Was halten Sie von der Frauenquote?
Ich bin davon überzeugt, dass sie solange notwendig ist, bis ein grundsätzliches Umdenken in den Chefetagen vieler großer Unternehmen und auch gesellschaftlich stattgefunden hat. Allerdings muss auch berücksichtigt werden, dass es Bereiche gibt, in denen qua Interesse und Ausbildung einfach weniger Frauen arbeiten genauso wie umgekehrt z.B. in den Kinderbuchlektoraten zu über 90 Prozent Frauen. Stellen Sie sich vor, ich wäre gezwungen, Führungsposten im Lektorat mit Männern zu besetzen. Die Auswahl wäre extrem mager…
Da wir mit Freiwilligkeit in den DAX-Unternehmen fast gar nichts erreicht haben, freue ich mich durch den neuen Gesetzentwurf auf mehr Vielfalt in den Vorständen und darauf, dass Frauen in absehbarer Zeit nur noch über ihre Qualifikation in die Führungsebenen gelangen und keine Diskussion mehr darüber notwendig ist. Nichts wäre kontraproduktiver für die Gleichberechtigung als der Vorwurf, FRAU wäre nur aufgrund der Quote in die Position gelangt. Dann hätte das Gesetz den Frauen einen Bärendienst erwiesen.
Würden Sie sich in der Verlagsbranche mehr Frauen in den Chefsesseln wünschen?
Da hat sich in den vergangenen Jahren zum Glück eine ganze Menge getan und wir sind auf einem guten Weg. In der Kinderbuchbranche gab es traditionell immer schon viele weibliche Führungskräfte. Ich habe den Eindruck, dass die Erwachsenenbuchverlage da jetzt auch langsam landen.
Verwundert hat mich schon immer, dass z.B. in der Belletristik gerade auch Programmbereiche oft von Männern geleitet wurden, obwohl es so wenig Lektoren und so unglaublich viele Lektorinnen gibt. Dieses Missverhältnis scheint sich deutlich zu verbessern.
Haben es Frauen nach wie vor schwerer, in der Buchbranche eine Führungsposition zu bekommen? Wo liegen die Stolpersteine?
Da wir in unserer Verlagsgruppe einen über 80%igen Frauenanteil in Führungspositionen haben, gibt es bei uns diese Stolpersteine definitiv nicht. Wir beobachten allerdings, dass nicht alle Frauen bereit sind, die Verantwortung einer Führungsposition zu übernehmen. Ganz einfach, weil sie andere Schwerpunkte für sich und ihr Leben setzen und das ist auch völlig in Ordnung.
Es gibt Frauen, die Abteilungen leiten und gleichzeitig einen Großteil der Verantwortung zuhause mit der Kindererziehung, dem Haushalt und allem was dazu gehört schultern. Früher sagte man, man brauche ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen. Heute wird von den Frauen erwartet, dass sie berufstätig sind, ohne dass sich das Bewusstsein der Gesellschaft dahingehend gewandelt hätte, dass Männer auch im Haushalt und der Kindererziehung gleichberechtigt bzw. gleichverpflichtet sind, dass Strukturen geschaffen werden, die es den Frauen ermöglichen, ohne schlechtes Gewissen der hohen Verantwortung im Beruf gerecht zu werden.
Das ist nicht zuletzt eine gesellschaftliche Aufgabe: eine Nachmittagsbetreuung in einer Schule reicht nicht, sie muss qualifiziert sein (Ganztagsschulen bieten oft Nachmittagsbetreuung an, die dann aber vielfach von nicht entsprechend ausgebildetem Personal übernommen wird) und ein Essen anzubieten reicht leider auch nicht solange es nicht die Mindestanforderungen an gesundes Essen erfüllt (die Schule meines 15jährigen Sohnes hat es seit 10 Jahren nicht hinbekommen, ein gesundes Essen zu organisieren). Es muss endlich verstanden werden, dass Kinder unser Kapital von morgen sind und dass der Anspruch an das, was Frauen leisten sollen, nicht ins Unermessliche gesteigert werden kann.
Die Emanzipations- und Gleichberechtigungsbewegung der 70er und 80er Jahre haben dazu geführt, den Frauen v.a. eine Erwartungshaltung zu vermitteln, der sie entsprechen wollen und es auch oft müssen, da ein Einkommen häufig nicht ausreicht, um eine Familie zu ernähren. Jetzt ist es Zeit, ihnen im übertragenen Sinne ein Dorf zu bauen, damit es nicht irgendwann noch stärker als bis jetzt heißt: Kind oder Karriere!
In den Geschäftsführungen der 100 größten deutschen Familienunternehmen arbeiten nur knapp sieben Prozent Frauen (30 Frauen und 406 Männer; Studie Albright-Stiftung). War Ihr Weg vorgezeichnet? Wie haben Sie es geschafft?
Ich bin Enkelin der Verlagsgründerin und bin in einem Unternehmerhaushalt groß geworden, was das unternehmerische Denken und v.a. ein sehr starkes Verantwortungsgefühl geprägt hat. Meine beiden Brüder waren zunächst im Fokus, was die Unternehmensführung anbelangt. Beide haben eine kaufmännische Ausbildung absolviert und beide haben das Unternehmen eine Zeit lang geführt und sich dann selbständig aufgestellt. Gemeinsam mit meinen beiden männlichen Co-GFs habe ich die Verantwortung übernommen und eine vielleicht weiblichere Führungsstrategie gewählt: teamorientierter und agiler. Verantwortung wird auf mehr Schultern verteilt.
Wie fördern Sie Frauen in Ihrem Unternehmen?
Flexible Arbeitszeiten, Homeofficemöglichkeiten und „immer ein offenes Ohr“.
Wie wichtig ist Diversität in Führungsetagen von Verlagen und Buchhandlungen – auch für eine erfolgreiche Programmpolitik / den Erfolg des Unternehmens?
Dieses Thema wird immer wichtiger und wir bespielen es inhaltlich auf vielen Ebenen: Im Bilderbuch bei Ellermann, z.B. „Zwei Mamas für Oscar“ von Susanne Scheerer und Annabelle von Sperber oder „Wau Wau Miau“ von Blanca Lacasa und Ana Gomez. Bei Dressler erscheint im April „Feminism is for everyone. Argumente für eine gleichberechtigte Gesellschaft” von Laura Hofmann, Felicia Ewert und Fabienne Sand. Und im Juli erscheint bei Migo „Was ist eigentlich dieses LGBTIQ*? Dein Begleiter in die Welt von Gender und Diversität“
Was die Führungsetagen angeht sollten wir dahinkommen, dass das Geschlecht überhaupt nicht mehr thematisiert werden muss, weil es natürlich immer nur um die Person und deren Kompetenz gehen darf.
Was hat sich verändert, wenn Sie auf Ihre eigene Berufslaufbahn zurückblicken?
Ich habe mein Berufsleben 1996 im Verlag für Kindertheater gestartet und war bei der ersten Verlegerverbandssitzung des Deutschen Bühnenverlegerverbandes. Außer einer etwas älteren Dame eines Musikverlages war ich die einzige Frau weit und breit. Ich kam frisch von der Uni und dachte, die Branche hätte etwas mit Kreativität und Kunst zu tun und traf auf Anzug- und Schlipsträger, die mich ansahen als sei ich ein fremdes Tier, das einem Zoo entflohen ist. Rückblickend hat sich eine Menge verändert. Auch in den Betreuungsmöglichkeiten für Kinder. Damals gab es noch keinen Anspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz und ein Beamter einer Behörde, den ich wegen eines Kinderkrippenplatzes anflehte, sagte mir wortwörtlich: „Was wollen Sie arbeiten? Ihr Mann verdient doch genug. Sie nehmen einem anderen den Arbeitsplatz weg.
Es hat sich zum Glück schon eine Menge getan und Frauen treten viel selbstbewusster auf, stehen für sich und ihre Interessen ein, gehen selbstverständlich in Gehaltsverhandlungen.