Für die FAZ hat Odette Lehman (Droste-Hülshoff- Gymnasium, Berlin) die Berliner Verlegerin Britta Jürgs besucht. Sie findet Regale vor, die sich bis zur Decke erstrecken, mit Büchern, die von Frauen geschrieben wurden. Kein Zufall: Denn Britta Jürgs verlege ausschließlich literarische Werke von Autorinnen. Das sei nicht etwa eine radikalfeministische Maßnahme, sondern ein Versuch, das Vergessen aufzuhalten und den literarischen Kanon mit ungehörten Stimmen aufzufrischen.
Als 32-jährige Literaturwissenschaftlerin und Kunsthistorikerin hatte Britta Jürgs 1997 ihren AvivA-Verlag gegründet – vor 25 Jahren. Sie erzählt von den Anfängen des Verlags und dem ersten Programm unter anderem mit einem Porträtband surrealistischer Künstlerinnen. Ihr gehe es darum, die Schriftstellerinnen der Geschichte zu würdigen, wie dies auch mit den männlichen Kollegen getan werde. Im Bereich der Literaturgeschichte und im Kanon der Klassiker gebe es ganz große Lücken, so Jürgs – die in ihrem Verlag den Fokus auf Autorinnen der 1920er- und 30er-Jahre legt. Es seien vergessene Werke, die sie wieder ans Licht bringt, in denen vergessene Autorinnen ihre vergessenen, aber dennoch zeitlosen Geschichten erzählen.
Wie entscheidet sie, ob sie ein Buch verlegt? Oft aus einem
Bauchgefühl heraus, "so wie man sich auch ein Buch zum Lesen aussucht". Gerade deswegen zeige sie sich unheimlich begeistert von ihren "Herzensbüchern" – und erzählt über einige Beispiele und Fundstücke.
Der AvivA-Verlag trägt die weibliche Form des hebräischen Wortes für "Frühling" als Namen – ein Schwerpunkt sind daher deutsch-jüdische Autorinnen des frühen 20. Jahrhunderts. "Ich finde das Thema der Verantwortung für den Nationalsozialismus und das, was er angerichtet hat, sehr wichtig und auch das Erinnern daran", so Jürgs.
Die Bezeichnung "Frauenliteratur" lehnt Jürgs ab, da damit eine konsequente Abwertung des schriftstellerischen Schaffens von Autorinnen verbunden sei. Wer von Frauenliteratur spreche, impliziere damit häufig, dass die betroffene Literatur kitschig, nicht ganz seriös und insgesamt "weniger anspruchsvoll" sei.
Der Artikel "Herzensbücher" (hinter der Zahlschranke), ist am 20. Februar erschienen.