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Schluss mit dem Verschleiß

27. August 2020
von Marcus Schuster

Ein Sabbatical zu nehmen – das ist für Stefan Winners, früher Burda-Vorstand, eine der wichtigsten Entscheidungen, die er in seiner Karriere getroffen hat. Er glaubt, dass sich die Arbeitswelt grundlegend ändern wird. 

Sie sind nach 15 Jahren beim Medienkonzern Burda als Senior Advisor bei der Venture Capital Gesellschaft Lakestar tätig. Arbeiten Sie mehr oder weniger als früher?
Ich arbeite wie früher wieder Tag und Nacht. Aber ich fokussiere mich mehr auf bestimmte Tätigkeiten. 

Wie darf ich das verstehen?
Früher hatte ich diverse Aufsichtsratsmandate und bin viel gereist zu Meetings am anderen Ende der Welt. Das ist immer alles so mitgelaufen und nimmt doch irre viel Zeit in Anspruch. Nicht nur die Reisen, sondern auch weil jeder Termin vor- und nachbereitet werden will, wenn man es richtig macht. Ich plädiere dafür, dass sich jeder – nicht nur im Topmanagement – fragt, wie viel man in den Job investiert und wann es vielleicht sinnvoller ist, mal eine berufliche Möglichkeit eben nicht anzunehmen.  

Viele Menschen brauchen solche Posten auch für ihr Ego.
Das mag sein. Aber die eigene Kraft ist mit 50 eine andere als mit 40 oder 30. Die Komplexität in der Arbeitswelt hat enorm zugenommen durch die Digitalisierung und den wachsenden Wettbewerb auf einem globalen Markt. Umso mehr muss sich jeder fragen: Worauf fokussiere ich mich, wie schaffe ich den richtigen Ausgleich? 

Sie sind Ende 2019 für zweieinhalb Monate ins Sabbatical gegangen. Reicht das?
Für mich ja. Das war eine meiner wichtigsten Entscheidungen, die ich schon viel früher hätte treffen sollen. Jeder Arbeitnehmer sollte alle paar Jahre für einige Monate aus der Maschine aussteigen. Nicht nur bei einem Jobwechsel. Als Thomas Vollmoeller, der Ex-CEO von Xing, mir damals sagte, dass er seinen Vertrag nur verlängern würde, wenn er als erster TecDax-CEO ein Sabbatical machen könnte, habe ich als Aufsichtsratsvorsitzender laut gelacht. Aber sein Wunsch war richtig. 

Der Laden lief auch ohne ihn? 
Ja. Seine Aufgaben wurden während seiner Auszeit auf die anderen Vorstände verteilt. Es ist eine Frage der Einstellung, eine Frage, wie man den viel bemühten Begriff »Future of Work« definiert. Wir müssen unsere Art und Weise, wie wir mit Menschen und Ressourcen umgehen, wie wir arbeiten, überdenken.  

Die meisten wären derzeit schon froh, halbwegs unbeschadet aus der Krise herauszukommen, ohne gleich die große Revolution auszurufen.
Aber gerade durch die Pandemie ergeben sich doch große Chancen. Es gibt keine Notwendigkeit, regelmäßig für eine halbtägige Board-Sitzung nach New York zu fliegen. Ich hoffe wirklich, dass wir aus der Krise etwas lernen und mit den Umweltressourcen nicht mehr so verschwenderisch umgehen wie in der Vergangenheit – und uns dabei selbst nicht mehr so verschleißen. Das ist für alle langfristig gesünder.

Ich hoffe wirklich, dass wir aus der Krise etwas lernen und besser mit den Umweltressourcen umgehen.

Stefan Winners