Kolumne von Franziska Werum

Homeoffice heißt Dranbleiben

11. Juni 2021
Redaktion Börsenblatt

Arbeiten heißt für viele gerade Homeoffice. Das Büro ist dein Zuhause – oder anders herum? Ob Recherchen und Hausarbeiten für die Uni, Remote-Meetings in der Ausbildung, im Praktikum, im Haupt- oder Nebenjob: Daheim produktiv sein ist das Gebot der Stunde. Für junge Menschen kann das schwierig sein.

Wir jungen Leute sind darauf angewiesen, Fragen zu stellen. Stimmt nicht: Erfahrungen zu sammeln, darauf aufbauend zu lernen, welche Probleme an welcher Stelle anfallen und erst dann die richtigen, die klugen Fragen zu stellen. Bestenfalls an die korrekten Ansprechpartner.

Aber was machen wir, wenn wir unsere Ansprechpartner*innen noch nie persönlich gesehen und unseren Arbeitsplatz nie betreten haben? Wenn wir jetzt anfangen zu studieren, und keinen Anschluss finden, weil es für Persönliches keine Infrastruktur gibt? Bei Studierenden und Young Professionals in der Buchbranche stellen sich Verunsicherungen und Ängste ein. 

Digitalisierungsschub? Noch immer sind viele plan- und ratlos!

Studierende sitzen seit einem Jahr allein zuhause vor dem Laptop. In digitalen Räumen trifft man Dozierende und kleine Gruppen von Kommiliton*nnen, mit denen kaum untereinander kommuniziert wird. Die Gruppenleitungen sind selbst noch immer nicht an die neue digitale Umwelt gewöhnt und sehnen sich nach Normalität in Vorlesungssälen und Seminarräumen. Ein Jahr Pandemie hat das Homeoffice für Studierende kaum verändert – noch immer sind viele Vortragende plan- und ratlos. Wo ist da die große Digitalisierung, die angsteinflößende, allumfassende Verschluckung der normalen Welt von Robotern und Maschinen, vor der die große Angst herrscht?

Wie wird das mit der Vollzeitstellensuche laufen?

Auszubildende und Nebenjobber*innen haben es da häufig besser. Remote zu arbeiten ist – natürlich vom jeweiligen Arbeitgeber abhängig – tatsächlich möglich und im Grunde ein flexibler Bonuspunkt, der das Leben erleichtern und bereichern kann. Aber woher nehmen, wenn nicht stehlen? Erst in der vergangenen Kolumne von Sarah Omphalius haben wir gelernt, dass Jobs und Weiterbildungsmöglichkeiten wie Praktika und Co. seit 2020 für junge Menschen zumindest rar gesät sind. Und wenn wir im glücklichen Homeoffice sitzen, dann meist weil wir den Job schon hatten, bevor das alles anfing.

Vor über einem Jahr. Deswegen sind wir dankbar, arbeiten zu können. Dankbar, unsere Jobs nicht verloren zu haben. Und verängstigt was ist, wenn es an die „richtige“, die Vollzeitstellensuche geht. Ein Jahr, das ist im jungen Leben eine halbe Ewigkeit, weil unser Arbeitswert konkret an unseren Erfahrungen bemessen wird. Man schiebt die Zeit also auf. Als Nebenjobber*in im Studium erhöht man womöglich die Semesteranzahl, macht langsam, damit die Branche sich erholt hat, bevor man einsteigt. Ein Luxus, den sich nur wenige wirklich leisten können.

Corona - der Fluch unserer Generation?

Wenn man nun also dankenswerter- und glücklicherweise im Homeoffice sitzt, sollte man Beruf, Studium und Privates strikt trennen, heißt es. Gar nicht mal so leicht, wenn das eigene Zuhause, sprich das WG-Zimmer, die Ein-Zimmer-Wohnung, der Wohnheimplatz, der eine zentrale Handlungsort ist. Arbeit, Studium, Hobbies, Soziales, alles komprimiert auf die wenigen zur Verfügung stehenden Quadratmeter. Digital, remote, häufig auf engstem Raum. Viele ziehen in dieser Zeit nicht einmal aus dem Elternhaus aus, weil es finanziell und den Umständen entsprechend keinen Sinn ergibt. Dann fällt noch mehr weg: Die neue Stadt, die Abgrenzung, das erste Stück Erwachsenenlebens.

Wir sind die Corona-Generation, die aus einer verrückten Zeit heraus viel lernen musste.

Wir können diese Situation als Fluch betrachten, der unserer Generation anhängen wird. Oder wir entwerfen eigene Zukunftspläne, erlauben uns, es besser machen zu wollen. Wir sind die Corona-Generation, die aus einer verrückten Zeit heraus viel lernen musste. Digital zu arbeiten liegt uns danach hoffentlich im Blut und wir kennen eindeutig die Schwächen und Stärken, die damit einhergehen. Wir könnten selbstbewusster kommunizieren, Unterstützung fordern und Probleme ansprechen lernen. Uns in Parlamenten und Diskussionsrunden im Netz und diversen Plattformen Gehör verschaffen. Digitale Weiterbildungsmöglichkeiten außerhalb von Praktika und Co. nutzen. Wir müssen zeigen, dass wir interessiert sind.

Jetzt heißt es bittere Pillen schlucken und Alarm schlagen, wo es geht. Bis wir irgendwann wieder Teil des Ganzen sind und nicht bloß ein abkömmlicher Bonus.

Wir müssen, müssen, müssen. Weil es um unsere Zukunft geht, die wir prägen sollten, um nicht von den Vielleichts, Abers und Wenns der Zeit nach dem Homeoffice verschluckt zu werden. Und jetzt? Jetzt heißt es bittere Pillen schlucken und Alarm schlagen, wo es geht. Bis wir irgendwann wieder Teil des Ganzen sind und nicht bloß ein abkömmlicher Bonus. Und immer wieder ins Gedächtnis rufen: Wir sind die Zukunft. Das vergessen wir immer wieder.

Unsere Kolumnistin

Franziska Werum (23) lebt und studiert Buchwissenschaften in Mainz. Neben dem Studium arbeitet sie seit zwei Jahren im Bereich Marketing und Social Media bei MVB und schreibt unabhängig davon Rezensionen im Netz unter @wortesammlerin. Im Börsenblatt schreibt sie aus der Sicht der Young Professionals über die digitale Welt in der Branche, was ihr fehlt und was sie hat, über die Debattenkultur im Netz und Veränderungen, die unser Miteinander prägen.