In jeder Antwort klang derselbe Grundton mit: Wir sind enttäuscht, kraftlos und können nicht mehr!
Auszubildende, die teilweise den ganzen Tag alleine im Laden stehen, sollen sich um alles, am liebsten gleichzeitig, kümmern. Telefon, Kund*innen und Ware verräumen, weil alle festen Mitarbeiter*innen in Kurzarbeit sind. Ansprechpartner*innen oder gar eine Betreuung vor Ort gibt es nicht.
Dazu kommt auch noch der Zeitdruck und der geforderte Effizienzgedanke. Geld und Kennzahlen scheint den meisten Unternehmen wichtiger zu sein als das Wohl seiner Auszubildenden.
Vielen Azubis wurde ihr Urlaub kurzfristig, ohne Absprache, gestrichen. Arztbesuche werden verweigert, weil sie während der Öffnungszeiten des Ladens anfielen, und eben kein Ersatz greifbar war. Ebenfalls wird erwartet, dass man auf freie Tage verzichtet, weil die doch nicht notwendig wären, immerhin sei man in einem eingeschränkten Regelbetrieb.
Pausen gibt es bei manchen auch nur dann, wenn ein/e feste/r Mitarbeiter*in dafür abgestellt werden kann. Andere wiederum haben seit Beginn der Pandemie keine ausbildungsrelevanten Inhalte mehr erhalten. Wichtige Abteilungen wurden nicht durchlaufen, Abläufe, wie Abholfach oder Remissionen wurden nicht erklärt oder gezeigt und trotzdem auf einmal eigenständig von uns verlangt.
Vielen von uns steht der Abschluss noch in diesem Jahr bevor, doch uns fehlen (prüfungs-) relevante Inhalte. Wir werden gezwungen, Azubiberichte zu verfassen, damit der Inhalt unserer Ausbildung protokolliert wird. Doch scheinbar werden diese gar nicht gelesen, denn warum fällt es dann niemanden auf, dass wir seit einem Jahr versuchen, irgendwelche Themen aus dem Hut zu zaubern bzw. aus Schulskripten abschreiben, um irgendwas hinschreiben zu können?
Jedenfalls sind wir momentan keine Auszubildenden zu Buchhändler*innen. Allerdings sind wir: Telefonist*innen, Ausliefer*innen, Kassenkräfte. Kurz zusammengefasst: „Mädchen-für-alles“, billige Arbeitskräfte, die den Laden am Laufen halten. Und als würde das nicht reichen, wird von einigen sogar verlangt, dass sie ihre Social-Media-Kanäle und die dort geposteten Inhalte vor der Teamleitung offenlegen. Um zu kontrollieren, dass nichts nach außen dringt? Wo bleiben da die Persönlichkeitsrechte? Und nein, das war kein Einzelfall!
Jens Bartsch - Buchhandlung Goltsteinstraße in Köln