Was steht für die Branche auf dem Spiel, wenn die Ausbildung im Buchhandel in ein schlechtes Licht gerückt wird?
Der Wettbewerb um Auszubildende ist schon seit längerer Zeit in vollem Gange. Dabei bewerben sich nicht nur Buchhandlungen um neue Talente, vielmehr stehen wir auch im Wettbewerb mit anderen Ausbildungsberufen und vor allem dem Hochschulstudium. Wenn sich der Eindruck verfestigen würde, dass Ausbildung im Buchhandel eher billigen Anstellungsverhältnissen gleicht denn inhaltlicher Ausbildung in einem spannenden, zukunftsorientiertem Beruf, dann ist das schlecht und vor allem auch den Absichten der Auszubildenden geradezu entgegenstehend.
Hat Sie der Brandbrief überrascht?
Ja. Wir sind mit unseren 35 Auszubildenden in regelmäßigem Austausch und haben insofern immer ein aktuelles Bild der jeweiligen Arbeitssituation. Ich halte den Brandbrief in der Form für unglücklich, das Nachwuchsparlament und die Gremien wären sicher erfolgversprechendere Adressaten gewesen. Aber ehrlich: Wer will das jemandem vorwerfen, dessen Not und Frust so groß ist?
Welche Konsequenzen sollten aus dem Brandbrief der Auszubildenden gezogen werden?
Ich bin sicher, dass viele Ausbildungsunternehmen eine sehr gute und umfassende Ausbildung durchführen, die den Erwartungen vor allem junger Menschen entspricht. Die Ausbildungswege mit den unterschiedlichen Ausprägungen, sei es Verlag, Barsortiment oder wie bei Schweitzer der Fachmedienschwerpunkt, bieten viele anspruchsvolle und unterschiedliche Lerninhalte, das gerät manchmal in den Hintergrund. Dennoch würde ich den Brandbrief aber gern als Aufforderung für uns Ausbildungsunternehmen nutzen wollen, um für das Thema „duale Ausbildung im Buchhandel“ sehr viel mehr Aufmerksamkeit zu erreichen. Das wäre eine Chance, der Öffentlichkeit zu zeigen, dass duale Ausbildung im Buchhandel weiterhin attraktiv ist. Inhaltlich attraktiv, zukunftsgerichtet über viele Medienformen hinweg, kommunikativ, sinnstiftend, und letztlich auch beim Ausbildungsgehalt erheblich besser ausgestattet als viele andere Ausbildungsberufe.
Wie sieht das konkret aus?
Unsere Aufgabe ist es uns zu hinterfragen, inhaltlich und im täglichen Umgang mit Auszubildenden. Die potenziellen Azubis können auswählen, wo sie ihre Ausbildung machen wollen. Wir bewerben uns bei den jungen Menschen mit unserem Unternehmen und unserer Unternehmenskultur, nicht umgekehrt. Wir müssen uns anstrengen!
Statt die eigentlichen Fragen zu umschiffen und Werbung für den Buchhandel als Ausbildungsberuf machen zu wollen, sollte man vlt zuerst das Problem angehen. Herr Oechtering behauptet, dass man im Buchhandel mehr Gehalt bekommt als in vielen anderen Berufen. Das stimmt mit Sicherheit. Doch nur weil man man etwas mehr Geld erhält als in manch anderem Beruf, bedeutet dies noch lange nicht, dass man von seinem Gehalt tatsächlich auch ohne Sorgen leben kann. Es gibt genügend Statistiken/Studien die zeigen, dass die Gehälter nicht in dem Maße steigen, wie es nötig wäre, um die ebenso steigenden Lebenshaltungskosten zu decken. Zusätzlich muss auch nochmal betont werden, dass die Gehälter/Löhne im Buchhandel extrem unterschiedlich gehandhabt werden und hier ebenso Auszubildende für 500 Euro netto oder weniger arbeiten. Da Buchhändler ein Beruf aus Leidenschaft ist, nehmen Viele diese fragwürdige Bezahlung hin. Dies ändert sich jedoch sobald man merkt, dass niemand hinter einem steht, wenn ein Kunde sich vollkommen daneben benimmt. Leider auch kein Einzelfall.
Außerdem ist es ein Avron gegen die Auszubildenden zu betonen, der Brandbrief sei "unglücklich" gehandhabt worden. Unglücklich ist nur, dass die Arbeitgeber in der ach sooo sozialen Buchbranche nun in der Öffentlichkeit schlecht dastehen. Ich würde aber sagen: selbst schuld.
Als Teilnehmer des Nachwuchsparlaments 2020 kann ich nämlich durchaus bestätigen, dass diese Punkte angesprochen und vorgetragen wurden. Und ich vertraue unseren Nachwuchssprechern, dass sie dies auch den entsprechenden Gremien weitergereicht haben. Aber passiert ist nichts.
Den Buchhandel als Arbeitgeber wieder attraktiv machen? Wie wäre es damit, die Azubis zu erhören und die Arbeitsbedingungen zu verändern, statt zu jammern: "aber es sind nicht alle so".
Trotzdem sollte man als Auszubildender nicht alles am Verdienst ansehen, der ja nach den Bundesländern im Tarif vom Einzelhandel verschieden ausgerichtet ist.
Als Buchhändler zählt doch viel mehr: Da ist vor allem Idealismus, Kreativität und ein Durchhaltevermögen gefragt.
Man muss zusammen mit dem Ausbilder/- in sich sozusagen für die Ziele der Buchhandlung engagieren können. Dabei geht es um das freundliche Bedienen der Kunden, sich viele Kenntnisse in der Literatur aneignen, ein Mittun bei der Gestaltung der Schaufensterauslagen und den Aktionen der Verlage.
Jedenfalls ist der Ausbildungsberuf Buchhändler/- in sehr abwechslungsreich, wenn man zusammen in der Buchhandlung ein gutes Team ist.
Und noch zum von Herrn Oechtering erwähnten ,dualen System in der Ausbildung`: Hier wirken praktisch die Buchhandlung, die Fachklasse in der Berufsschule oder der Mediacampus in Frankfurt zusammen. bei der Berufsausbildung mit. Es gibt also eine Abwechslung in der Ausbildung, die durch die Theorie, also die Vermittlung von Fachwissen am Lernort Schule und in der Praxis der Buchhandlung zusammenwirkt.
Wichtig ist vor allem, das Durchhalten, dass man bei der Ausbildung bleibt.
Und deswegen spricht Herr Oechtering auch davon: "Wir müssen uns anstrengen" .
Die Auszubildenden sollen in der Buchhandlung erfahren können, dass sie dort gut ihre Ausbildung absolvieren können und auch hier angenommen werden.
Als ein Beispiel wäre es z. B. sehr gut, wenn sich manche Auszubildende bei dem bevorstehenden "Welttag des Buches am 23. April" mit Vorschlägen in ihrer Buchhandlung einbringen könnten, wie man diesen Tag in der Buchhandlung in den Vordergrund stellen kann.
Da sind dann gute Ideen gefordert, von denen man auch als Buchhandlung profitieren kann.
Und Ideen prägen ja auch das Leben in der Buchhandlung. Man ist im übertragenen Sinn dann am Puls der Zeit.
Zugleich kommt es aber auch auf die innere Einstellung in einer Berufsausbildung an. Und da geht es dann um die Identifikation mit dem Beruf Buchhändler/- in.
Wenn dies dann alles klar ist, dann ist dies der richtige Weg.
Nur sollte man auch in der Ausbildung die Erwartungen nicht zu hoch sehen wollen.
Es kommt viel darauf auch an, dass man in einer Buchhandlung gemeinsam die gesteckten Zielvorstellungen verfolgt. Und dazu gehören auch die Gespräche mit den Kollegen/- innen und den Vorgesetzten, denn nur dadurch sind Verbesserungen auch in der Betriebskultur einer Buchhandlung möglich.
Harald Kraft