Piper-Verlegerin Felicitas von Lovenberg über Geschlechtergerechtigkeit

"Vielleicht braucht die Buchbranche bald eher eine Männerquote"

26. Februar 2021
Sabine Cronau

Als Piper-Verlegerin Felicitas von Lovenberg 2016 vom Journalismus in die Buchbranche wechselte, fühlte sie sich wie in einer anderen Welt: Plötzlich traf sie auf starke Frauenfiguren in den Führungsetagen. Vor allem die Bonnier-Verlage sieht sie beim Thema Geschlechtergerechtigkeit weit vorn - wohl auch dank des schwedischen Mutterkonzerns.

Haben es Frauen nach wie vor schwerer, eine Führungsposition zu bekommen?

Mein Eindruck ist: Die Buchbranche muss gar nicht so selbstkritisch sein, sondern darf auch mal etwas Stolz zeigen. Denn andere Branchen hinken uns meilenweit hinterher. Ich kam vom Journalismus, von der patriarchalisch geprägten „FAZ“ in die Verlagsbranche – und fand mich plötzlich in einer neuen Welt wieder, wo es starke Frauenfiguren wie Siv Bublitz, Doris Janhsen oder Renate Herre in Führungspositionen gab.

Bonnier versucht, seine Verlage an der Spitze nach dem Yin- und Yang-Prinzip zu besetzen.

Felicitas von Lovenberg, Piper-Verlegerin

Wie erleben Sie die Personalpolitik bei Bonnier? Dort sitzen 5 Frauen und 13 Männer auf den Führungsetagen der Verlage – und die drei Management-Positionen auf Konzernebene sind männlich besetzt….

Bonnier versucht, seine Verlage an der Spitze nach dem Yin- und Yang-Prinzip zu besetzen, mit einer männlichen und einer weiblichen Führungskraft. In vielen Häusern gelingt das auch – und manche, wie Ars Edition, haben heute eine weibliche Doppelspitze. Als mir Christian Schumacher-Gebler vor fünf Jahren den Job bei Piper angeboten hat, war meine Tochter keine zwei Jahre alt. Zweifel, ob ich die Verlagsleitung mit Familie bewältigen kann, haben in unserem Gespräch überhaupt keine Rolle gespielt. Christian Schumacher-Gebler hat selbst kleine Kinder und ruft schon mal vom Spielplatz aus an. Er führt durch Vorbild. Und wenn eines meiner Kinder in der Videokonferenz auf meinen Schoß klettert, lachen alle. Das ist Teil der neuen Normalität. Das frauen- und familienfreundliche Klima wird sicher ein Stück weit auch durch den schwedischen Mutterkonzern geprägt. Piper jedenfalls hat mehr Frauen als Männer im Führungskreis, auch solche in Teilzeit.

Würden Sie sich mehr Verlegerinnen in Deutschland wünschen?

Es gibt ja schon viele! Bonnier gehörte, als ich zu Piper kam, zu den Pionieren, doch mittlerweile haben auch die anderen Verlagskonzerne wie Holtzbrinck viele Frauen in die Führungsriege geholt. In der Buchbranche ist in den vergangenen Jahren einfach eine Menge passiert. Natürlich gibt es immer Luft nach oben, aber ich sehe beim Thema Frauenquote keinen „Painpoint“ der Verlagsbranche. Wir brauchen vielleicht bald eher eine Männerquote… (lacht).

Wie wichtig ist Diversität in Programmteams und Führungspositionen?

Sehr wichtig und zunehmend wichtiger, wobei das nicht nur für Genderfragen gilt. Blickt man auf alle Verlagsebenen und auf den Buchhandel – dann sind Frauen in der Überzahl. Aber auch, wenn Frauen mehr Bücher kaufen und lesen: Warum sollte nur eine Frau wissen, was Frauen wollen? Die Freude und Empathie, sich in andere hineinzuversetzen, zeichnet unsere Branche ja geradezu aus! Wir brauchen eine Vielfalt der Perspektiven und kulturelle Offenheit - unsere Buchprogramme machen es ja schon vor.

Ich bin kein bedingungsloser Homeoffice-Fan. Wenn jetzt alle dauernd zuhause bleiben wollen, ist das eine gefährliche Entwicklung.

Felicitas von Lovenberg

Ist das Homeoffice in der Corona-Krise eine Karrierefalle oder eher eine Chance für Frauen?

Ich bin kein bedingungsloser Homeoffice-Fan. Wenn jetzt alle dauernd zuhause bleiben wollen, ist das eine gefährliche Entwicklung für ein Unternehmen. Die Verbindlichkeit nimmt ab. Trotzdem eröffnen sich durch die Flexibilität neue Chancen, gerade für Familien. Das Vorurteil, dass daheim weniger gearbeitet wird, ist ausgeräumt. Frauen müssen allerdings nach wie vor aufpassen, dass sie sich nicht die ganze Doppellast aus Arbeit und Kinderbetreuung aufbürden. Wenn es nötig ist, spreche ich Kolleginnen ganz offen darauf an, ob es keine Möglichkeit gibt, sich die Familienaufgaben mit dem Partner zu teilen.

Führen Frauen anders – oder ist das eine Frage der Persönlichkeit?

Vermutlich ist es in erster Linie eine Frage der Persönlichkeit. Trotzdem muss ich bei diesem Thema immer an den Spruch von Christine Lagarde denken: „Die Lehmann Sisters hätten ein anderes Ende genommen als die Lehmann Brothers.“ Da ist sicher was dran. Frauen führen wohl anders, machen aber nicht immer alles besser. Sie sind oft kommunikationsintensiver. Das kann Entscheidungsprozesse mitunter auch verlangsamen.

Die Branche hat mit Ecco (HarperCollins) jetzt den ersten Verlag, der nur Bücher von Frauen für Frauen macht, über alle Verlagsebenen hinweg. Was halten Sie davon?

Mir widerstrebt jegliche Form von Ghettoisierung. Trotzdem finde ich das Projekt spannend und mutig. Es ist für Verlage heute so schwierig, ein Profil zu bekommen. Wahrscheinlich ist das Frauenprinzip eine Superidee für die Unterscheidbarkeit im Markt. Wie und ob diese Idee dann auch bei den Leserinnen ankommt, ist sicher eine andere Frage. Ich würde aufgrund des Zeitgeistes aber vermuten, dass viele den Gedanken genau richtig finden.

Mehr zum Thema

Eine ausführliche Analyse zum Thema Frauenquote und Geschlechtergerechtigkeit in der Buchbranche lesen Sie im aktuellen Börsenblatt (Heft 8 / 2021). Dass die Meinungen dabei durchaus auseinandergehen, zeigen diese Interviews auf Börsenblatt online: