&Töchter zum Verlagsaus

"Wir sind oft an unsere Grenzen gestoßen"

17. Juli 2024
Marlene Münßinger

Am 11. Juli 2024 kommunizierten die Verlegerinnen Laura Nerbel, Elena Straßl, Jessica Taso und Sarah Zechel das Verlagsende von &Töchter. In unserem Interview erläutern sie Gründe für die Auflösung und sprechen darüber, welche Unterstützung sie von der Buchbranche benötigt hätten.

v.l.n.r.: Laura Nerbel, Elena Straßl, Jessica Taso, Sarah Zechel

Die gesamte Buchbranche ist immer noch bestürzt und traurig: Am 11. Juli habt ihr verkündet, dass &Töchter aufhören wird. Wie kam es zu eurer Entscheidung und wie war der Prozess dorthin? Was waren die ausschlaggebendsten Gründe für diesen Schritt?
Letztendlich ist die fehlende Finanzierung der ausschlaggebende Grund dafür, dass wir aufhören müssen. Ein kleines Programm mit 3-4 Titeln im Jahr reicht nicht aus, um vier Leuten Gehalt zahlen zu können. Auch wenn wir uns in den letzten Jahren sehr bemüht haben, konnten wir keine andere Möglichkeit der (Quer-)Finanzierung finden, die ein größeres Programm möglich gemacht hätte.

Ihr schreibt in eurem Statement, dass ihr "auch einige Fehler gemacht und unkluge Entscheidungen getroffen" habt. Welche waren das?
Es kann herausfordernd sein, den eigenen Werten treu zu bleiben, wenn die Umstände prekär sind. Wir hätten in manchen Momenten mehr auf unsere Intuition hören und nicht versuchen sollen, es anderen recht zu machen. Außerdem dachten wir, dass wir die tradierten Strukturen in der Branche einfach mal so von heute auf morgen umstürzen können. Dadurch haben wir zwar versucht, viele Dinge anders anzugehen, aber dabei sind wir oft an unsere Grenzen gestoßen.

Uns ist zu spät bewusst geworden, dass viele kleine Unternehmen in der Buchbranche nur mit Fremdkapital oder anderen Geschäftsmodellen funktionieren.

Laura Nerbel, Elena Straßl, Jessica Taso, Sarah Zechel (Verlegerinnen &Töchter)

Fünf Jahre habt ihr diese Branche durch euer vielfältiges Programm und durch eure Power mitgeprägt. Was lief rückblickend gut, was hättet ihr im Nachhinein anders gemacht?
Die Rückmeldungen von unseren Leser:innen haben uns gezeigt, dass unsere Autor:innen und wir mit den Büchern wirklich etwas bewegt haben. Wir haben dazu beigetragen, dass marginalisierte Stimmen eine Plattform bekommen und feministische Themen den Weg in die Buchhandlung und in die Regale zu Hause finden.

Wir dachten lange Zeit, dass es auch mit einem kleinen ausgewählten Programm möglich ist, das wirtschaftliche Fundament für den Verlag zu schaffen. Uns ist zu spät bewusst geworden, dass viele kleine Unternehmen in der Buchbranche nur mit Fremdkapital oder anderen Geschäftsmodellen funktionieren.

Was hättet ihr euch gewünscht und was hättet ihr gebraucht, besonders von der Branche, um eventuell doch noch weitermachen zu können?
Mehr Mut und Offenheit für feministische Themen, eine strukturelle Verlagsförderung für unabhängige Verlage und die Bereitschaft alte Strukturen loszulassen.

Welche Schritte werdet ihr jetzt noch bis zur endgültigen Verlagsauflösung gehen? Habt ihr im Moment noch offene Projekte, die ihr zu Ende bringen werdet?
Wir werden die Bücher in den nächsten Monaten noch über den Handel und unseren Onlineshop verkaufen. Neue Projekte wird es nicht geben. Am Ende werden wir eine große Abschiedsparty schmeißen.

Bleibt mutig und traut euch weiterhin radikale und feministische Bücher abseits vom Mainstream zu verlegen.

Laura Nerbel, Elena Straßl, Jessica Taso, Sarah Zechel (Verlegerinnen &Töchter)

Was möchtet ihr anderen unabhängigen Verlagen in der Buchbranche noch mitgeben?
Bleibt mutig und traut euch weiterhin radikale und feministische Bücher abseits vom Mainstream zu verlegen. Die Buchbranche braucht euch. Ihr seid das Fundament unserer literarischen Vielfalt!

Was nehmt ihr aus der 5-jährigen Ära von &Töchter alles mit?
Die Freundschaft zwischen uns vieren, unzählige schöne und lustige Momente, wunderbare Begegnungen mit vielen tollen Menschen und natürlich unsere 10 Bücher.

Wie geht es jetzt bei euch jeweils weiter? Bleibt ihr Teil der Branche?
Wie es bei uns allen weitergeht, ist noch offen. Manche von uns werden in der Branche bleiben, manche wird es woanders hin verschlagen.