Deutscher Buchpreis 2021

Was die Medien von der Longlist halten

25. August 2021
Redaktion Börsenblatt

Vielfältig und ausgewogen – so lautet das überwiegende Urteil der Kulturseiten zur Longlist des Deutschen Buchpreises. Wie in den Vorjahren werden allerdings hoch gehandelte Kandidatinnen und Kandidaten vermisst.

Eine sehr gründliche Analyse der Longlist für den Deutschen Buchpreis legt einmal mehr Andreas Platthaus vor. "Alles ist wohlig ausgewogen-unentschieden", meint der Literaturchef der "FAZ", vermisst aber eine gewisse Prägnanz: "Der in vier Wochen anstehenden Shortlist von dann noch sechs Titeln wäre eine Zuspitzung aufs literarisch Anspruchsvolle zu wünschen, um das Profil des Deutschen Buchpreises zu schärfen."

Platthaus zählt – wie viele andere Pressevertreter auch – die Liste unter Gender- und Diversitätsgesichtspunkten aus. Da gibt es aus seiner Sicht und der der meisten Kommentatorinnen nichts zu bemängeln. Marie Schmidt spricht in der "Süddeutschen" von einer "vorbildlich ausgewogenen Longlist". "Den Vorwurf, der in diesem Jahr die Jury des Leipziger Buchpreises traf, Autorinnen und Autoren diverser kultureller Hintergründe auszuschließen, muss sich diese Jury nicht machen lassen", so Schmidt.

Dominanz der großen Verlage

Was aber Platthaus und seinen Kolleginnen auffällt: In diesem Jahr seien überproportional viele Konzernverlage vertreten, dafür nur wenige unabhängige wie Matthes & Seitz und Leykam. Allein sieben der 20 Titel stammen aus Holtzbrinck Verlagen (S. Fischer, Kiepenheuer & Witsch, Rowohlt), nur einer aus der Verlagsgruppe Penguin Random House (Penguin), und mehrere aus den Hanser Verlagen (Hanser, Zsolnay) und von Suhrkamp.
 

Gerrit Bartels geht im "Tagesspiegel" ebenfalls auf die Kontroverse um den Leipziger Buchpreis in diesem Frühjahr ein und kommt zu der Einschätzung, dass sich die Frankfurter Jury "in dieser Hinsicht keine Blöße gegeben" habe. Zahlreiche Romane auf der Longlist erzählten Migrations- und Emanzipationsgeschichten. Schön sei insbesondere, dass Henning Ahrens mit „Mitgift“, Gert Loschütz mit „Besichtigung eines Unglücks“, Thomas Kunst  mit "Zandschower Kliniken“, Ferdinand Schmalz mit „Mein Lieblingstier heißt Winter“, Peter Karohsi mit „Zu den Elefanten“ und Dietmar Dath mit „Gentzen oder: Betrunken aufräumen“ nominiert worden seien, so Bartels. "All diese Autoren schreiben eine mitunter eigenwillige Prosa jenseits literarischer Moden."

Vielfalt und Ausgewogenheit der Liste bringt die "Frankfurter Rundschau" unter der Überschrift "Realistisch" auf folgende Formel: "Insgesamt sucht die Liste den Ausgleich zwischen Leichtgängigem und Verschlossenem, zwischen Männern und Frauen, zwischen Herkünften und Identitäten von Autoren und Autorinnen, ferner zwischen sehr dünnen und sehr dicken Büchern (Goldschmidt versus Dath). Das wirkt nicht vorsichtig, eher realistisch. Echte Außenseiternominierungen haben es im Realismus allerdings schwer."

"Kein Futter für einen Shitstorm"

Mit der "betont ausgewogen" zusammengestellten Longlist hadert Iris Hetscher in den "Bremer Nachrichten". "Elf mal männlich, acht mal weiblich, einmal divers; weiß, nicht-weiß, jung, alt. Geschichtswälzer sind nominiert, Familienromane, Bücher, die sich mit Identitätsfragen auseinandersetzen, Surreales. Kein Futter für einen Shitstorm. Genau wegen dieser Kuscheligkeit muss die Frage erlaubt sein, wie stark die Jury darauf geachtet hat, jeglichen Unmut zu vermeiden. Eine Zeitgeist-Zwangsjacke wäre genauso unpassend für die Debatte über deutsche Gegenwartsliteratur wie das Ignorieren neuer Strömungen und Autoren."

Wer auf der Liste fehlt

Bezeichnend ist in den Augen mancher Kritiker nicht nur die Liste selbst, sondern die Abwesenheit wichtiger Autorinnen und Autoren, die in diesem Jahr hochkarätige Bücher veröffentlicht haben. Andreas Platthaus nennt hier Judith Hermann ("Daheim"), Eva Menasse und Jenny Erpenbeck. "Menasse und Erpenbeck haben so etwas wie den Buchpreisfluch auf sich geladen. Egal, wie sehr ihre Bücher gepriesen und gekauft werden, sie bekommen den Preis nicht."