Lesetipp zum Boykott der Frankfurter Buchmesse

"Realitätscheck statt Schnappatmung"

1. November 2021
Redaktion Börsenblatt

Die Debatte um den Boykott der Frankfurter Buchmesse geht weiter. In der "taz" plädiert der Soziologe Armin Nassehi für die "möglichst kalte (sic!) liberale Anwendung des Rechts" und die Journalistin Doris Akrap empfiehlt "Realitätscheck statt Schnappatmung". 

"Das Recht, an einer Buchmesse teilzunehmen, muss so inklusiv wie möglich gehalten werden", schreibt der Soziologe Armin Nassehi in der taz, "sonst übernimmt man das Gift jener, die man bekämpfen will." Wir müssten uns vielleicht daran gewöhnen, dass es die Rechten und das Rechte gibt, wenn wir es loswerden wollten. Wo die Tolerierbarkeit des Arguments aufhört und die Form der Bedrohung beginnt, sei die entscheidende Frage. Einen unbeteiligten Blick könne es nicht geben, so Nassehi: "Rechte, an der Grenze zum Rechtsradikalen wandelnde Verlage von der Buchmesse zu verbannen, ähnelt der Selbstberuhigung, den eigenen Differenzblick in der positiven Diskriminierung als blinden Fleck zu führen, der mehr der eigenen Moral als der Rettung des Anderen dient." Am Ende zeige sich, dass "die einzige Möglichkeit, die dünne Eisdecke der Zivilisation ausreichend stabil zu halten, nur durch eine möglichst kalte (sic!) liberale Anwendung des Rechts gelingen kann". 

Innerhalb von wenigen Tagen sie in der Debatte um den Boykott der Frankfurter Buchmesse "aus einer subjektiven Beurteilung einer Gefahrenlage die unumstößliche Tatsache, dass die komplette Buchmesse zu einer rassistischen Veranstaltung verkommen sei", schreibt ebenfalls in der "taz" die Journalistin Doris Akrap unter dem Titel "Realitätscheck statt Schnappatmung". Wie überall im Land sei auch auf der Buchmesse nicht ausgeschlossen, dass Schwarze von Rassisten bedroht würden, aber "würden in einer deutschen Stadt so viel sicht- und unsichtbare private wie staatliche Sicherheitsdienste wie auf den Frankfurter Messegängen patrouillieren, würde man mit Recht von Überwachungsstaat sprechen", so Akrap. Dank des Schnappatmungsaktivismus hafte der Buchmesse das Bild an, dass "ihre Stände und Bühnen bloß noch Tarnung seien, hinter denen Nazis ihren Provokationen und Mordfantasien an Schwarzen ungehindert nachgehen können". Durch den "gratismutigen Boykottaufruf" müssten sich nun Schriftsteller und Journalisten wie Can Dündar oder Aslı Erdoğan, die von einem ganzen Regime verfolgt werden, rechtfertigen.