und gerade auch jetzt propagiert werden wie Solidarität, Zusammenhalt und Nachhaltigkeit, langsam immer mehr über Bord zu werfen?
Bücher sind, ähnlich wie Lebensmittel und viele andere Dinge des täglichen Bedarfs, zu billig. Der Verkaufserlös eines Buches nach Abzug aller Kosten gibt es auf Dauer nicht her, dem Kunden alles das zu bieten, was er angeblich verlangt, und dabei anders als Amazon auch noch eine moralisch saubere Weste zu behalten. Haben Sie schon einmal überlegt, wer am Ende die Zeche zahlt? Es sind am Ende immer die, die man nicht sieht. Denn natürlich müssen auch "die Guten" von KNV auf Deibel komm raus Kosten einsparen und rationalisieren, um den Irrsinn weiter zu treiben. Warum haben denn die Zwischenbuchhändler ihre eigenen Flotten zurückgefahren? Aus dem einfachen Grund, dass Subunternehmer um ein Vielfaches billiger sind. Ähnlich wie in der Paketbranche schon lange üblich, umgeht man dabei auch noch ganz bequem die Pflicht, auf Tarifverträge und Mindestlöhne zu achten. Aber natürlich steht in den Kooperationsverträgen, dass die Subunternehmer auf diese Sachen achten müssen. Das ist bequem, und ähnlich wie in der Paketbranche gibt es auch bei den Barsortimenten viele Fahrer, die nicht einmal einen gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn dafür bekommen, dass sie zu nachtschlafender Zeit die Bücherwannen in die Buchläden schleppen. Aber man sieht sie ja nicht!
Wer hilft uns - den Allerkleinsten?
Selbst ein Investor würde sich wohl nur die Sahnestücke herauskaufen. Und dann wäre es auch nicht mehr der alte KNV.
Wir wurden als Kunde in den letzten Jahren auch nicht mehr durchweg zufriedenstellend beliefert, obwohl es sich in der letzen Zeit stabilisiert hatte. Unsere Außendienstmitarbeiterin ist allerdings wirklich sehr engagiert und freundlich. Das ist sehr schade, wenn so gute Kräfte mit in den Strudel hineingezogen werden.
Die Frage der Systemrelevanz stellt sich aber dennoch, da die 2 anderen Barsortimente wohl im Februar ihre Kapazitäten erweitern könnten, aber wie sieht es im Dezember aus?
Also Fragen über Fragen...
Solidaritätsbekundungen mit KNV sind gut, ich unterstütze diese gerne. Allerdings ist es für schnelle Aktionen zu früh. Zunächst muss der Insolvenzverwalter Stellung beziehen.
Ja, nein, jein. Viele Bücher sind zu billig, viele Bücher sind genausoviel wert wie sie kosten, viele Bücher sind zu teuer. z.B. viele politische Fachbücher kosten selbst als Softcover oft schon knapp 100 Euro.
Ich will jetzt nicht mit "zu Zeiten der DM undenkbar" kommen, weil dies auch schon 17 Jahre her ist, aber die Preise für einige Fachbücher sind schon heftig geworden.
Aber ich habe mich auch immer schon gefragt, wie es sich rechnet, wenn relativ schwere und größere Artikel, bei denen man auch i.d.R. nicht so hohe Gewinnspannen hat wie bei Arzneimitteln, sie über Nacht geliefert werden.
Für einen Teil des Angebots ist dies sicher machbar, aber selbst für Bücher die vielleicht gerade 1,2 x im Jahr bestellt werden ?
Mich erinnert der deutsche Buchmarkt an den US-Comicmarkt 1993/94.
Riesen wie Capital und Marvel gingen in die Insolvenz, noch 1 Jahr zuvor völlig undenkbar, eine seit Jahren ansteigende Titelflut, die auf immer weniger Leser trifft, alles auch verbunden mit Fehlentscheidungen der Manager. Marvel wurde nach der Insolvenz stärker als je zuvor, allerdings durch Investoren wie Revlon oder Disney, die Unmengen an Kapital investiert haben. Den Vertrieb Capital ( in der Größe für den Comicmarkt vergleichbar mit KNV+Libri zusammen ) gibt es heute gar nicht mehr. Der ganze Markt hat sich umstrukturiert. Amazon hat dann den Rest besorgt.
Ein Monopolvertrieb wie Diamond beherrscht heute 95% des Marktes. Kleine und experimentelle Hefte gibt es viel weniger als vor der Krise, meist nur noch als "Print on Demand".
Um den Bezug zu KNV herzustellen, man wird sicher die sofortige Lieferbarkeit dieser Titelflut nicht dauerhaft halten können.
Na eben, weil bei der Begründung für eine Buchpreisbindung die flächendeckende Literaturversorgung immer eine Rolle spielte und verlagsseits in die Preiskalkulation eigentlich zwingend einfließen sollte. Für einen Brief auf die Hallig zahlen Sie auch nur € 0,70, obwohl der Postbote dafür gelegentlich durchs Watt latschen muss. Aber über die über viele Jahre komplett auf allen Ebenen vergeigte Preisbildung der Verlage will ich mich an dieser Stelle noch gar nicht auslassen.
Denn eventuell erklärt sich das Scheitern KNVs neben vielen anderen Ursachen auch aus der Tatsache, dass (neben einigen Verlagshäusern) inzwischen auch Barsortimente einigen größeren Teilhabern unserer Sortimentsbranche inklusive Amazon Gesamtkonditionen (nicht nur Rabatte!) hinterherwerfen, die sich schlussendlich eben einfach nicht rechnen…
Jens Bartsch – Buchhandlung Goltsteinstraße in Köln