Rudolf Oechtering zur Ausbildung bei Schweitzer Fachinformationen

"Ausbildung ist Arbeit"

1. August 2021
Stefan Hauck

Schweitzer Fachinformationen investiert viel Zeit und Energie in den Nachwuchs. Warum das dringend erforderlich ist, erläutert Rudolf Oechtering, der die Ausbildung koordiniert. 
 

Bei Ihnen merkt man deutlich: Sie »brennen« für die Ausbildung. Warum ist das Thema ein Herzensanliegen?
Zum einen, weil ich selbst eine sehr gute Ausbildung erfahren habe, vor 37 Jahren als Sortimentsbuchhändler bei Hermann Behrendt in Bonn – ebenso fordernd wie fördernd. Auf dieser Grund­lage habe ich mich in meiner beruflichen Karriere erfolgreich weiterentwickeln können. Zum anderen aber ist das Engagement für die Ausbildung eine schlichte Notwendigkeit: Wir haben vor etwa sechs Jahren bei Schweitzer die Alterspyramide der Mitarbeitenden angeschaut und festgestellt, dass wir tendenziell eher überaltert sind. Wie machen inzwischen rund 30 Prozent unseres Umsatzvolumens mit digitalen Medien, da gibt es Veränderungsdruck. Dem begegnen wir am besten, indem wir selbst ausbilden.

Weil Sie da wissen, was Sie am Ende kriegen?
Das ist der dritte Grund für unser Engagement: Wir können genau die Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln, die wir brauchen. Der Ausbildungsrahmenplan für Buchhändler und Buchhändlerinnen etwa bildet nur in Teilen ab, was wir bei Schweitzer tagtäglich tun. Er ist sehr klassisch auf eine Sortimentsbuchhandlung mit Ladengeschäft ausgerichtet. Deshalb haben wir das innerbetriebliche Ausbildungsangebot erweitert. So machen wir etwa alle 14 Tage ein zweistündiges Webinar, in dem ein Kollege oder eine Kollegin spezielle Schweitzer-Inhalte vorstellt. Da zeigen das Webshop-Team oder der Betriebsrat, wie sie arbeiten, oder Kollegen und Kolleginnen aus dem Produktmanagement erklären vertiefend unsere eigenen Produkte. Wir haben intern so viel Know-how, dass wir dieses auch vermitteln müssen.

Kümmern Sie sich vorrangig um den Standort Hamburg?
Jedes Unternehmen bei Schweitzer hat eigene Ausbildungsverantwortliche. Meine Aufgabe ist es, die Ausbildung zu koordinieren und gruppenweite Angebote für alle Standorte zu entwickeln und durchzuführen. Wir haben unsere Ausbildungspläne vereinheitlicht, damit alle Azubis dieselben Abteilungen durchlaufen. Wir haben acht Firmen in 24 Städten, und damit die Auszubildenden auch untereinander leichter in Austausch kommen, schicken wir sie zur Berufsschule an den mediacampus frankfurt.

Wie wichtig ist das Gemeinschafts­gefühl unter den Auszubildenden?
Das spielt eine große Rolle! Einmal im Jahr holen wir die Azubis für eine Woche an einem unserer Standorte zusammen, um ein Projekt mit ihnen zu machen: Es wird gearbeitet, aber ebenso wichtig ist die positive Stimmung – wie auf einer Klassenfahrt. So entsteht ein Wir-Gefühl, und wenn in der Düsseldorfer Filiale eine Stelle frei wird, traut sich ein Mitarbeitender, der in Hamburg gelernt hat, viel eher dorthin – Düsseldorf ist ihm nicht fremd, und er kennt dort schon Leute.

Wie hat sich bei Schweitzer das Bewusstsein dafür entwickelt, dass Ausbildung eine sinnvolle Investition für die Zukunft des Unternehmens ist?
Das war ein Prozess. Irgendwann haben Kolleginnen und Kollegen gemerkt: Schweitzer meint es ernst mit der Ausbildung. Und es hat ja auch für mich als Mitarbeitender Vorteile, künftige Kollegen und Kolleginnen zu bekommen, die sich gut auskennen. Oder zu sehen: Der Auszubildende oder die Auszubildende passt gut in unser Team, ihn oder sie würde ich gern übernehmen! Für manche Angebote und Neuerungen haben wir länger und intensiver werben und sie erklären müssen, inzwischen findet unser Ausbildungsangebot aber bei allen große Unterstützung. Mitunter braucht es einen längeren Atem und Überzeugungskraft.

Wenn wir ausbilden, können wir genau die Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln, die wir brauchen.

Rudolf Oechtering

In nicht wenigen Unternehmen soll die Ausbildung »so nebenbei« laufen, für Ausbildende ist kein Zeitbudget eingeplant. Wie ist es bei Schweitzer Fachinformationen?
Die Ausbildenden müssen auch Wertschätzung erfahren. Einmal im Monat telefonieren alle zwölf Ausbildenden miteinander, einmal im Jahr machen wir einen Workshop, und es wird auch jetzt nicht mehr diskutiert, wenn der Ausbildende dafür zwei Tage nicht an seinem Arbeitsplatz ist. Wir brauchen die Ausbildenden! Sie bekommen neben ihrem täglichen Tun auch Zeitkontingente für die Ausbildung, denn: Ausbildung ist Arbeit. Natürlich würden wir gern mehr Zeit für die Ausbildungs­verantwortlichen zur Verfügung stellen, wir haben noch viele Ideen für zusätzliche Ausbildungsangebote. Wir sind aber auf einem guten Weg.

Wie viele Auszubildende beschäftigt Schweitzer im Durchschnitt?
35 bis 40; pro Ausbildungsjahr stellen wir acht bis zwölf Azubis ein. Wobei jeder Standort das selbst entscheidet, und so haben wir in Hamburg sechs, in Berlin zwei und so weiter, das ist unterschiedlich. 2015 dagegen hatten wir noch Schweitzer Unternehmen, die gar nicht ausgebildet haben und keine Notwendigkeit sahen.

Wie hoch sind die Chancen, bei Schweitzer übernommen zu werden?
70 bis 80 Prozent der Auszubildenden werden übernommen. Was mich richtig freut: Aktuell sagen 90 Prozent der Azubis, dass sie gern übernommen werden würden.

Wie schwer ist es, gute Bewerbungen zu bekommen?
Das ist unterschiedlich. Und das große Thema Azubi-Recruiting sind wir bisher eher hemdsärmelig angegangen. Klar, auf den bekannten Azubi-Plattformen sind unsere Stellen zu finden, aber gezielt einzelne Interessentengruppen anzusprechen, etwa Studienabbrecher, da ist noch einiges für uns zu tun. Etliche Interessierte bewerben sich ja auch auf andere Stellen; jüngst hat sich jemand parallel zur Buchhandelsausbildung für eine Ausbildung als Polizist beworben – und ist dann Polizist geworden. Ich würde mir wünschen, dass auch die Branche noch viel deutlicher vermittelt, dass Buchhändlerin bzw. Buchhändler ein attraktiver Beruf ist und entgegen dem Mythos der schlechten Entlohnung der Azubi-Lohn auch nicht so schlecht ist.

Nehmen Sie auch Bewerber*innen mit mittlerer Reife?
Die gibt es. Aber die bevorzugten Abschlüsse sind Abitur oder Fachabitur. Für mich sind eher das Alter und die Reife entscheidend. Wir bekommen viele Bewerbungen aus Mecklenburg und Thüringen, und das bedeutet, umzuziehen und die erste eigene Wohnung zu haben, was für 16-Jährige einfach schwieriger ist. Wenn wir weiter gute – wenn nicht die besten – Azubis im Buchhandel haben wollen, muss auf Arbeitgeberseite ein Mentalitätswechsel stattfinden: Wir bewerben uns um die Azubis, nicht umgekehrt, und müssen uns attraktiv darstellen – sonst werden wir kaum noch Nachwuchs finden.

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