Die Sonntagsfrage

Warum hat Audiobuch jetzt doch einen starken Partner gebraucht, Frau Zimber?

29. August 2021
Redaktion Börsenblatt

Corinna Zimber hat ihren 1994 gegründeten Hörbuchverlag Audiobuch nach 27 erfolgreichen Jahren an SAGA Egmont verkauft. Damit ist einer der letzten unabhängigen Hörbuchverlage unter ein Konzerndach gezogen. Warum es gerade für Hörbuchverlage ohne starken Partner nicht mehr zu schaffen ist, erklärt Corinna Zimber in der Sonntagsfrage.  

Audiobuch hatte in den vergangenen 27 Jahren viele starke Partner: Allen voran unsere fabelhaften Autoren und Sprecher, bei denen ich mich für die großartige Zusammenarbeit herzlich bedanke! Aber natürlich zielt die Frage auf etwas anderes. Zur Beantwortung muss ich kurz ausholen: Die Digitalisierung schreitet voran und dies hat sich für die Hörbuchverlage in Corona-Zeiten als Segen erwiesen. Während der Buchhandel hauptsächlich auf Neuheiten setzen muss, bietet der Digitalmarkt Backlisttiteln ebenfalls eine Chance. Die Rolle der viel gescholtenen Streaming-Anbieter sehe ich dabei durchaus positiv. Darüber hinaus eröffnen sie den Hörbuchverlagen eine größere Unabhängigkeit gegenüber dem einzig relevanten Downloadportal Audible.

Früher gab Audible/Amazon auf dem digitalen Hörbuchmarkt die Regeln (und Konditionen) vor, heute haben die Streaming-Umsätze die Download-Umsätze deutlich überholt. Professionelle Aggregatoren wie Zebralution leisten hier hervorragende Arbeit. Auch wenn die Einzelerlöse pro Stream (zu) niedrig ausfallen, verschafft das Streaming den Hörbuchverlagen ganz neue Marketing- und Vertriebs­möglichkeiten. Um die Datenflut in den Griff zu bekommen, musste AUDIOBUCH allerdings auch die Entwicklung neuer Softwareprogramme (Titeldatenbank etc.) anstoßen. Der Programmierer Daniel Berger (Fabrik Neue Medien, Berlin) hat für uns hervorragende Lösungen erarbeitet. Doch die Datenverarbeitung wird künftig immer anspruchsvoller werden: Vermutlich erhält die Hörbuchbranche in Zukunft dank professioneller Datenerhebung und -auswertung noch viel bessere Vermarktungs- und damit Umsatzchancen. Kontinuierliche Investitionen in IT sind unausweichlich. Ob das unabhängige Hörbuchverlage auf Dauer alleine leisten können, weiß ich nicht.

Die Rolle der viel gescholtenen Streaming-Anbieter sehe ich durchaus positiv.

Die Digitalisierung bietet auch Autoren neue Möglichkeiten. Sie sind – mit gutem Recht – anspruchsvoller geworden und verlangen auf verschiedene Weise präsentiert zu werden, nicht nur im Buch und Hörbuch, sondern auch auf Social-Media-Kanälen und im Podcast. Eine Herausforderung für alle Verlage.

Gerade die Podcasts sind immer noch „Geldschluckmaschinen“. Ich habe mich intensiv mit dem Thema befasst, und bin zu dem Schluss gelangt, dass derzeit für einen Verlag wie AUDIOBUCH keine monetarisierbaren Modelle existieren. Die Konkurrenz ist zu groß und kommt zu billig daher. So bieten z.B. die öffentlich-rechtlichen Rundfunk­anstalten sehr viele, sehr gut produzierte Podcasts kostenlos und werbefrei an. Diese und andere Podcasts rauben dem Kunden vor allem eines: Zeit. Davon gibt es bekanntlich nur 24 Stunden pro Tag. Wer Podcast hört, hört nicht Hörbuch.

Doch die Rundfunkanstalten sind nicht die einzigen öffentlich-rechtlichen Mitbewerber um die Gunst der Hörer. Auch die Online-Ausleihe der öffentlichen Bibliotheken hat in Corona-Zeiten so zugenommen, dass hier über ganz neue Vertragsmodelle nachgedacht werden sollte. Eine Abrechnung pro Download/Stream des Bibliotheknutzers wäre m.E. angemessen und fair.

Im Hinblick auf den physischen Markt wurde ja schon lange das Ende der CD-Verkäufe prophezeit, was dank engagierter Vertreter und Buchhändler verhindert werden konnte. Aber natürlich wird sich der CD-Markt künftig verkleinern und damit ein lukrativer Umsatzbringer für die Hörbuchverlage schrumpfen. AUDIOBUCH konnte bisher bei den Lizenzgebern damit punkten, dass die Lesungen (nicht immer, aber) oft auch auf MP3-CD publiziert wurden. Diesen Part soll künftig steinbach sprechende bücher übernehmen.

Da die Buchverlage ihre Hörbuchrechte inzwischen häufiger selbst auswerten, wurde es in letzter Zeit schwieriger interessante Lizenzen zu erwerben. Schwieriger, aber nicht unmöglich: Es gelang immer wieder, Schätze aus dem Meer der Neuerscheinungen zu heben.

Es gelang immer wieder, Schätze aus dem Meer der Neuerscheinungen zu heben.

An dieser Stelle möchte ich „meinen“ Lizenzgebern in den Buchverlagen sehr herzlich für die freundschaftliche Zusammenarbeit danken. Es ist dabei in vielen Fällen eine Verbundenheit entstanden, die über das Alltägliche weit hinaus reicht. Die Gespräche über aktuelle Themen und Trends werde ich sehr vermissen.

Auch der vertrauensvolle Umgang mit den AUDIOBUCH-Kollegen Ilse Laubis, Maik Reumann und Julian Wollny wird mir fehlen. In einem kleinen Team muss man sich aufeinander verlassen können – und das konnte ich blind! Es war deshalb meinem Mitgesellschafter und mir sehr wichtig, dass der Käufer auch den AUDIOBUCH-Mitarbeitern eine neue Verlagsheimat bietet. Dies ist mit dem Verkauf an SAGA geglückt! Hinzukommt dass SAGA zur Egmont Foundation gehört, die einen erheblichen Teil ihrer Erlöse für karitative Zwecke spendet. Das machte uns SAGA Egmont von Anfang an sympathisch.

Noch fällt es mir schwer loszulassen, aber ich bin sicher, dass mit Thilde Pfeifer und Lasse Horne von SAGA Egmont zwei hoch engagierte Hörbuchfreunde das Ruder bei AUDIOBUCH übernehmen. Ich wünsche ihnen viel Erfolg!

Und nun? Tja, erstmal Durchatmen bei Spaziergängen im Schwarzwald mit Dackeldame Bonnie. Meine Familie witzelt schon, ich hätte ja jetzt Zeit den Hund zu erziehen. Aber versuchen Sie das mal bei einem Dackel …