Independent Verlage

Visuelles Verlagswesen

19. März 2021
Nils Kahlefendt

Der älteste ist seit 40 Jahren im Geschäft, der jüngste seit 2011:
Hier stellen sich vier Independent-Verlage vor, die Pionierarbeit auf dem Markt für Comics und Graphic Novels leisten. 

Die Zürcher Edition Moderne, Reprodukt, Avant und der JaJa Verlag haben mit ihren Autor*innen und Büchern nicht nur die deutsche Bandes-dessinées-Szene bereichert, sondern auch die Beliebtheit von Comic und Graphic Novel gesteigert. Ein Blick in die Programme, auf Verkaufszahlen und verlegerische Neugier.
 

EDITION MODERNE

Es gibt Legenden, die lange Schatten werfen. Julia Marti und Claudio Barandun, die Ende 2019 als neue Doppelspitze der Edi­tion Moderne die Verleger-Ikone David Basler beerbt haben, wirken nicht eingeschüchtert: »Wenn man durch den Neuschnee läuft, kann das anstrengend sein. In diesem Fall sind die großen Fußstapfen, in die man tritt, eine Erleichterung. Es fühlt sich großartig an.« Die Nachfolgeregelung bei der Zürcher Edition Moderne, dem wohl prägendsten deutschsprachigen Comicverlag, der in diesem Jahr seinen 40. Geburtstag feiert, ist ein seltener Glücksfall. Es waren Bücher der Edition Moderne, »Persepolis« und Tardis »Brücke im Nebel«, die Marti und Barandun als Jugendliche schwer erwischten. Über Praktika stießen die angehenden Grafikdesigner später zur Redaktion des Comicmagazins »Strapazin«, damals noch unter einem Dach mit der Edition Moderne. Dort ­wurde David Basler auf die beiden aufmerksam: Gestalter, die die ihnen anvertrauten Bücher lesen, gibt es nicht so häufig.

Basler, der im vergangenen Jahr zur digitalen Ausgabe des Erlanger Comicsalons für sein Lebenswerk geehrt wurde, bleibt den neuen Chefs als Freund und Senior Consultant erhalten. »Dieses System lässt sich ohne David nicht fortführen«, erklärt Claudio Barandun. »Deshalb sind wir gerade dabei, unsere Struktur neu zu erfinden.« Um die Kontinuität der Edition Moderne zu wahren, braucht es Baslers Neugier – die bringen seine Nachfolger mit. Durch ihre berufliche Entwicklung sind beide für visuelle Verführungen offen – und ihre Jugend wird, vielleicht schneller, als man das ahnte, zu einem Generationswechsel bei Autoren und Künstlerinnen des Verlags führen. Im Jubiläumsjahr gelingt der Spagat zwischen Verlagstradition und Aufbruch zu neuen Ufern ziemlich souverän: Da gibt es zum einen vergriffene Titel in überarbeiteten Neuauflagen, so etwa Marjane Satrapis Weltbestseller »Persepolis«, zum anderen ein sehr junges, weibliches Programm.

Am deutlichsten wird die Handschrift der neuen Verleger in der raffinierten Ausstattung, in der Sorgfalt, mit der Format, Typografie und Materialien gewählt werden. Bücher wie das ­wilde Debüt der Leipziger HGB-Absolventin Lina Ehrentraut (»Melek + ich«) funktionieren da auch als handschmeichelnde Kunstobjekte. »Wir behandeln die Bücher noch individueller«, bestätigt Barandun, »das ist Know-how, was wir mitbringen.« Die Jubiläumsausstellung zum Fumetto-Festival, das heuer als Hybridausgabe stattfindet, ist gestrichen. »Unser Programm ist das Geburtstagsfest«, lacht Julia Marti. Sich selbst haben die Verleger eine frische Website spendiert. Und den Umzug ins neue Domizil im Kreis 5, ums Eck von Ricco Bilgers Buchhandlung sec52. Es ist – als Büro, Laden und Eventlokal in einem –  ein tolles Schaufenster für den Stadtraum.

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