Interview zum Jahreswechsel (8): Kathrin Kunkel-Razum, Dudenredaktion

"In Sachen Gendern wünsche ich mir mehr Gelassenheit"

15. Dezember 2021
von Sabine van Endert

Das Thema Gendern hat die Gemüter 2021 kräftig erhitzt - das musste auch die Dudenredaktion erfahren, die bei Berufsbezeichnungen spezifiziert hat und nun z.B. schreibt "Arzt, der – männliche Person; Ärztin, die – weibliche Person".  Kathrin Kunkel-Razum, Leiterin der  Dudenredaktion, über ein gendermäßig bewegtes Jahr. 

Im zu Ende gehenden Jahr haben Sie Duden online ausgebaut und zum Beispiel bei 12.000 weiblichen Personen- und Berufsbezeichnungen eine Definition und Beispiele ergänzt, wo vorher nur auf die männliche Form verwiesen wurde. Außerdem haben Sie beispielsweise einen Arzt als männliche Person definiert – und dafür einen Shitstorm kassiert. Welches Problem hatten die Kritiker damit? 
Dieses Projekt haben wir bereits im Spätherbst 2020 begonnen. Die Kritikerinnen und Kritiker warfen uns vor, mit einer solchen Definition (Arzt, der – männliche Person; Ärztin, die – weibliche Person) das sogenannte generische Maskulinum abzuschaffen. Es hieß, wir würden Formen wie Ich muss dringend mal zum Arzt gehen verbieten, wenn es sich um eine Ärztin handelt. Solche Beispiele zeigen wir aber weiter, sie sind nur nicht der Kern der Bedeutung von der Arzt.     

Gab es nur Kritik oder haben Sie auch lobende Post bekommen?
Ja, es gab auch lobende Post und viel Zustimmung.

Setzt sich in der Diskussion um Sternchen, Doppelpunkt und Unterstrich in den Medien mittlerweile eine Schreibweise durch?
Wir beobachten zunächst sehr häufig ein Streben nach geschlechtergerechten Formulierungen, die ohne ein Genderzeichen auskommen, also die Mitarbeitenden, die Studierenden … Wenn aber Zeichen eingesetzt werden, scheint es so zu sein, dass der Unterstrich von den drei genannten Möglichkeiten am seltensten vorkommt. Das quantitative Verhältnis von Sternchen und Doppelpunkt genau zu bewerten, ist schwierig, hier herrscht derzeit eine große Dynamik im Sprachgebrauch. So erklärte die chrismon-Redaktion vor Kurzem, vom Doppelpunkt auf das Sternchen, das sicher auch eine bestimmte Symbolkraft hat, umzustellen, weil die Screenreader inzwischen in der Lage sind, das Sternchen als kurze Pause zu lesen. Ich persönlich bevorzuge das Sternchen, weil der Doppelpunkt eben auch andere grammatische Funktionen hat, besonders in der Satzgliederung. 

Und wie geht es beim Duden in dieser Sache weiter? Steht ein neuer Aufreger bevor?
Davon gehen wir nicht aus. Wir beobachten weiterhin, welche Varianten des Genderns genutzt werden und wie sie sich durchsetzen. Das dokumentieren wir beispielsweise in unseren Ratgebern zum Gendern.  

Was wünschen Sie sich in Sachen Gendern für 2022?
Mehr Gelassenheit.

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