Die Sonntagsfrage

Shortlists ohne Indies – braucht es die Initiative #indieszählen, Ludwig Lohmann?

24. September 2023
Redaktion Börsenblatt

Auf den Shortlists der großen Literaturpreise fehlen in diesem Herbst Titel aus unabhängigen Verlagen, bemängelt Ludwig Lohmann, Podcaster und Marketingchef im Kanon Verlag. Dies sei eine fatale Tendenz für Indie-Verlage. Ludwig Lohmann über den "Herbst 23 ohne Indies". 

Ludwig Lohmann verantwortet die Bereiche Marketing und Veranstaltungen im Kanon Verlag und betreibt gemeinsam mit Maria-Christina Piwowarski den Podcast blauschwarzberlin.

Auf welchen Listen fehlen Indies?

Als am 19. September die Shortlist für den Deutschen  Buchpreis veröffentlicht wurde, fiel mir auf, dass kein einziges Buch aus einem unabhängigen Verlag dabei war. Die Dominanz von Büchern aus großen Häusern bei den relevanten Listen beobachte ich schon länger. Aber in diesem Jahr ist es besonders auffällig. Bei den wichtigen Debütpreisen, wie dem Aspekte-Preis, dem Harbourfront-Literaturpreis oder dem Preis der Jürgen-Ponto-Stiftung sind in diesem Jahr gar keine Indiebücher vertreten. Dabei sind Indie-Verlage beim Entdecken neuer Stimmen oft besonders stark. Auch beim Wilhelm-Raabe- oder beim Büchner-Preis sucht man Werke aus unabhängigen Häusern wieder vergeblich.

Was ist das Problem dahinter?

Ich möchte den ausgewählten Büchern nicht ihre literarische Qualität absprechen. Im Gegenteil, ich gönne den Autor:innen und ihren sehr tollen Büchern die Nominierung. Aber durch diese Listen wird eben auch eine Realität am Markt erzeugt. Die sagt: Nur die großen Häuser sind in der Lage, die wirklich wichtigen und auszeichnungswürdigen Bücher zu publizieren. Für die Leser:innen, die Einkäufer:innen in den Buchhandlungen und die Presse stabilisiert sich so der Eindruck, Bücher aus unabhängigen Verlagen sind einfach nicht so relevant. Und werden dann noch weniger gelesen, eingekauft und besprochen. Diese Tendenz ist besonders in diesen für Indie-Verlage besonders schwierigen Zeiten fatal.

Was könnte die Lösung sein?

Wir reden über die Beurteilung von Kunstwerken. Da kann es keine einfachen Rezepte geben. Ich bin definitiv gegen eine Indiequote bei Preisen. Eine öffentliche Diskussion über die Bedeutung von Indieverlagen für die Buchbranche wäre vielleicht ein Anfang. Dann lesen die Jurys in den nächsten Jahren vielleicht auch etwas genauer jenseits der breiten Pfade.

Ich wünsche mir, dass Jurys es als ihre Aufgabe sehen, für uns Bücher zu entdecken, statt immer nur das hochzuhalten, was sowieso schon überall im Stapel liegt.

Ludwig Lohmann

Was wünschen Sie sich von Literaturpreisen?

Ich wünsche mir, dass es in den Jurys wieder cool wird, mutig zu sein und auch die Stimmen zu hören, hinter denen keine große Presse- und Marketingmaschine stehen. Ich wünsche mir, dass Jurys es als ihre Aufgabe sehen, für uns Bücher zu entdecken, statt immer nur das hochzuhalten, was sowieso schon überall im Stapel liegt.

Bräuchte es die Initiative #indieszählen analog zu #frauenzählen?

Ja, weil diese Initiativen Aufmerksamkeit auf zu Unrecht marginalisierte Stimmen lenken.

Einen ersten Versuch, Indies zu zählen, hat der Blog "We read Indie" unternommen: Herbst 2023 ohne Indies? Eine Auseinandersetzung – Teil 1: Indies zählen – We read Indie

Fragen: Charline Vorherr