Kolumne von Sarah Omphalius

Keine Angst vor Fragen im Bewerbungsgespräch

10. September 2021
Redaktion Börsenblatt

Im Bewerbungsgespräch die richtigen Fragen zu stellen, ist nicht immer leicht. Unsere Kolumnistin Sarah Omphalius erklärt, wie man sich am besten auf die Fragerunden vorbereiten kann.

Im Laufe meiner Kolumnen-Recherche über den Berufseinstieg ist mir immer wieder der Verweis auf Bewerberfragen begegnet, die nicht ernstgemeint sind. Ratgeber empfehlen, für ein Bewerbungsgespräch vorab 20 Fragen aufzuschreiben, um am Ende des Gesprächs auf die Aufforderung: „Möchten Sie noch etwas von uns wissen?“, mit einer besonderen Frage, die den Bewerbenden von anderen abhebt, glänzen zu können. Ziel der Übung scheint es nicht, sich vernünftig auf ein Vorstellungsgespräch vorzubereiten oder mehr über das Arbeitsklima zu erfahren, sondern lediglich am Ende des Interviews noch eine Frage übrig zu haben. Über die Sinnhaftigkeit dieser Empfehlung musste ich lange nachdenken. Ist denn wirklich jede Frage sinnvoll? 

Aus der Schulzeit kennt jeder vermutlich Sätze wie „Traut euch Fragen zu stellen“ oder „Es gibt keine dummen Fragen“. Und obwohl diese Aufrufe meistens die Folge hatten, dass besonders unnötige Fragen gestellt wurden, sind sie meiner Meinung nach sowohl richtig als auch unterschätzt. 

Denn jede Frage, die tatsächlich aus Unkenntnis und nicht aus Desinteresse gestellt wird, ist super, weil sich durch die Beantwortung das Wissen vermehrt. Dumm ist eine Frage nur dann, wenn der Fragende nicht die Intention hat, neues Wissen zu erlangen.

Von Menschheitsfragen und Lebensfragen

Fragen gibt es quasi in jeder Größenordnung. Die großen Menschheitsfragen Woher kommen wir? Wer sind wir? Wie sieht unsere Zukunft aus? können vermutlich nur Philosophen beantworten, wenn überhaupt. Und natürlich stellt sich jeder Mensch die zentralen Lebensfragen: Welchen Ausbildungsweg möchte ich gehen? Kann ich Familie und Karriere vereinbaren? Wie stelle ich mir die Zukunft vor? Während die großen Menschheitsfragen zwar intellektuell interessant sind, helfen sie im Alltag nicht unbedingt weiter. Die Lebensfragen können dagegen zu einem Leitfaden fürs eigene Leben werden. Sie ermöglichen es nicht nur, in einem Bewerbungsgespräch Auskunft über sich und seine Pläne zu geben, sie helfen auch dabei, an einen potenziellen Arbeitgeber die richtigen Fragen zu stellen, wie diese Ziele am neuen Arbeitsplatz zu erreichen sind.

Fragen werden heute vielfach zweckentfremdet. Manche Menschen schlüpfen in die Rolle des Fragenden, obwohl sie ganz andere Intentionen als die Suche nach Antworten verfolgen.

Beispielsweise wird die Frage in der Politik immer mehr dazu missbraucht, die besseren Argumente des Gegners in Zweifel zu ziehen – und zwar ohne Gegenargumente und Fakten. „Ich frag ja nur…“ Auch bei der Vorbereitung auf ein Bewerbungsgespräch zielt der Hinweis, viele Fragen zu stellen und sich unbedingt eine für das Ende aufzusparen, in die falsche Richtung.  Es kann nicht ausreichen, in die Pose des Fragenden zu schlüpfen, wenn dem Gegenüber deutlich wird, dass man eigentlich gar nicht an der Antwort interessiert ist – oder wenn die Fragen so weit vom Thema wegführen, dass daraus leicht erkennbar wird, dass der Fragende sich überhaupt nicht auf das Bewerbungsgespräch vorbereitet hat. Welche Bücher gibt der Verlag denn so heraus? ist sicher keine Frage, die man stellen sollte, wenn man schon zum Vorstellungsgespräch geladen ist. Diese Frage zeigt, dass man nicht einmal die Website des Verlags kurz überflogen hat und macht mit Sicherheit keinen guten Eindruck. Fragen allein kann also auch zu einem unerwünschten Ergebnis führen. 

Wie ist denn das genau?

Informiert euch vor einem Bewerbungsgespräch so umfassend wie möglich! Auf jeden Fall solltet ihr Fragen stellen – aber nur solche, an deren Beantwortung ihr auch interessiert seid. Meistens ergeben sie sich aus den Website- Einträgen. Detailfragen (Wie ist denn das genau?) können zeigen, dass ihr euch vorab informiert und mitgedacht habt. Das bringt Pluspunkte. Auch wenn man den Job oder das Praktikum schon ergattert hat, sollte man nicht aufhören, weiter Fragen zu stellen, sonst stagniert man. Die Freude an der Arbeit bleibt eher bestehen, wenn man sich durch gezieltes Fragen weiterbildet. 

Unsere Kolumnistin

Sarah Omphalius studiert seit 2018 Buchwissenschaft und Komparatistik an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Während eines Auslandssemesters an der Universidad Complutense de Madrid verschaffte sie sich außerdem Einblicke in den Studiengang der Mediendokumentation. Bei den Jungen Verlags- und Medienmenschen ist sie als Schriftführerin im Vorstand tätig und moderiert das Team des jährlich stattfindenden Weiterbildungstags. Im Börsenblatt schreibt Omphalius Kolumnen über den Berufseinstieg, die Debattenkultur und allgemeine Branchenthemen aus Sicht einer Young Professional.